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17.10.2016
Totenruhe ist unantastbar - Bei Umzug bleibt die Urne wo sie ist

Keine Urnenumbettung bei Wegzug des Grabpflegenden

Eine Urnenumbettung bei Wegzug des Totenfürsorgeberechtigten verstößt gegen die Totenruhe, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth aus Obrigheim an Hand eines neuen Urteils erklärt.

Der Leitgedanke des Verwaltungsgerichts:

Der Schutz der Totenruhe geht der Umbettung einer Urne vor, selbst wenn das Bedürfnis der Angehörigen bei einem Wegzug vom ursprünglichen Bestattungsort dagegen spricht. Der Umzug rechtfertigt die Exhumierung und Umbettung der Urne an den neuen Wohnort des Totenfürsorgeberechtigten nicht.

Der entschiedene Sachverhalt:

Die Erblasserin starb 2010. Ihre Urne wurde am Sterbeort beigesetzt. Die Ruhefrist der Urne endet im Jahr 2020. 2015 zog die Tochter der Erblasserin mit ihrem Ehemann ca. 270 km vom ursprünglichen Wohnort weg. Sie beantragte die Genehmigung der Behörde dahingehend, die Überführung der Urne der verstorbenen Mutter auf den Friedhof ihres aktuellen Wohnortes zu genehmigen, damit sie nunmehr dort das Grab pflegen konnte. Dies lehnte die Behörde ab, weil die zu schützende Totenruhe vorgehe. Der dagegen erhobenen Klage versagt das Verwaltungsgericht Ansbach den Erfolg.

Die tragenden Gründe der Entscheidung:

Die Totenruhe genießt Verfassungsrang. Nur wenn der ausdrücklich erklärte oder mutmaßliche Wille des Verstorbenen auf Überführung seiner sterblichen Überreste an einen anderen als den Bestattungsort nachweislich vorliegt, geht dieser private Wille der Totenruhe vor. Trotz Zeugenbefragung durch das Gericht war ein solcher Wille der Mutter nicht zu ermitteln. Auf Grund des dem allgemeinen Pietätsempfindens kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Verstorbene mutmaßlich mit der Umbettung seiner Urne einverstanden wäre, wenn den zur Grabpflege zuständigen Angehörigen wegen einer Ortsveränderung der Weg zur bisherigen Ruhestätte zu weit wird; dass hatte bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in einer früheren Entscheidung ausgeurteilt (VG Karlsruhe, Urteil vom 15.11.2005, Az.: 11 K 1007/05). Mit dem über den Tod hinaus geltenden Grundrecht der Menschenwürde wäre es unvereinbar, den hypothetischen Willen des Verstorbenen für den Fall der Veränderung der Lebensumstände der Angehörigen zu ermitteln und diesem hypothetischen Willen gegenüber der einmal mit Sicherheit getroffenen Grabwahl den Vorrang zu geben. Da das Verwaltungsgericht keinen vorrangig zu achtenden wichtigen Grund für die Umbettung der Urne erkennt, versagt es der Klage den Erfolg und die Urne muss bleiben, wo sie ist.

Praxishinweis für Sie:

Die Entscheidungen zu Fragen der Umbettung von Angehörigen nehmen trotz einer bereits bestehenden und klaren Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu. Das aktuelle Urteil zeigt wieder einmal, vor welche misslichen Situationen die Angehörigen hinsichtlich der Grabpflege gestellt werden, wenn sie nach dem Tod des Verstorbenen wegziehen (müssen). Ein „Nachholen“ der sterblichen Überreste an den neuen Wohnort der Angehörigen zwecks Fortführung der Grabpflege ist regelmäßig nicht möglich; nur in schwerwiegenden Ausnahmefällen kann aus besonderen Gründen dieser auch nach dem Tod fortbestehende und strafrechtlich über § 168 StGB geschützte allgemeine Wert- und Achtungsanspruch des Verstorbenen umgangen werden. Mittels einer Bestattungs-/Vorsorgevollmacht, in der diese Aspekte vom Erblasser selbst deutlich geregelt werden, kann das Problem vermieden werden, worauf Erbrechtsexperte Wolfgang Roth aus Obrigheim nachdrücklich hinweist.

Fundstelle: VG Ansbach, Urteil vom 3.8.2016, Az.: AN 4 K 16.00882



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