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14.08.2017
Testamentsvollstrecker vs. Ergänzungspfleger

Kann der Testamentsvollstrecker gleichzeitig Ergänzungspfleger für einen noch minderjährigen Erben sein?

In einem beim Oberlandesgericht Hamm geführten Beschwerdeverfahren hatte das Gericht über die Frage zu entscheiden, ob der in einem notariellen Testament eingesetzte Testamentsvollstrecker über den Erbteil eines noch minderjährigen Kindes gleichzeitig auch die Ergänzungspflegschaft für diesen noch minderjährigen Erben übernehmen kann.

 

Aus der geschiedenen Ehe der Erblasserin waren zwei Kinder hervorgegangen. Eines der Kinder, die Tochter der Erblasserin, war zum Zeitpunkt des späteren Erbfalls noch minderjährig.

 

Die Erblasserin hatte ein notarielles Testament errichtet und ihre Kinder zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt.

 

Beide Kinder waren zunächst nur als Vorerben eingesetzt worden, weil der geschiedene Ehemann und Vater der Kinder nach dem Willen der Erblasserin im Falle des Nachversterbens einer oder beider gemeinsamer Kinder im Rahmen seiner gesetzlichen Erbfolge nicht von der Erbschaft profitieren sollte.

 

Die Erblasserin ordnete in ihrem Testament außerdem Testamentsvollstreckung an und setzte ihren Bruder, den Onkel der Kinder, zum Testamentsvollstrecker ein.

 

Sie ordnete ferner für den Fall, dass eines oder beide Kinder zum Zeitpunkt des Erbfalls noch minderjährig sein sollten, an, dass ihr Bruder, der Onkel der Kinder, auch als Ergänzungspfleger fungieren soll.

 

Der Ergänzungspfleger hat die Aufgabe, die Interessen des minderjährigen Kindes unter Ausschluss des eigentlichen Inhabers der elterlichen Vermögenssorge zu vertreten und kann im Rahmen der ihm obliegenden Vermögenssorge über den Anteil an der Erbschaft die Rechte des Kindes anstelle des Kindesvaters wahrnehmen und insoweit auch den Testamentsvollstrecker kontrollieren.

 

Nach dem Tode der Erblasserin im Mai 2016 wurde das notarielle Testament eröffnet, woraufhin das Familiengericht nicht den Bruder der Erblasserin, sondern, insoweit abweichend von den Anordnungen der Erblasserin, das Jugendamt zum Ergänzungspfleger der zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen Tochter bestellt hat.

 

Das Familiengericht sah unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts eine generelle Interessenkollision in Person des Bruders der Erblasserin bei der gleichzeitigen Ausübung des Amtes des Testamentsvollstreckers und der Übernahme der Ergänzungspflegschaft ausdrücklich nicht.

 

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Bruders der Erblasserin wies das Oberlandesgericht Hamm zurück.

 

In der Entscheidung hob das Oberlandesgericht Hamm allerdings, insoweit abweichend von der Rechtsprechung vieler Familiengerichte und anderer Oberlandesgerichte, hervor, dass keine grundsätzlichen Bedenken dagegen bestünden, wenn ein Testamentsvollstrecker zugleich auch die Rolle als Ergänzungspfleger für minderjährige Erben übernähme.

 

Dies gelte insbesondere dann, wenn „aufgrund der bisherigen Erfahrungen und des engen persönlichen Verhältnisses der Beteiligten kein Anlass zu der Annahme besteht, der Vertreter werde unbeschadet seiner eigenen Interessen die Belange des Erben/Vertretenen nicht im gebotenen Maße wahren und fördern“.

 

Vorliegend hatte das Oberlandesgericht Hamm keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Annahme in der Person des Bruders der Erblasserin gesehen.

 

Gleichwohl hat das Oberlandesgericht Hamm die Beschwerde des Bruders der Erblasserin zurückgewiesen, weil nämlich die minderjährige Tochter und Miterbin ihrerseits der Bestellung des Testamentsvollstreckers zum Ergänzungspfleger widersprochen hatte. In einem solchen Falle müsse das Gericht dem Widerspruch zwar nicht folgen, stattdessen aber eine eigene Entscheidung nach freiem Ermessen treffen, wie es das Familiengericht vorliegend zugunsten des Jugendamtes auch getan hat. Die Ermessensentscheidung sei nach Auffassung des Oberlandesgerichtes Hamm auch nicht zu beanstanden.

 

Auch dieser Fall zeigt, dass und wie wichtig es ist, sich bei der zweckmäßigen Gestaltung von Testamenten durch einen Fachanwalt für Erbrecht beraten zu lassen, um spätere Streitigkeiten der Beteiligten untereinander zu vermeiden und eine reibungslose Abwicklung des Nachlasses nach den Wünschen und Vorstellungen des Erblassers sicherzustellen.



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