nach oben
27.04.2016
Gemeinschaftliches Testament - Änderungsbefugnis

Erlaubnis zur Änderung auch bei Nacherbschaft möglich

Bisher konnten sich nur Ehegatten in der Form eines „klassischen“ Berliner Testaments eine Änderungsbefugnis einräumen, die es ihnen ermöglichte, nach dem Tod des ersten Ehegatten die Schlusserben zu ändern – gegebenenfalls auch nur begrenzt auf einen bestimmten Personenkreis, z. B. die gemeinsamen Kinder.

Das OLG München hat in seinem Beschluss vom 27.01.2016 entschieden, dass den Ehegatten eine solche Befugnis auch in Testamenten mit der sogenannten Vor- und Nacherbschaft gewährt werden kann. Auch hier kann dem Vorerben ein bestimmter Personenkreis vorgeschrieben werden, aus dem er den späteren (Nach-)erben wählen kann. Diese Testamentskonstellation trifft vor allem Familien mit Kindern aus verschiedenen Beziehungen. Das OLG ermöglicht ihnen damit auch nach dem ersten Todesfall, noch auf veränderte Umstände einzugehen.

Der Fall

Der Erblasser hatte mit seiner 3. Ehefrau ein notarielles gemeinschaftliches Testament mit folgender Regelung bezüglich seiner beiden (einzigen) Kinder errrichtet:

Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. … Ich, der Ehemann, bestimme jedoch, dass meine Ehefrau (...) nur Vorerbin ist. Die Vorerbin ist von den gesetzlichen Beschränkungen n i c h t befreit. Zu Nacherben bestimme ich meine beiden Kinder aus meiner erster Ehe, nämlich: L. F. W (= Beteiligter zu 1); und F.L. W (= Vater des Beteiligten zu 2) zu gleichen Teilen. …  Die Einsetzung meiner beiden Söhne als Nacherben erfolgt unter der Bedingung, dass meine Ehefrau L. nicht anderweitig letztwillig testiert. Meine Ehefrau ist jedoch nur innerhalb meiner Abkömmlinge zur Abänderung der Nacherbenbestimmung befugt. Sie kann also zum Beispiel bestimmen, dass einer meiner Söhne alleiniger Nacherbe sein soll oder für einen Sohn nur ein Vermächtnis aussetzen. Zugunsten anderer Personen als meine Abkömmlinge darf eine Änderung meiner Nacherbenbestimmung nicht erfolgen.“

Nach dem Tod des Erblassers sowie eines seiner Kinder (Vater des Beteiligten zu 2) hat diese Ehefrau ein notarielles Testament errichtet, in dem sie das überlebende Kind (den Beteiligten zu 1) als Alleinerben, den Beteiligten zu 2 als Ersatzerben einsetzte. 2001 verfügte sie in einem weiteren eigenhändigen Testament:

Frau K. K.R bekommt meinem Schmuck und das Y Geldvermögen. Herr F. W. (= Beteiligter zu 1) bekommt meinen Hausrat den Pkw und das Y Geldvermögen“

§ 2065 Abs. 2 BGB und Umdeutung

Der Senat geht bei der vorliegenden Regelung davon aus, dass diese nach § 2065 Abs. 2 BGB unwirksam ist. Dennoch ist eine Umdeutung möglich. Dies ergibt sich daraus, dass der Erblasser einen Nacherben unter der Bedingung einsetzen kann, dass der Vorerbe nicht anderweitig über den Nachlass verfügt. Gerade hier liegt die Umdeutung schon deshalb nahe, da in dem gemeinschaftlichen Testament die Nacherbfolge unter der (auflösenden) Bedingung einer entsprechenden Verfügung der Ehefrau angeordnet wurde. Eine solche Regelung steht § 2065 Abs. 2 BGB nicht entgegen, da der Vorerbe damit ebenso die auflösende Bedingung der Nacherbeneinsetzung herbeiführe und somit selbst zum unbeschränkten Vollerben wird.

Weitere Voraussetzungen, z.B. Besonderheiten des Einzelfalles, für eine Umdeutung sind nach Auffassung des Senats nicht erforderlich.

Auflösende Bedingung der Nacherbeneinsetzung

Nach dieser Konstruktion besteht die angeordnete Nacherbfolge bis zum Eintritt des Nacherbfalls, hier also dem Tod der Ehefrau. Dies ergibt sich daraus, dass erst zu diesem Zeitpunkt klar ist, ob die Vorerbin wirksam die auflösende Bedingung herbeigeführt hat. Gleichzeitig wird zum Zeitpunkt des Nacherbfalls der Vorerbe, der eine solche wirksame Verfügung getroffen hat, für eine juristische Sekunde der Vollerbe des Erblassers.

Zudem hat der Erblasser die zum Entfallen der Nacherbfolge führende Bedingung zulässig eingeschränkt: er hat einen bestimmten Personenkreis vorgeschrieben, aus dem der Vorerbe wählen konnte. Verfügt der Vorerbe zugunsten anderer Personen, so ist diese Bedingung gerade nicht eingetreten. Daneben angeordnete Verfügungen über Einzelgegenstände sind davon allerdings nicht betroffen.

Expertentipp:

RA Franz-Georg Lauck, Fachanwalt für Erbrecht und Vorsorge in Dresden, empfiehlt daher:

1. (Gemeinschaftliche) Testamente mit Anordnung von Vor- und Nacherbschaft können mit einer Regelung versehen werden, die es dem Ehepartner ermöglichen, eine Nacherbenbestimmung zu ändern.

2. Da es sich bei Testamenten, in denen Vor- und Nacherbschaft angezeigt sind, regelmäßig um komplexe Konstellationen handelt, sollte immer ein erbrechtlicher Berater hinzugezogen werden. Dieser kann eine gewünschte „Änderungsbefugnis“ präzise und juristisch korrekt in das Testament aufnehmen.



← zurück
Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker e.V. Erbrechtsmediation Erbrechtsakademie