nach oben
29.09.2015
Testament - Annahme - Anfechtung

Anfechtung der Erbschaftsannahme bei Irrtum über verjährte Forderung

Fachanwalt für Erbrecht Andreas Wolff aus Mannheim erläutert einen Beschluss des Oberlandesgerichts München, der klärt, wie man sich einer Erbschaft entledigt, wenn man eine verjähte Forderung "mitgeerbt" hat:

Der zu prüfende Sachverhalt des Oberlandesgerichts:

Der Verstorbene hinterließ seine zweite Ehefrau und eine Tochter. Aus erster Ehe hatte er weitere drei Kinder. Da er kein Testament errichtet hatte, erhielt die Witwe einen Erbschein auf Grund gesetzlicher Erbfolge. Um ihre Miterbenstellung wußten seine Kinder mehr als ein dreiviertel Jahr vor der Erbscheinserteilung. Sie erhielten im März 2013 die Erbscheinsabschrift, erklärten notariell die Ausschlagung bzw. Anfechtung der Erbschaftsannahme aber erst im Mai 2014. Die Anfechtung begründeten sie damit, dass erst durch ein im April 2014 ergangenes Urteil Rechtsklarheit darüber bestand, dass der Nachlass mit einer Darlehensschuld belastet war. Zuvor waren sie davon ausgegangen, durch die Erhebung der Einrede der Verjährung diese Darlehensschuld nicht tilgen zu müssen. Das Nachlassgericht widersprach und hielt an der Miterbenstellung der Kinder fest, weil es die Anfechtung für unwirksam hielt, denn die Ausschlagungsfrist war längst abgelaufen. Der dagegen erhobenen Beschwerde gibt der Senat statt.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München:

Die Ausschlagungserklärungen sind wirksam und haben die Erbenstellungen rückwirkend beseitigt. Aus § 119 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches leitet sich der Anfechtungsgrund des Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft her. Der dort genannte Begriff der „Sache“ ist der Nachlass. Dessen Überschuldung stellt eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne der Vorschrift dar, der zur Anfechtung der Erbschaftsannahme berechtigt. Der Anfechtungsgrund greift ein, wenn der Irrtum hinsichtlich der Nachlassüberschuldung auf falschen Vorstellungen über die Nachlasszusammensetzung beruht. Ein Irrtum nur über den Wert einzelner Nachlassobjekte berechtigt dagegen nicht zur Anfechtung; der Wert zeigt die verkehrswesentliche Eigenschaft nur auf. Wird der Nachlass mit Schulden belastet, deren rechtlicher Bestand unsicher ist, gehört diese Unsicherheit ebenfalls zu den wertbildenden Faktoren der Erbschaft. Selbst wenn die Miterben um das Bestehen des Darlehens wussten, jedoch dachten, mit der Einrede der Verjährung die Darlehensforderung erfolgreich bekämpfen zu können, ist entscheidend, ob diese Vorstellung erfolgreich ist oder nicht. Der Irrtum darüber, dass eine Forderung den Nachlass überhaupt negativ belastet und eine rechtswirksame Nachlassverbindlichkeit darstellt, stellt dann einen Anfechtungsgrund dar, wenn sich dies nachträglich bewahrheitet. Daher hat die Beschwerde Erfolg und die Kinder konnten sich von der (überschuldeten) Erbschaft lösen.

Praxishinweis für Sie:

Der Mannheimer Erbrechtsspezialist Andreas Wolff weist darauf hin, dass der Irrtum über den Wert des Nachlasses nicht zur Anfechtung der Erbschaftsannahme berechtigt. Dies wird häufig verkannt. Entscheidend ist nicht der Nachlasswert, sondern dessen Zusammensetzung, über die der Irrtum bestehen muss. Ihr Erbrechtsexperte klärt Sie im Zweifel auf, wie Sie eine wirksame Ausschlagung der Annahme der Erbschaft vornehmen können, um unliebsame und teure Überraschungen zu vermeiden.

Fundstelle: Oberlandesgericht München, Beschluss vom 28.7.2015 – 31 Wx 54/15 



← zurück
Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker e.V. Erbrechtsmediation Erbrechtsakademie