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23.12.2018
Auskunftsanspruch beim Pflichtteil

Stufenklage auf privates Nachlassverzeichnis hemmt auch Verjährung des Anspruchs auf notarielles Verzeichnis

Mit Urteil vom 31.10.18 (IV ZR 313/17) hat der Erbrechtssenat beim Bundesgerichtshof die bislang in der Rechtsprechung noch nicht behandelte Rechtsfrage geklärt, ob die Erhebung einer (Stufen-) Klage, mit der zunächst nur der Anspruch auf Erteilung eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses verfolgt wurde, auch die Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines notariellen Nachlassverzeichnisses hemmt.

 

Sachverhalt (stark gekürzt):

Die Enkelin der Erblasserin (ihr Vater war bereits 2002 vorverstorben) verlangt von Onkel und Tante, die testamentarisch zu Erben berufen waren, den Pflichtteil nach ihrer am 19.12.11 verstorbenen Großmutter.

Erst am 29.12.14 reichte sie den Prozesskostenhilfeantrag für eine Stufenklage ein, mit der sie auf der Auskunftsstufe die Erteilung eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses verlangte.

Nach der mündlichen Verhandlung über die Auskunftsstufe am 19.04.16 stellte die Klägerin mit Schreiben vom 01.07.16 ihren Antrag um und forderte nun die Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses.

Hiergegen erhoben die Beklagten die Einreden der Verjährung sowie der Dürftigkeit des Nachlasses.

[Bereits außergerichtlich hatte der Onkel zum Wert des realen Nachlasses erklärt, Kontoguthaben in Höhe von insgesamt 651,03 Euro stünden Verbindlichkeiten aus der Bestattung der Erblasserin in Höhe von 8.429,32 Euro entgegen. 2003 hatte die Erblasserin den Beklagten ihre drei Eigentumswohnungen im Werte von rd. 250 T€ schenkweise übertragen.]

Das Landgericht Düsseldorf verurteilte die Beklagten antragsgemäß. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das OLG Düsseldorf (Urt. v. 01.12.17, I-7 U 10/17) zurück, allerdings mit der Maßgabe, dass den Beklagten hinsichtlich der Verpflichtung zur Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass vorbehalten bleibt.
Die vom OLG zugelassene Revision wies der BGH zurück.

 

Rechtlicher Hintergrund:

Pflichtteilsansprüche und die zu ihrer Durchsetzung gewährten Hilfsansprüche auf Auskunft und Wertermittlung (§ 2314 Abs. 1 BGB) verjähren – von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen einen Beschenkten abgesehen – innerhalb der kurzen Regelverjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB).

Die Verjährung wird u.a. gehemmt durch aktive Rechtsverfolgung, so etwa die Erhebung einer Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder die Veranlassung der Bekanntgabe eines Prozesskostenhilfeantrags für eine beabsichtigte Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB).

Eine Klage hemmt nach der Rechtsprechung des BGH die Verjährung jedoch nur für Ansprüche in Gestalt und Umfang, wie sie mit der Klage rechtshängig gemacht wurden, es sei denn, die geltend gemachten Ansprüche

  • sind materiell-rechtlich wesensgleich,
  • dienen dem gleichen Endziel und
  • der zur Begründung des später erhobenen Anspruchs vorgetragene Lebenssachverhalt wäre in seinem Kern bereits Gegenstand einer früheren Klage gewesen.
 

Leitsatz und wesentliche Entscheidungsgründe - BGH, IV ZR 313/17:

Der im Rahmen einer Stufenklage von dem Pflichtteilsberechtigten geltend gemachte Anspruch auf Auskunft durch Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses hemmt grundsätzlich auch die Verjährung des Anspruchs auf Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses.

Der BGH sieht die Voraussetzungen der Erstreckung der Verjährungshemmung bei den Auskunftsansprüchen aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 (privatschriftliches Nachlassverzeichnis) und Satz 3 BGB (notarielles Nachlassverzeichnis) erfüllt.

Die Ansprüche würden dem gleichen, vom Klagevortrag umfassten Lebenssachverhalt entspringen und dienten dem gleichen Endziel. Auch seien die Auskunftsansprüche aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB materiell-rechtlich wesensgleich.

„Schuldner des Verzeichnisses ist jeweils der Erbe. Das Verzeichnis soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, durch eine Auskunft über den Bestand des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalles und die ergänzungspflichtigen Schenkungen seinen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen. Der Anspruch auf Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses" entspringe im Streitfall auch demselben mit der Klage bereits vorgetragenen Lebenssachverhalt und dient demselben Ziel, nämlich der Klägerin die Bezifferung ihres Pflichtteilsanspruchs zu ermöglichen." (Rz. 22)

 

Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

Es erstaunt zunächst, dass die Klägerin nicht schon viel früher die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangt hat. Jedenfalls verwundert, dass sie nicht von vornherein hierauf Klage erheben ließ, da sich bereits außergerichtlich abgezeichnet hatte, dass die Beklagten nicht bereit waren, den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen. 

Es kann nur jedem Pflichtteilsberechtigten angeraten werden, spätestens dann, wenn er den Eindruck gewinnt, dass der Erbe Vermögenswerte verschweigt oder die Auskunft verschleppt, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu verlangen.
Denn der Notar muss den Nachlassbestand selbst ermitteln und zum Ausdruck bringen, dass er für den Inhalt des Verzeichnisses die Verantwortung übernimmt. Daher bietet das notarielle Nachlassverzeichnis regelmäßig die größere Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses.

Auch zeigt die Erfahrung, dass im Angesicht des Notars sich oft „Erinnerungslücken“ schließen und bislang nicht benannte Vermögensgegenstände erschließen.

Wie geht es weiter? 

Der Fall bot sich an, um Rechtsfortbildung zu betreiben. Doch heißt es am Ende: Außer Spesen nichts gewesen…?
Ich meine: Ja.

Können die Beklagten als Erben  die Pflichtteilsergänzung hinsichtlich der Schenkungen (gegen Nießbrauch) aus dem Jahre 2003 verweigern, weil der Nachlass dürftig ist, dann haften die Beklagten subsidiär als Beschenkte  (§ 2329 BGB).

Zwar sind hier die Erben und die Beschenkten personenidentisch, aber für die Beschenktenhaftung gilt nach § 2332 BGB eine Sonderverjährung: Der Anspruch verjährt kenntnisunabhängig innerhalb von drei Jahren ab dem Erbfall.

Im entschiedenen Fall war die Erblasserin am 19.12.11 verstorben. Der Anspruch der Klägerin auf Pflichtteilsergänzung gegen die Beschenkten verjährte folglich am 19.12.14.
Da die Klage (bzw. der PKH-Antrag hierzu) zum LG Düsseldorf erst am 29.12.14 erhoben wurde, konnte sie die bereits abgelaufene Verjährung nicht mehr hemmen.
Wäre die Klage nur 10 Tage früher erhoben worden, hätte die wesensmäßige Gleichheit der Ansprüche bewirkt, dass die auf § 2325 BGB gestützte Zahlungsklage gegen den Erben auch die Verjährung des Anspruchs nach § 2329 BGB gegen denselben Verpflichteten gehemmt hätte (BGHZ 107, 200 = NJW 89, 2887; BGH NJW 1974, 1327, Ls.).

Ob die Klägerin letztlich leer ausgehen wird, dürfte sich wohl erst im Anwaltsregress klären…



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