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02.02.2016
Verkauf Erbteil - Ehegatte - Immobilie

Kein Verkauf des Erbteils ohne Zustimmung des Ehegatten

Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth erläutert einen in der Praxis nicht alltäglichen Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden hat: Verkauft ein Ehegatte seinen Erbteil, den er selbst geerbt hat, ist der Erbteilskauf unwirksam, wenn er ohne Zustimmung des anderen Ehegatten erfolgte.

Der Leitgedanke des Oberlandesgerichts Koblenz:

Stellt ein Erbteil den einzigen Vermögensgegenstand einer Person dar, ist dessen Veräußerung durch den im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Erben unwirksam, wenn hierfür die Zustimmung des Ehepartners fehlt.

Der entschiedene Sachverhalt:

Zwei Söhne beerbten ihre Mutter zu gleichen Teilen. und stellten somit eine Erbengemeinschaft dar. Ein Sohn erhielt Sozialhilfe nach SGB XVII und übertrug per notariellem Erbteilskaufvertrag seinen Erbanteil an den Bruder. Die Übertragung erfolgte ohne ausdrückliche Zustimmung der Ehefrau des Hilfeempfängers, obwohl der Erbteil sein einziges werthaltiges Vermögensobjekt war: Im Nachlass befanden sich Immobilien der verstorbenen Mutter. Nach Vollzug des Erbteilskaufvertrages im Grundbuch durch Eintragung des Erwerbers als Eigentümer forderte der Verkäufer von seinem Bruder, dass er wieder selbst als Eigentümer eingetragen werde. Dazu machte er gerichtlich einen Grundbuchberichtigungsanspruch geltend, da er den Erbteilskaufvertrag nunmehr für unwirksam hielt. Das Familiengericht gab dem Antrag statt. Dagegen wehrte sich der Käufer in der Beschwerdeinstanz ohne Erfolg.

Die tragenden Gründe der Entscheidung:

Das OLG Koblenz begründet seine Entscheidung mit dem Verweis auf § 1365 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Eine ausdrückliche oder eine stillschweigende Einwilligung bzw. Genehmigung durch die Ehefrau des Veräußerers fehlt. Aus dem Verhalten der Ehefrau (Schweigen) kann nicht auf ihren Willen zur Zustimmung zum Verkauf geschlossen werden. Ihr war trotz deren Einbindung in die Vertragsgespräche nicht bewusst, dass sie zu einer rechtsbedeutsamen Entscheidung durch Erteilung (oder Nichterteilung) ihrer Einwilligung zum Vertrag gemäß § 1365 Abs. 1 BGB berufen war; der Entscheidungssituation, nämlich ihrer Rechtsmacht, den Vertrag verhindern zu können, war sich die Ehefrau gar nicht bewusst. Da die Ehefrau rechtsunkundig war, konnte sie durch ihre bloße Teilnahme an den Vertragsverhandlungen und der Vertragsabwicklung in ihren subjektiven Willen nicht aufnehmen, dass eine rechtserhebliche Erklärung ihrerseits den Vertrag zu verhindern vermochte. Im Rahmen der sogenannten "sekundären Darlegungslast" vermag der Beschwerdeführer im Gerichtsverfahren nichts Gegenteiliges aufzuzeigen, weshalb seine Beschwerde erfolglos ist.

Der Expertentipp für Sie:

Die Entscheidung ist ein Lehrstück über die „Grundbausteine“ von Willenserklärungen: Auch wenn objektiv ein Verhalten der Ehefrau, das als Kundgabe eines Rechtsfolgewillens zu werten sein könnte, durch Teilnahme an Gesprächen in den Vertragsverhandlungen gegeben sein könnte, fehlt ihr das Erklärungsbewusstsein, also das Wissen, durch ihr Verhalten eine rechtlich erhebliche Äußerung zu tätigen. Das objektiv geäußerte Verhalten erfolgte gerade nicht in dem Bewusstsein, mit dieser Handlung eine Willenserklärung zu äußern, durch die ein Rechtsgeschäft verbindlich ausgelöst wird. Bei einer Erbauseinandersetzung, für welche die familienrechtliche Vorschrift des § 1365 Abs. 1 BGB ebenfalls gilt, ist für den Erben immer zu beachten, ob er durch die Weggabe seines Erbteils (z.B. durch Verschenken oder Verkauf des Erbteils) über sein gesamtes Vermögen verfügt. Nur wenn der Ehepartner zustimmt, ist dies rechtlich zulässig, was häufig übersehen wird, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth aus Obrigheim aus der Praxis weiß.

Fundstelle der Entscheidung: OLG Koblenz, Beschluss vom 27.5.2015 – 13 UF 156/15 



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