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28.01.2019
Kein Schadenersatz für verlorene Zahnprothese

Miterben ohne Anspruch gegen Klinik

Worüber man im Erbrecht Gerichtsprozesse führen kann, ist erstaunlich: Miterben klagten vor dem Landgericht gegen eine Klinik auf Schadenersatz, weil die Zahnprothese des Erblassers vor dessen Tod dort verschwunden war. Unser Mitglied aus Baden-Württemberg, Erbrechtsexperte Wolfgang Roth aus Obrigheim, erklärt die dem Fall zu Grunde liegende erbrechtliche und schadenersatzrechtliche Komponente.

Der Leitgedanke des Urteils

Geht bei einem stationären Aufenthalt des späteren Erblassers dessen Zahnprothese verloren, können dessen Miterben vom Träger der Klinik keinen Schadenersatz für die Zahnprothese fordern, wenn eine Neuanfertigung unterblieben ist.

Der zu entscheidende Sachverhalt

Der Verstorbene war zweimal stationär in einer Klinik aufgenommen worden. Er litt unter schweren kognitiven Beeinträchtigungen, weshalb eine sprachliche Verständigung mit ihm kaum möglich war. Außerdem litt er an einer Schluckstörung und konnte nur über eine Magensonde ernährt werden. Dennoch trug er eine Zahnprothese, die zuvor für ca. 9.000 Euro hergestellt worden war. Während seines zweiten Klinikaufenthalts musste er in ein anderes Zimmer verlegt werden. Vor der Verlegung war die Prothese nachweislich noch vorhanden, danach jedoch nicht mehr aufzufinden. Die Befragung der Krankenpfleger und Krankenschwestern durch die Klinik über den Verbleib des künstlichen Gebisses verlief erfolglos.

Nach dem Tod des Erblassers klagte eine Miterbin auf Schadenersatz wegen der verschwundene Prothese gegen den Träger der Klinik. Sie verlangte lediglich ca. 6.000 Euro, da die Prothese nicht mehr neuwertig war, als sie verschwand. Eine Neuanfertigung des künstlichen Gebisses unterblieb selbstverständlich, da dies nutzlos für die Miterben gewesen wäre. Das Landgericht weist den Schadenersatzanspruch ab.

Die tragenden Urteilsgründe

Der Anspruch besteht bereits dem Grunde nach nicht. Eine schuldhafte Verletzung einer Obhutspflicht oder ein Organisationsmangel bei der beklagten Klinik ist nicht erkennbar, wie das Landgericht darstellt. Zwar verpflichtet ein Krankenhausaufnahme- bzw. Behandlungsvertrag dazu, Wertgegenstände des Patienten im zumutbaren Umfang durch geeignete Verwahrungs- und Sicherungspflichten sicher zu verwahren. Das folgt aus einer vertraglichen Nebenpflicht, um die Rechtsgüter des Patienten zu schützen. Darunter fallen auch persönliche Gegenstände eines Patienten.

Der Verlust einer Zahnprothese ist jedoch nicht vorrangig auf "materieller Ebene" zu betrachten, also nicht rein wirtschaftlich zu sehen. Ein künstliches Gebiss dient primär der (Wieder-)herstellung von nur körperlichen Fähigkeiten, insbesondere der Nahrungsaufnahme und um die Sprechfähigkeit zu verbessern. Somit dient die Zahnprothese letztendlich dazu, die fortdauernde Beeinträchtigung des Persönlichkeitsbereichs des Patienten zu kompensieren.

Dieser Bereich ist allerdings dem so genannten Nichtvermögensschaden im Rahmen des allgemeinen Schadenersatzrechtes (§§ 249 ff. BGB) zuzuordnen. Eine Beeinträchtigung im persönlichen Bereich ist in Geld - also rein wirtschaftlich - gar nicht messbar. Auch wenn dem Verstorbenen noch selbst möglicher Weise ein Ersatzanspruch gegen die Klinik zugestanden hätte, wäre das nur dann zu berücksichtigen, wenn eine tatsächliche Neuanfertigung der Prothese erfolgt wäre; diese entstandenen Kosten wären unter Umständen ersatzfähig gewesen. Eine solche Neuanfertigung der Prothese erfolgte jedoch nicht. Die rein fiktive Geltendmachung eines solchen Schadens durch die Miterbin ist deshalb bereits dem Grunde nach ausgeschlossen, weshalb die Klage abgewiesen wird.

Praxishinweise für Sie

Das Landgericht grenzt im Rahmen des allgemeinen Schadenersatzrechts Nichtvermögensschäden von Vermögensschäden ab. Nur Vermögensschäden sind in der Regel ersatzfähig, worauf Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth hinweist. Das ist wichtig für Erben zu wissen, die einen Schadenersatzanspruch geltend machen wollen. Eine Prothese wird dem Nichtvermögensschadensbereich zugeordnet, da diese dem rein persönlichen Bereich des Verstorbenen zuzuschreiben ist; dieser Lebensbereich ist wirtschaftlich nicht messbar und als ersatzfähiger Schaden somit von vorne herein ausgeschlossen.

Dass nur ein Miterbe alleine eine Klage erhebt, ist möglich und laut § 2039 BGB zulässig: hier gilt der Grundsatz, dass "einer statt allen" Miterben klagen darf: Allerdings muss dann die Klage darauf abzielen, dass die eingeklagte Leistung "an die Erbengemeinschaft" gerichtet ist. Damit der klagende Miterbe nicht alleine die Prozesskosten tragen muss, sollte er zuvor eine Regelung mit den anderen Miterben getroffen haben, dass diese sich an den Kosten des Verfahrens beteiligen.

Fundstelle: LG Osnabrück, Urteil vom 10.12.2018 – 7 O 1610/18 



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