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17.12.2013

Die Formulierung "gleichzeitiges Versterben" kann auch ein Versterben mit großem zeitlichem Abstand beinhalten!

Die Kombination einer Schlusserbeneinsetzung mit Einräumung einer Abänderungsbefugnis zu Gunsten des überlebenden Ehegatten bei ausdrücklicher Anordnung der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen können Anhaltspunkte dafür sein, dass die Ehegatten die Formulierung „für den Fall gleichzeitigen Versterbens“ nicht im Wortsinn verwendet haben, sondern den Fall des zeitlichen nacheinander Versterbens geregelt haben (OLG München, Beschluss vom 24.10.2013, 31 Wx 139/13).

der Ehemann verstarb im Jahr 2009, die Ehefrau im Jahre 2012. Die Eheleute haben keine Abkömmlinge hinterlassen. Sie verfassten ein formgültiges, gemeinschaftliches Testament mit folgendem Inhalt:

„Für den Fall des gleichzeitigen Versterbens bestimmen wir hiermit als Schlusserben X. Sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen sind wechselbezüglich. Sie können daher nur gemeinschaftlich abgeändert oder durch Widerruf beseitigt werden. Nach dem Tod eines Teils von uns soll aber der überlebende Teil berechtigt sein, einseitig dieses Testament zu ändern.“

X beantragte einen Erbschein als Alleinerbe. Der bestellte Nachlasspfleger äußerte gegenüber dem Nachlassgericht, dass die Eheleute den X nicht mehr als Erben haben wollten, da sich dieser angeblich schlecht gegenüber der Erblasserin benommen habe. Die Einsetzung des X als Alleinerbe sei nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens erfolgt.

Das Gericht hat dem X einen Alleinerbschein ausgestellt und insbesondere folgendes in der Begründung festgehalten: Eine für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“ getroffene Erbeinsetzung gilt grundsätzlich nicht für den Fall, dass die Ehegatten nacheinander, in erheblichem zeitlichem Abstand, versterben. Eine Ausnahme hiervon kann nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden kann, dass die Testierenden den Begriff des „gleichzeitigen Versterbens“ entgegen dem Wortsinn dahin verstanden haben, dass er auch das Versterben in erheblichem zeitlichem Abstand umfassen sollte. Das Oberlandesgericht München war der Auffassung, dass dem gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten Umstände entnommen werden können, die darauf hindeuten, dass die Ehegatten durch die Formulierung „für den Fall des gleichzeitigen Versterbens“ auch den Fall, dass sie nacheinander, in erheblichem zeitlichem Abstand, versterben, geregelt haben. Dies sieht das Gericht insbesondere darin begründet, dass die Ehegatten die Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen angeordnet haben, jedoch bei Überleben eines der Ehegatten eine Abänderungsbefugnis zu dessen Gunsten bestimmt haben. Eine solche Befugnis ergibt aber nur dann Sinn, wenn ein Ehegatte den anderen überlebt und dieser nach der Vorstellung der Ehegatten auch die Möglichkeit hat, in Bezug auf die wechselbezügliche und damit bindende Verfügung zu Gunsten des Schlusserben anders zu verfügen. Bei der Verwendung der Formulierung „gleichzeitig“ im Wortsinn wäre aber für die Anordnung einer Abänderungsbefugnis keine Notwendigkeit gegeben. Zudem haben die Ehegatten in Bezug auf den X die Formulierung „Schlusserbe“ verwendet, die nach ihrem Wortsinn ebenfalls voraussetzt, dass vor Anfall des Nachlasses zu Gunsten des Bedachten bereits ein Erbgang zu Gunsten des überlebenden Ehegatten erfolgt ist. Dies wäre bei einem gleichzeitigen Versterben gerade nicht der Fall. In der Gesamtschau der von den Ehegatten getroffenen Verfügungen und Formulierungen liegt es deshalb näher, dass die Ehegatten den Fall eines nacheinander Versterbens in erheblichem zeitlichem Abstand geregelt haben. Im vorliegenden Fall haben die Ehegatten aber die Schlusserbeneinsetzung des X nicht widerrufen oder aufgehoben, so dass diesem eine Alleinerbschein auszuhändigen war.

 



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