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4.5.2005

Eine Pflichtteilsentziehung ist auch bei strafrechtlicher Schuldunfähigkeit des Pflichtteilsberechtigten möglich

Der Entscheidung lag ein besonders tragischer Fall zu Grunde: eine Mutter, die mit ihrem schwer psychisch kranken Sohn unter einem Dach gelebt hatte, wurde von ihm über Jahre hinweg massiv misshandelt. Aufgrund dieser Vorfälle enterbte die Mutter den Sohn zu Gunsten ihres zweiten Kindes und entzog mittels dieser letztwilligen Verfügung auch den Pflichtteil. Die Misshandlungen gipfelten schließlich darin, dass der Sohn die Mutter erschlug. Strafrechtlich konnte er hierfür nicht belangt werden, da entsprechende Gutachten seine Schuldunfähigkeit zum Tatzeitpunkt bestätigten. Über seinen Betreuer machte der pflichtteilsberechtigte Sohn gegenüber seinem alleinerbenden Bruder seinen Pflichtteil geltend.

Die Instanzgerichte sprachen den Pflichtteil zu und begründeten ihre Entscheidung damit, dass ein Verschulden des Sohnes aufgrund seiner Erkrankung nicht vorgelegen hätte. Es habe also kein Grund für eine Pflichtteilsentziehung vorgelegen.

Das Gesetz gibt vor, dass eine Pflichtteilsentziehung nur in ganz engen Ausnahmefällen möglich ist, so zum Beispiel, wenn sich das Kind gegenüber dem Erblasser einer vorsätzlichen körperlichen Misshandlung oder eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig gemacht hat. Grundsätzlich ist nach Rechtsprechung und Literatur Voraussetzung, dass der Pflichtteilsberechtigte schuldhaft handelt.

Unter grundsätzlicher Bestätigung der unbedingten Geltung des Pflichtteilsrechts verwies das Bundesverfassungsgericht die Sache an die untere Instanz zurück. Es dürfe, um sowohl den Interessen des Erblassers/der Erben als auch den der Pflichtteilsberechtigten im Rahmen der an sich verfassungskonformen Vorschrift des § 2333 BGB gerecht zu werden, nicht auf eine ausschließliche strafrechtliche Beurteilung des Verschuldens abgestellt werden. Dies lasse sich aus den Gesetzesmaterialien so nicht begründen.

Vielmehr sei darauf abzustellen, ob ein Verhalten vorliege, welches die Bande zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten grob verletzen. Dies kann auch ohne strafrechtliche Verschulden in Einzelfällen angenommen werden.




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