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15.09.2014
Vermächtnis - Grundbuch - Testamentsvollstrecker

Begünstigter darf bei Wahlvermächtnis das Wahlrecht ausüben

Nicht der Testamentsvollstrecker, sondern der Vermächtnisnehmer trifft bei Wahlvermächtnis die Auswahl

Das Oberlandesgericht München hatte einen für die Praxis wichtigen, weil häufigen erbrechtlichen Fall zu entscheiden, den Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth aus Obrigheim für Sie wie folgt zusammenfasst:

Der Sachverhalt des Falles:

Die Erblasserin setzte einen Testamentsvollstrecker ein, der ihren Nachlass abwickeln und auseinandersetzen sollte. In der Erbschaft waren auch verschiedene Grundstücke; sie ordnete in ihrem Testament außerdem an, dass eine ihrer Bekannten „… ein Haus oder einen Bauplatz von zwei“ in einer von ihr bezeichneten Straße erhalten sollte. Die Verstorbene besaß in der genannten Straße zwei Bauplätze und zusätzlich ein Weggrundstück, das direkt an einen der Bauplätze angrenzte.

Die mit dem Vermächtnis Bedachte wählte einen der beiden Bauplätze aus. Mit dem Testamentsvollstrecker war sie darüber einig, dass das Weggrundstück – auch wenn dies nicht ausdrücklich im Testament genannt und zur Wahl gestellt war – zum ausgewählten Bauplatz gehörte. Nur über diesen Weg konnte das ausgewählte Grundstück angeblich erschlossen werden, zumal über diesen auch die Versorgungsleitungen liefen. Das Grundbuchamt wies allerdings den Eintragungsantrag  hinsichtlich des Weggrundstückes mit der Begründung zurück, dass es sich dabei um eine dem Testamentsvollstrecker nicht erlaubte unentgeltliche Verfügung handelte.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München:

Im Verfahren der Beschwerde bestätigt der Senat des Oberlandesgerichts München die Rechtsansicht des Grundbuchamts. Dem Testamentsvollstrecker sind unentgeltliche Verfügungen (Schenkungen) grundsätzlich untersagt. Das ergibt sich aus § 2205 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das Grundbuchamt muss, um eine Eintragung vornehmen können, prüfen, ob hiergegen seitens des Testamentsvollstreckers verstoßen wird, wenn er eine Umschreibung des Grundbuchs veranlassen will. Wäre das der Fall, handelt der Testamentsvollstrecker nicht ordnungsgemäß und die Eintragung im Grundbuch darf nicht erfolgen.

Testamentsvollstrecker darf nur entgeltlich verfügen:

Der Nachweis der Entgeltlichkeit seiner Verfügung kann im Wege der freien Beweiswürdigung dadurch geführt werden, dass Zweifel an der Pflichtmäßigkeit des Testamentsvollstreckerhandelns ausgeräumt werden. Hierfür ist bei der Veräußerung eines Gegenstandes vom Testamentsvollstrecker genau darzustellen, was für ihn die maßgeblichen Beweggründe für die entgeltliche Verfügung sind. Die Verfügung ist auch dann entgeltlich – und somit nicht zu beanstanden -, wenn sie zur Erfüllung eines Vermächtnisses vorgenommen wird; zur Erfüllung dieser "Schuld" ist der Testamentsvollstrecker nämlich gesetzlich verpflichtet, wie bereits das Bayerische Oberste Landesgericht im Jahr 1989 entschieden hatte.

Der Wortlaut des Testaments rechtfertigt es, das Wahlrecht hinsichtlich des Bauplatzes ausschließlich der Vermächtnisnehmerin zuzuordnen. Es steht somit gerade nicht dem Testamentsvollstrecker zu, sondern dem letztwillig Bedachten. Die Übertragung des Bauplatzes durch den Testamentsvollstrecker erfolgte damit nicht unentgeltlich, sondern um die Vermächtnisforderung gegenüber dem Nachlass zu erfüllen.

Dass die Verstorbene zusätzlich das Weggrundstück auf das Wahlrecht bzw. das Vermächtnis zu Gunsten der Bedachten erstrecken wollte, ist aus der letztwilligen Verfügung (Testament) jedoch nicht ersichtlich. Die Erschließung des ausgewählten Grundstücks kann ebenso über eine andere angrenzende Straße erfolgen; dass Versorgungsleitungen in dem übertragenen Weggrundstück liegen, rechtfertigt nicht, dieses zum Bestandteil des „Bauplatzes“ zu machen. Aus diesen Gründen durfte der Testamentsvollstrecker keine zusätzlich Auswahl dieses Wegrundstückes treffen und es dem ausgewählten Bauplatz nicht einfach zuschlagen. Soweit die Übertragung des Weggrundstückes zur Erfüllung des Wahlvermächtnisses erfolgen sollte, ist die Verfügung des Testamentsvollstreckers somit unentgeltlich und daher unzulässig.

Wolfgang Roth, Fachanwalt für Erbrecht aus Obrigheim, weist auf folgendes hin:

Die verbindliche Auslegung eines unklaren Testaments ist ausschließlich Sache der Gerichte. Der Beschluss des Gerichts zeigt, wie gefährlich es für einen Testamentsvollstrecker sein kann, im Rahmen einer Vermächtniserfüllung eine eigenständige Testamentsauslegung vorzunehmen. Um Sicherheit bei Zweifeln über den klaren Umfang eines (Wahl -) Vermächtnisses zu erhalten, sollte der Testamentsvollstrecker eine Feststellungsklage zu Gericht erheben, worauf Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth aus Obrigheim hinweist. Andernfalls läuft er Gefahr, für seine fehlerhafte Testamentsauslegung später von den Erben in die Haftung genommen zu werden. (s. zu diesem Thema auch das Buch der Obrigheimer Erbrechtsexperten im Verlag C. H. Beck, München, Roth/Maulbetsch/Schulte, Vermächtnisrecht, § 4 VIII, zu finden unter dem button: Publikationen)

Fundstelle: OLG München, Beschluss vom 15.7.2014 – 34 Wx 243/14



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