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10.09.2016
Patientenverfügungen: Mehrere hunderttausend müssen überarbeitet werden

BGH: Anforderungen an eine wirksame Patientenverfügung

Patientenverfügungen: Mehrere hunderttausend müssen überarbeitet werden

BGH: Anforderungen an eine wirksame Patientenverfügung

In seiner Entscheidung vom 06.07.2016 (Az. XII ZB 61/16) hat der BGH klargestellt, dass eine Patientenverfügung nur dann eine unmittelbare Bindungswirkung entfalte, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen zu entnehmen sind.

Der Fall

Die Betroffene erlitt 2011 einen Hirnschlag. Daraufhin wurde ihr eine Magensonde gelegt. Infolge mehrerer epileptischer Anfälle im Jahr 2013 verlor sie die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation. Bereits 2003 und 2011 hatte sie zwei identische „Patientenverfügungen“ unterzeichnet. Diese stellten klar, dass wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollten. Die Patientenverfügung war kombiniert mit einer Vorsorgevollmacht zu Gunsten einer ihrer Töchter. Daneben erhielt diese Tochter bereits 2003 eine notarielle Generalvollmacht. Diese ermächtigte sie auch zur Vertretung in allen Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung, ebenso wie die Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen.

Das Urteil

1. Allgemeine Anweisungen nicht ausreichend

Nach Auffassung des BGH sind allgemeine Anweisungen, die z.B. die Aufforderung würdevolles Sterben zu ermöglichen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist, oder dass keine lebenserhaltenden Maßnahmen gewünscht sind, nicht ausreichend.

2. Konkrete Umschreibung erforderlich

Der Betroffene hat mit dem BGH umschreibend festzulegen, was er oder sie im einer bestimmten Lebens- bzw. Behandlungssituation möchte und was nicht. Diese Konkretisierung kann durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen bzw. spezifischer Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

Die Konsequenz: Überprüfung der Patientenverfügungen erforderlich

Diese Entscheidung hat zur Folge, dass ein Großteil der aktuell vorhandenen Patientenverfügungen nicht den Anforderungen des BGH genügen und somit unwirksam sind. Auch die Musterverfügungen großer Institutionen sind davon betroffen. So hatte die Betroffene in dem der Entscheidung zugrundenliegenden Fall ein Musterformular der evangelischen Kirche verwendet.

Expertentipp

RA Franz-Georg Lauck, Fachanwalt für Erbrecht in Dresden, empfiehlt daher:

  1. Jeder, der bereits eine Patientenverfügung errichtet hat, muss überprüfen, ob diese bereits den neuen Anforderungen des BGH genügt und die Verfügung gegebenenfalls überarbeiten lassen.

  2. Patientenverfügungen müssen wegen dieser Entscheidung des BGH immer auf den Einzelfall abgestimmt werden und den juristischen Voraussetzungen gerecht werden.

  3. Beides sollte unter Hinzuziehung eines spezialisierten Beraters geschehen um sicherzustellen, dass die Verfügung im Ernstfall wirksam ist. Von der Verwendung von Mustern sollte abgesehen werden.


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