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14.08.2015
Pflichtteil - Pflichtteilsberechnung - tatsächlichen Veräußerungserlös

Ein nachgewiesener Verkehrswert kann dem tatsächlich erzieltem Verkaufserlös bei der Pflichtteilsberechnung vorgehen.

Grundsätze der Bewertung im Pflichtteilsrecht

Bei Pflichtteilsansprüchen kommt es häufig darauf an, mit welchem Wert Nachlassgegenstände, z.B. Grundstücke, in Ansatz zu bringen sind.

Die Wertbemessung des Nachlasses für die Berechnung des Pflichtteils hat grundsätzlich nach § 2311 BGB zu erfolgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine wichtige Orientierung für die Bewertung von Nachlassgegenständen, die zeitnah nach dem Erbfall veräußert worden sind, der erzielte Verkaufserlös. Als zeitnah werden auch noch Zeiträume von bis zu 3 Jahren angesehen.

Sachverhalt

In dem vom BGH jetzt zu entscheidenden Fall (Entscheidung vom 08.04., IV ZR 150/14) war zunächst von einem Sachverständigen im Jahre 2007 der Verkehrswert eines Grundstücks, das zum Nachlass gehörte, zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers (2006) mit rd. 2 Millionen Euro bewertet worden. Im Jahre 2009 kam ein weiterer Gutachter zu der Auffassung, dass das Grundstück lediglich rd. 1,3 Millionen Euro wert sei. Zu diesem Betrag wurde das Grundstück dann auch veräußert.

Es wurden in der Folge dann noch zwei weitere Gutachten eingeholt, die ebenfalls zu unterschiedlichen Auffassungen, nämlich einmal zu einem Wert von 2,1 Millionen und zum anderen wiederum zu einem Wert von rd. 1,3 Millionen, kamen.

Ein Teil der Differenz zwischen tatsächlich erzieltem Verkaufserlös und dem gutachterlich festgesetzten Höchstwert wurde gerichtlich geltend gemacht. Der Kläger berief sich auf die für ihn günstigen Gutachten. In den ersten beiden Instanzen wurde der Anspruch abgelehnt.

Entscheidung des BGH zur Wertermittlung

Aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde wurde die Revision zugelassen und der BGH hatte zu entscheiden. Dieser verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück wegen Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör gem. Artikel 103 Abs. 1 GG. Begründet wurde das damit, dass das Berufungsgericht keinen Beweis hinsichtlich des Wertes des Grundstücks durch ein weiteres Sachverständigengutachten erhoben habe, obwohl der Kläger dies als weiteren Beweis angeboten hatte.

Das erkennende Berufungsgericht hatte sich letztlich damit begnügt, den Wert des Grundstücks aufgrund des tatsächlich erzielten Verkaufserlöses sowie aufgrund der beiden weiteren Gutachten, die den Wert in etwa dieser Höhe festgesetzt hatten, zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen.

Der BGH war der Ansicht, dass bei mehreren sich widersprechenden Gutachten ggf. ein weiteres eingeholt werden müsse, um den tatsächlichen Wert des Nachlassgegenstandes zu ermitteln.

Aus dieser Entscheidung ist zu folgern, dass durchaus auch bei einem zeitnah nach dem Erbfall erzielten Verkaufserlös vorgetragen und unter Beweis gestellt werden kann, dass ein höherer Wert als objektiver Wert des Nachlassgegenstandes anzunehmen und bei Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen ist. Der tatsächlich erzielte Peis ist daher letztendlich nur ein wesentlicher Anhaltspunkt von gegebenenfalls mehreren, jedoch nicht allein entscheidend, für die durch ein Gericht anzunehmende Bewertung eines Nachlassgegenstandes.

Expertentipp: Stephan Konrad, Fachanwalt für Erbrecht aus Bielefeld, rät daher Pflichtteilsberechtigten, bei krassem Missverhältnis zwischen Veräußerungserlös und (berechtigt) vermutetem höheren Wert – insbesondere bei widerstreitenden verschiedenen Gutachten - ggf. eine gerichtliche Klärung hinsichtlich des Wertes herbeizuführen und sich nicht auf den Veräußerungserlös verweisen zu lassen.



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