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30.01.2017
Wann hat ein Arzt ein Aussageverweigerungsrecht vor Gericht?

Der mutmaßliche Wille einer verstorbenen Person ist zumeist entscheidend

In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 23. Oktober 2015, 12 W 538/15) ging es nach dem Tod einer Mutter von zwei Kindern um einen Pflichtteilsanspruch des Sohnes gegen seine Schwester. Die Mutter hatte die Schwester zur Alleinerbin eingesetzt und damit den anderen enterbt, woraus dessen Pflichtteilsanspruch resultierte.

Pflegeleistungen können sich auch auf den Pflichtteil auswirken

Für die Höhe des Pflichtteilsanspruchs war es von Relevanz, ob der zum Erben eingesetzte Sohn seine Mutter über einen längeren Zeitraum gepflegt hatte. Der Wert einer solchen Pflegeleistung würde der sog. Ausgleichung unterliegen, die sich auch im Rahmen der Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen zu Gunsten des pflegenden Erben ausgewirkt hätte (§ 2316 BGB).

Für die durch das OLG Koblenz zu treffende Entscheidung war es daher mit entscheident, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die verstorbene Mutter überhaupt pflegebedürftig war. Der pflichtteilsberechtigte Bruder hatte dies in Abrede gestellt.

Arzt hat wegen Schweigepflicht seine Aussage verweigert

Daher sollte der Hausarzt der Erblasserin zu dieser Frage gehört werden. Er verweigerte dazu seine Aussage unter Berufung auf seine ärztliche Schweigepflicht. Nicht zuletzt hat er dies damit begründet, dass er nicht sagen könne, ob und inwieweit es im Interesse der Erblasserin gewesen wäre, gegenüber einem Gericht im Rahmen des Verfahrens Angaben zu ihrer Pflegebedürftigkeit zu machen.

Der mutmaßliche Wille eines Patienten ist maßgeblich

Das Oberlandesgericht Koblenz wies ihn an, zur Frage der Pflegebedürftigkeit Angaben zu machen. Berücksichtige man die Umstände des Falles, würde dies dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin entsprechen. Es könne angenommen werden, dass die Erblasserin ein Interesse daran gehabt hätte, dass es nach ihrem Tod zu einer gerechten Regelung betreffend ihren Nachlass kommt. Dazu gehöre auch die Ermittlung der Tatsachen, die für eine entsprechende Entscheidung durch das Gericht erforderlich seien. Es seien keine dieser Ermittlung des mutmaßlichen Willens der Erblasserin entgegenstehende Umstände erkennbar. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass Einzelheiten zu ihrem Zustand peinlich gewesen wären.

Praxistipp des Fachanwalts für Erbrecht Joachim Mohr

Will ein Patient vermeiden, dass eine eventuell notwendige Aussage eines Arztes nach seinem Tod von einer Entscheidung eines Gerichtes über den eigenen mutmaßlichen Willen abhängt, sollte er zu Lebzeiten gegenüber dem Arzt erklären, ob dessen Schweigepflicht auch nach dem Ableben des Patienten für den Fall eines Rechtsstreits gelten soll oder nicht.



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