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04.05.2016
Wann liegt eine letztwillige Verfügung vor?

Auslegung eines Briefes mit Vollmachtserteilung

Unter dem 31.03.2016, Aktenzeichen 31 WX 413/15, erging ein Beschluss des Oberlandesgerichts München, der sich wieder einmal mit der Auslegung einer letztwilligen Verfügung, resp. dass was Betroffene dafür halten, beschäftigen musste.

Der Fall

Zugrunde lag folgender Fall:

Eine ledige Erblasserin verstarb im Jahre 2002 in hohem Alter. Das zuständige Nachlassgericht erteilte einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der drei Beteiligte als Miterben aufwies.

Jahre später legte ein weiterer Beteiligter ein Schreiben der Erblasserin vor, nämlich einen Brief der drei Jahrzehnte zuvor an ihn gerichtet wurde, mit dem Hinweis, dass er erst jetzt bei Durchsicht seiner Unterlagen diesen Brief gefunden haben.

In diesem Schreiben hieß es

Ort, Datum

(an den Beteiligten zu 4.)

Habe mich entschlossen, nach meinen Tod mein Vermögen (Barvermögen und Wertpapiere; C-Bank) dem Beteiligten zu 4 zur Verfügung zu stellen.

Sollte mir unterwartet etwas zustoßen, erhalten Sie dieses Schreiben als Vollmacht.

Ort, Datum, Unterschrift

 

Daraufhin ordnete das Nachlassgericht die Einziehung des zunächst erlassenen Erbscheines an, da das Nachlassgericht davon ausging, dass in dem Schreiben eine Erbeinsetzung enthalten sei.

Gegen diesen Beschluss wandten sich die durch den Erbschein begünstigten Beteiligten mit ihrer Beschwerde.

Beschluss des OLG München

Der Senat des OLG München gab der Beschwerde statt, da seiner Ansicht nach die Voraussetzung für eine Einziehung des Erbscheines nicht vorliege.

Der Senat teilte die Auffassung des Nachlassgerichtes, nämlich dass mit dem Brief eine letztwillige Verfügung gemäß § 2247 BGB errichtet worden sei und somit der Beteiligte zu Ziff. 4 als Erbe eingesetzt sei, nicht.

Hierzu führte der Senat im Einzelnen aus:

Selbstverständlich kann ein eigenhändig geschriebener und unterschiebener Brief den letzten Willen eines Erblassers bekunden.

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass zum einen den formalen Vorrausetzungen des § 2247 BGB genügt wird und wenn ein ernstlicher Testierwille des Erblassers ermittelt werden könne.

Insbesondere dieser ernstliche Testierwille ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden, Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen.

Die Tatsache, dass das Schreiben nicht mit "letzter Wille" oder "Testament" bezeichnet war, hielt der Senat für unschädlich, da lediglich entscheidend ist, ob aus dem Schriftstück sich der Wille des Erblassers ergibt, die Folgen seines Todes ernsthaft und umfassend zu regeln.

Da in dem Schreiben nun dargelegt war, dass der Beteiligte zu Ziff. 4 das Vermögen der Erblasserin erhalten solle und diesem für den Fall, dass ihr unerwartet etwas zustoßen werde, das Schreiben als Vollmacht dienen solle, nahm das Nachlassgericht als Anhaltspunkt für die Vermutung, dass ein Testament vorliege. Das dies ein Anhaltspunkt sein kann, bejahte der Senat zwar, folgte aber aus anderen Gründen dieser Auslegung nicht. Diese abweichende Meinung wurde insbesondere damit begründet, dass bereits vor Aufsetzen des Briefes beim Nachlassgericht ein Testament der Erblasserin hinterlegt worden war, das dann allerdings lange nach dem Verfassen und Absenden des Briefes aus der amtlichen Verwahrung zurückgegeben wurde.

Dies könne dafür sprechen –so der Senat- dass der Inhalt des Briefes lediglich mitteilenden bzw. ergänzenden Inhalt aufweisen sollte.

Überdies sprach nach Auffassung des Senates gegen den Testierwillen die verwendete Formulierung "Befugnis" und insbesondere der Begriff "Vollmacht". Beides würde darauf hinweisen, dass ein unmittelbarer Wechsel der Rechtsinhaberschaft gerade nicht stattfinden sollte. Überdies wurde darauf hingewiesen, dass die Vollmacht lediglich das Barvermögen und Wertpapiere bei einer Bank betreffen würde, während weiteres Geldvermögen sowie die selbstgenutzte Immobilie nicht erwähnt worden sei.

Überdies wurde herangezogen die Tatsache, dass die Erblasserin als selbstständige Handwerksmeisterin in geschäftlichen Dingen nicht unerfahren war, wie auch die zweimalige Übergabe eines errichteten Testamentes in die besondere amtliche Verwahrung und Rücknahme derselben nahelegte.

Insgesamt verblieben daher beim Senat gewichtige Zweifel, dass der übersandte Brief tatsächlich einen Testierwillen der Erblasserin aufwies.

Da der Beteiligte zu Ziff. 4 Rechte aus diesem Brief herleiten wollte, gingen die Zweifel zu seinen Lasten, da ihm insoweit die Beweislast oblag.

 

Expertentipp des Fachanwaltes für Erbrecht Stephan Konrad aus Bielefeld:

Sollte tatsächlich der Wunsch bestehen, durch einen Brief den letzten Willen zu erklären ,sollten in diesem eindeutige Bezeichnungen und Hinweise auf den Testierwillen vorhanden sein, die eine Auslegung soweit als möglich einschränken.

Umso klarer und deutlicher dargelegt ist, dass ein letzter Wille formuliert werden soll, desto sicherer ist es, dass ein möglicherweise vorgesehener Erbe dann auch tatsächlich in den Genuss des Nachlasses kommt.



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