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15.06.2019
Außerordentliche Testamente

Nottestament vor drei Zeugen, § 2250 Abs. 2 BGB

In aller Regel werden ordentliche Testamente errichtet entweder als öffentliche Testamente zur Niederschrift eines Notars oder durch eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung des Erblassers. Es kommt jedoch vor, dass eine ordentliche Testamentserrichtung nicht mehr möglich ist. Für derartige Ausnahmefälle hält das Gesetz die Möglichkeit der Errichtung eines Nottestamentes bereit. Im BGB sind als außerordentliche Testamentsformen das Bürgermeistertestament, das Seetestament oder das Dreizeugentestament geregelt.

Gerichtliche Entscheidungen zu diesem Themenbereich sind eher selten. In einem Beschluss vom 14.02.2019 hat sich das Amtsgericht – Nachlassgericht – Neuwied mit den Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Dreizeugentestamentes befasst.

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Erblasser war zweimal verheiratet. Er hat sowohl aus seiner ersten Ehe als auch aus seiner zweiten Ehe jeweils zwei Kinder. Diese streiten um die Wirksamkeit eines Nottestamentes, das der Erblasser an seinem Todestag in einem Krankenhaus in Neuwied errichten ließ.

Der Erblasser war an Krebs erkrankt. Am Todestag lag er bereits auf der Palliativstation, da er an einem akuten Organversagen litt. Am Vormittag des Todestages trafen sich die Kinder aus der zweiten Ehe des Erblassers sowie drei weitere Personen im Krankenzimmer des Erblassers im Krankenhaus. Es wurde beschlossen, ein Nottestament zu errichten, da ein für die kommenden Tage avisierter Notartermin nicht mehr realisierbar erschien. Da es sich um einen Sonntag handelte, war es auch nicht möglich, einen Notar ins Krankenhaus zu bekommen.

Niederschrift des mündlich erklärten Erblasserwillens

Der Erblasserwille wurde zunächst von einem der Beteiligten auf einem „Schmierzettel" festgehalten. Das auf dem „Schmierzettel" festgehaltene wurde anschließend von einem der Zeugen ihm vorgelesen und vom Erblasser durch Ja-Sagen und ein Kopfnicken genehmigt. Anschließend wurde eine Reinschrift erstellt, die noch im Krankenhaus von zwei der drei Zeugen unterzeichnet wurde. Ein weiterer Zeuge nahm die Reinschrift mit nach Hause und unterzeichnete sie dort anschließend. Auf der Grundlage der Verfügungen des Erblassers stützen die Kinder aus der zweiten Ehe des Erblassers ihren Erbscheinsantrag. Die Kinder des Erblassers aus der ersten Ehe, die in der letztwilligen Verfügung des Erblassers nicht bedacht sind, treten diesem Erbscheinsantrag entgegen. Sie sind der Auffassung, dass das vom Erblasser errichtete Dreizeugentestament nicht wirksam sei.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Es führt aus, dass zwei Erfordernisse für die Wirksamkeit des Dreizeugentestamentes nicht erfüllt sind.

Genehmigung und Unterschrift

Ein Nottestament gemäß § 2250 Abs. 2 BGB muss von dem unterschriftsfähigen Erblasser selbst unterzeichnet sein. Dieses Erfordernis ist zwingend, §§ 2250 Abs. 3 Satz 2, 2249 Abs. 1 Satz 6, Abs. 6 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 1 Beurkundungsgesetz.

Von diesem Formerfordernis kann nur abgewichen werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Erblasser zur Unterzeichnung des Testamentes nicht mehr in der Lage war.

Der Erblasser war im Zeitpunkt der Testamentserrichtung – das ist unstreitig – testierfähig. Ob der Erblasser noch schreibfähig war, hat sich auch in der vom Nachlassgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht klären lassen. Die Antragstellerin hat angegeben, dass der Erblasser zwar körperlich so geschwächt gewesen sei, dass er ein eigenhändiges Testament nicht mehr errichten könne. Ob der Erblasser darüber hinaus aber auch nicht mehr in der Lage gewesen ist, eine Unterschrift unter das Nottestament zu setzen, blieb ungeklärt.

Sofern die Unterschrift unter dem Nottestament fehlt, kann ein wirksames Nottestament auch dann nicht angenommen werden, wenn der Tatrichter davon überzeugt ist, dass der Erblasser die Erklärung abgegeben hat. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil im Jahre 1971 entschieden.

Vorlesen und Genehmigen des Urkundeninhaltes

Darüber hinaus ist nach der Auffassung des Nachlassrichters das Nottestament vorliegend auch deswegen unwirksam, weil es an der Verlesung der Niederschrift des Nottestamentes und dessen Genehmigung durch den Erblasser fehlt. Die Erfordernisse des Vorlesens und Genehmigens geben dem Erblasser Gelegenheit zu prüfen, ob seine Erklärung richtig aufgenommen worden ist und ob es dabei bleiben soll. Mit der Genehmigung gewährt der Erblasser dem vorgelesenen Schriftstück seine Authentizität. Wird dem Erblasser hingegen ein anderes Schriftstück zur Genehmigung vorgelesen und dieses wird nicht von den Zeugen unterzeichnet, sondern wie vorliegend nur die Reinschrift, so geht die durch Vorlesen und Genehmigen erreichte Gewähr durch den Erblasser wieder verloren.

Unstreitig wurde die Reinschrift des auf dem „Schmierzettel" festgehaltenen Erblasserwillens dem Erblasser nicht mehr vorgelesen und auch von diesem nicht mehr genehmigt. Damit fehlt es an einem weiteren, zwingenden Erfordernis eines wirksamen Nottestamentes im Sinne des § 2250 Abs. 2 BGB.

Das Amtsgericht hat zu Recht den Erbscheinsantrag zurückgewiesen.

Es ist gesetzliche Erbfolge eingetreten. Erben sind die vier Kinder des Erblassers aus den beiden Ehen zu gleichen Teilen.

Anmerkung des Fachanwalt für Erbrecht Joachim Müller

Der Erblasser des vorliegenden Falles war testierfähig, er hat seinen Willen in Bezug auf seine Rechtsnachfolge auch unmissverständlich geäußert. Gescheitert ist die gewillkürte Erbfolge daran, dass die – strengen – formellen Voraussetzungen, die für die Errichtung eines wirksamen Nottestamentes gelten, nicht erfüllt wurden.

Nach eigenem Bekunden hat die Antragstellerin sich „im Internet schlau gemacht". Ratsam wäre es vielleicht gewesen, zu versuchen, einen Fachanwalt für Erbrecht als Berater zu den Voraussetzungen der Errichtung eines außerordentlichen Testamentes hinzuzuziehen.



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