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31.12.2014
Ausschlagung - Pflichtteilsverzicht

Ausschlagung der Erbschaft "aus allen Berufungsgründen" beinhaltet keinen Pflichtteilsverzicht

Eine Ausschlagung „aus allen Berufungsgründen“ ist kein Pflichtteilsverzicht. Das OLG Schleswig hatte eine häufig in der Praxis vorkommende Fallgestaltung zu entscheiden:

Der Sachverhalt

Der Kläger begehrte von seiner Schwester im Rahmen einer sog. Stufenklage seinen Auskunftsanspruch über den Bestand des Nachlasses seines im Jahre 2012 verstorbenen Vaters. Die Mutter und Ehefrau des Erblassers ist 2009 vorverstorben. Die Eltern des Klägers hatten 2008 ein notarielles gemeinschaftliches Ehegattentestament erstellt. Beide Kinder sind zu gleichen Teilen als Schlusserben nach dem Tod des Letztversterbenden eingesetzt. Außerdem wurden die beiden Schlusserben mit einem Vermächtnis beschwert, wonach die Beklagte das Hausgrundstück in der X-Straße zu Alleineigentum und die beiden Kinder des Klägers als Schlusserben das Hausgrundstück in der Y-Straße zu je ½ Miteigentumsanteil erhalten sollten.

Mit notariell beglaubigtem Schreiben vom 13.11.2012 hat der Kläger „die Erbschaft aus allen Berufungsgründen“ ausgeschlagen. Auch die beiden Kinder des Klägers haben die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen. Der Kläger hat anschließend Stufenklage erhoben. Dem Auskunftsbegehren in der ersten Stufe wurde stattgegeben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte behauptet, dass mit der Ausschlagung der Erbschaft aus allen Berufungsgründen der Kläger zugleich auf seinen Pflichtteil verzichtet habe.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig

Das OLG Schleswig urteilt aus, dass der Pflichtteilsanspruch des Klägers nicht durch die Erbausschlagung „aus allen Berufungsgründen“ ausgeschlossen ist. Diese umfassende Ausschlagungserklärung könne nicht so verstanden werden, dass der Kläger einen Verzicht auf jede Beteiligung am Nachlass. Damit wird auch kein Pflichtteilsverzicht erklärt. Danach besteht das in § 2306 I BGB eingeräumte Wahlrecht nur dann, wenn sowohl der Erbteil aufgrund letztwilliger Verfügung als auch der Erbteil kraft gesetzlicher Erbfolge mit Beschränkungen und Beschwerungen verbunden seien.

Das OLG begründet dies auch mit der Wirkung der Erbschaftsausschlagung. Danach sei der Pflichtteilsberechtigte, der zum Erben berufen war, trotz Ausschlagung nie Erbe gewesen. Der aus dem Pflichtteilsrecht hergeleitete Pflichtteilsanspruch sei kein Erbrecht, sondern ein auf eine Mindestteilhabe am Nachlass gerichteter Anspruch gegen den Erben.

Herr Fachanwalt für Erbrecht Thomas Maulbetsch aus Obrigheim, weist auf das Folgende hin

Die vorliegende Fallgestaltung gilt nur, wenn ein Pflichtteilsberechtiger zum Erben oder Miterben eingesetzt wird und dieser durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist. Bei diesen Fallgestaltungen gewährt § 2306 BGB bei Erbfällen ab dem 01.01.2010 im Sinne der Vorschrift dem beschwerten Erben ein generelles Wahlrecht zwischen der Annahme der Erbschaft mit allen Belastungen oder Beschwerungen, so dass ihm nach deren Erfüllung u. U. noch nicht einmal sein eigener Pflichtteil verbleibt, und deren Ausschlagung. Schlägt der Erbe aus, so kann er gem. § 2306 BGB ausnahmsweise seinen Pflichtteil verlangen, obwohl er durch Ausschlagung und nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Diese Fallgestaltung liegt im vorliegenden Fall vor.

Davon strikt zu unterscheiden ist die Ausschlagung, wenn der als Erbe berufene Pflichtteilsberechtigte nicht durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist. Schlägt der Erbe hier aus, hat er anschließend keinerlei Ansprüche mehr gegenüber dem Nachlass.

Es ist Ihnen deshalb in diesem Bereich immer dringend anzuraten, sich anwaltlichen Rat bei einer Fachanwältin für Erbrecht oder einem Fachanwalt für Erbrecht einzuholen. Fehler sind in diesem Bereich in der Regel nicht mehr reparabel.

Fundstelle: OLG Schleswig, Urteil vom 02.09.2014 – 3 U 3/14



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