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24.04.2016
Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten

Anspruch auf Prüfung der Kontoauszüge des Erblassers durch den Erben

Ist ein nächster Angehöriger durch Testament oder Erbvertrag vom Erblasser enterbt, steht ihm ein Anspruch auf den Pflichtteil zu. Dieser Pflichtteil ist ein auf Geld gerichteter Anspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Da der Pflichtteilsberechtigte selten einen genauen Überblick über Bestand und Wert des Nachlasses hat und daher seinen Pflichtteilsanspruch nicht berechnen kann, steht ihm gegenüber dem oder den Erben einen Auskunftsanspruch zu. Der oder die Erben haben dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft über den Bestand des Nachlasses zum Todestag zu erteilen. Zudem haben die Erben ihm zur Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen Auskunft über die vom Erblasser zu Lebzeiten getätigten Schenkungen zu erteilen.

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Im Rahmen der Auskunftserteilung über pflichtteilsrelevante Zuwendungen hat der Erbe nicht nur Auskunft über Schenkungen zu erteilen, die er selbst vom Erblasser erhalten hat, sondern er hat auch Schenkungen mitzuteilen, die der Erblasser in den letzten 10 Jahren dritten Personen zugewandt hat.

Soweit derartige Schenkungen dem Erben bekannt ist, hat er diese wahrheitsgemäß zu erklären. Doch was passiert, wenn der Erbe selbst keine Informationen zu Schenkungen hat?

Diese Frage wurde aktuell vom OLG Stuttgart (Beschluss vom 26.01.2016- Akz.: 19 W78/15) entschieden. Mit dieser Entscheidung werden die Rechte des Pflichtteilsberechtigten weiter gestärkt.

In dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall hatte der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten mitgeteilt, dass ihm keine Schenkungen des Erblassers bekannt seien. Der Pflichtteilsberechtigte verlangte daraufhin vom Erben, die Kontoauszüge der letzten 10 Jahre des Erblassers zu prüfen, ob sich aus diesen eventuell Schenkungen ergeben. Dies lehnte der Erbe ab, da er sich derartige Informationen nur unter hohen Kosten beschaffen könnte. Die Bank hatte nämlich für die nochmalige Zurverfügungstellung der Kontoauszüge des Erblassers einen Betrag von 1.500,00 € verlangt.

In seiner Entscheidung stellte das OLG Stuttgart zunächst fest, dass ein Erbe grundsätzlich verpflichtet ist, von seinem Auskunftsrecht gegenüber Banken und Sparkassen Gebrauch zu machen, wenn der Verdacht besteht, dass der Erblasser in seinen letzten 10 Lebensjahren Zuwendung von seinem Bankkonto oder Depot schenkungsweise an Dritte erbracht hat. In dem zu beurteilenden Sachverhalt hatte der Erblasser monatliche Einkünfte in Höhe von 1.720,00 €, sodass es nach Ansicht der Richter von vornerein nicht ausgeschlossen erschien, dass der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hatte.

  Auskunft und Wertermittlung – Wie erfährt der Pflichtteilsberechtigte, welchen Wert der Nachlass hat?

Im Rahmen seiner Entscheidung betonte das OLG Stuttgart, dass im Rahmen der Ermittlungen die der Erbe zur Erstellung eines Nachlassverzeichnis anzustellen hat, auch die Einsichtnahme in die vollständigen Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen 10 Jahres Zeitraum gehört. Der Erbe sei daher verpflichtet, dem Auskunftsbegehren des Pflichtteilsberechtigten auf Prüfung der Kontoauszüge der letzten 10 Jahre nachzugehen. Auch der Einwand des Erben, die Banken würden für die Kontoauszüge eine Aufwandsentschädigung in Höhe von insgesamt 1500,00 € berechnen, nutzte dem Erben nichts. Nach Ansicht der Richter sei die Zahlung einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 1.500,00 € angesichts des in Rede stehenden 10 Jahres Zeitraumes nicht unverhältnismäßig.

Expertentipp von Martina Klose, Fachanwältin für Erbrecht in Jena: Auch wenn diese Entscheidung die Rechte des Pflichtteilsberechtigten stärkt, so bleibt es doch bei dem Grundsatz, dass der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen hat. Die Vorlage der Kontoauszüge kann der Pflichtteilsberechtigte daher vom Erben nicht verlangen. Verlangen kann er nur, dass der Erbe die Kontoauszüge bei Verdacht prüft. Dem Pflichtteilsberechtigten bleibt die Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses und das Verlangen auf Abgabe einer eidesstaatlichen Versicherung.



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