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14.11.2016
Der misslungene Hausverkauf

Die beschränkten Befugnisse des Testamentsvollstreckers

Das Oberlandesgericht München hat in einem Beschluss vom 15.04.2016 entschieden, dass ein Testamentsvollstrecker nicht ohne weiteres mit Wirkung für und gegen den Nacherben umfassend über den Nachlass verfügen kann.

 

Dem entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Aus der Ehe der 2008 bzw. 2014 verstorbenen Eheleute waren eine Tochter und ein Sohn, der geistig behindert ist, hervorgegangen.

 

Zum Nachlass gehörten u. a. auch mehrere Hausgrundstücke.

 

In einem notariellen Ehegattentestament hatten die Eheleute den überlebenden Ehegatten zu einer Quote von 6/7 als Vollerben und den behinderten Sohn zu einer Quote von 1/7 als nichtbefreiten Vorerben eingesetzt. Zum Nacherben für den Fall des Nachversterbens Ihres Sohnes hatten die Eheleute den zunächst überlebenden Ehegatten, sollte dieser vorverstorben sein, etwaige eigene Abkömmlinge des Sohnes bestimmt.

 

Im Weiteren hatten die Eheleute für den Todesfall des zunächst überlebenden Ehegatten ihre Tochter zu einer Quote von 2/3 als Vollerbin und ihren behinderten Sohn, sollte dieser vorverstorben sein, dessen etwaigen eigenen Abkömmlinge zu einer Quote von 1/3 wiederum als nichtbefreiten Vorerben eingesetzt.

 

Im Hinblick auf die Erbenstellung ihres Sohnes hatten die Eheleute eine Testamentsvollstreckung angeordnet und bestimmt, dass der Testamentsvollstrecker bei der Erbauseinandersetzung mitzuwirken und hiernach den so geteilten Anteil am Nachlass für den behinderten Sohn weiter zu verwalten habe. Insoweit sollte der Testamentsvollstrecker u. a. auch verpflichtet sein, die Reinerträge aus dem Nachlass an den behinderten Sohn auszukehren. Im Übrigen sollte der Testamentsvollstrecker nach freiem eigenen Ermessen entscheiden dürfen, ob und ggfs. für welche Zwecke er dem behinderten Sohn Mittel aus dem Nachlass zuwendet.

 

Die Eheleute hatten in ihrem Testament schließlich die Auseinandersetzung des Nachlasses gegen den Willen eines Nacherben ausgeschlossen.

 

Nach dem Tode beider Elternteile verkauften die Tochter und der Testamentsvollstrecker eine der in den Nachlass gefallenen vermieteten Immobilien. Im Rahmen des notariellen Vollzuges des Kaufvertrages lehnte das zuständige Grundbuchamt die unter Vorlage des Kaufvertrages von dem Notar beantragte Eigentumsumschreibung und die Löschung des Nacherben- und Testamentsvollstreckervermerkes ab und führte zur Begründung aus, dass alle von den Erblassern bestimmten Nacherben der Verfügung zustimmen müssten.

 

Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Testamentsvollstreckers hat das Oberlandesgericht München entschieden, dass bei der Testamentsvollstreckung für den Vorerben nicht ohne weiteres von einer umfassenden Verfügungsbefugnis auch für den Nacherben auszugehen sei. Vielmehr sei durch Auslegung des Testamentes zu ermitteln, in welchem Umfange der Erblasser dem Testamentsvollstrecker Befugnisse einräumen wollte.

 

Auch im Rahmen der Verfügungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers habe das Grundbuchamt Beschränkungen zu beachten, die sich daraus ergäben, dass der zur Wahrung der Rechte des nichtbefreiten Vorerben eingesetzte Testamentsvollstrecker Rechte des Nacherben nicht ausüben könne.

 

Das Oberlandesgericht München vertritt die Auffassung, dass dem Testamentsvollstrecker ohne ausdrückliche Anordnung in dem zugrundeliegenden Testament keine weitergehenderen Befugnisse als dem Vorerben selbst zustehen können.

 

Dazu hat das Oberlandesgericht München eine umfassende Prüfung und Auslegung des Ehegattentestamentes vorgenommen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es vorrangiges Ziel der Erblasser war, das Vermögen auf Dauer zu erhalten und eine Veräußerung desselben zu vermeiden.

 

Aus der Anordnung der Erblasser, dass der Testamentsvollstrecker die Erträge aus dem Nachlass, namentlich die Erträge aus den vermieteten Immobilien dem behinderten Sohn zuzuwenden habe, schließt das Oberlandesgericht auf eine entsprechende Verfügungsbeschränkung des Testamentsvollstreckers. Schließlich sei die Zuwendung der Erträge der vermieteten Hausgrundstücke an den behinderten Sohn nur möglich, wenn die ertragbringenden Immobilien auch erhalten würden, anderenfalls der Testamentsvollstrecker die Anordnung der Erblasser auf Dauer nicht würde befolgen können.

 

Im entschiedenen Falle konnte also die Eigentumsumschreibung nicht erfolgen, sodass der ganze Kaufvertrag mit allen Konsequenzen rückabzuwickeln war.

 

Das Oberlandesgericht München weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass die rechtliche Situation dann anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn die Erblasser die Testamentsvollstreckung auch auf die Nacherben und den Testamentsvollstrecker zum Nacherbenvollstrecker ernannt hätten, woran es in dem zu entscheidenden Fall aber nach dem Wortlaut des Testamentes gefehlt habe.

 

Im Ergebnis festzuhalten bleibt also, dass bei angeordneter Testamentsvollstreckung der ernannte Testamentsvollstrecker vorbehaltlich ausdrücklich anderslautender Anordnungen in dem Testament keine weiterreichenden Befugnisse ausüben kann, als dem Vorerben eigene Rechte und Ansprüche zustehen.

 

Aus der Entscheidung ergibt sich auch, dass und aus welchen Gründen die Erstreckung der Testamentsvollstreckung auf die Nacherbschaft und die Ernennung des Testamentsvollstreckers auch zum Nacherbenvollstrecker die Handlungsfähigkeit des Testamentsvollstreckers und des Nachlasses sicherstellen kann.

 

Die vorliegende Entscheidung zeigt, dass in jedem Fall eine fachkundige Beratung bei der Gestaltung von Testamenten erforderlich ist. Der Rechtsanwalt oder der Notar müssen zunächst einmal den tatsächlichen Willen der Beteiligten erfragen und diesen im Rahmen der Ausgestaltung des Testamentes dann berücksichtigen.



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