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21.04.2019
Pflichtteilsentziehung - Schweres vorsätzliches Vergehen

Diebstahl von DM 6.100 kann Pflichtteilsentziehung rechtfertigen.

Das OLG Stuttgart hatte sich in seinem Beschluss vom 24.01.2019 (19 U 80/18 = BeckRS 2019, 3353) mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Erblasserin durch Testament einem pflichtteilsberechtigten Enkel den Pflichtteil entziehen kann, weil dieser einen Betrag von DM 6.100,- gestohlen hatte. Der Enkel wurde wegen seiner Straftat zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Der Diebstahl des Bargelds fand im häuslichen Bereich der Erblasserin statt. Die Vermögensverhältnisse der Erblasserin waren äußerst bescheiden gewesen. Viele Jahre nach Begehung der Straftat ist der Pflichtteilsberechtigte in das Haus der Erblasserin eingezogen und hat dort bis zum Erbfall gewohnt.

Exkurs: Wann kann der Erblasser eine Pflichtteilsentziehung anordnen?

Der Erblasser kann unter sehr engen Voraussetzungen durch letztwillige Verfügung eine Pflichtteilsentziehung anordnen (zum Beispiel bei einem Verbrechen oder einem schweren vorsätzlichen Vergehen gegen den Erblasser oder dessen Ehegatten). § 2333 BGB regelt abschließende, folgende Gründe für eine Pflichtteilsentziehung:

  • Der Pflichtteilsberechtigte trachtet dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben.
  • Der Pflichtteilsberechtigte macht sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser, den Ehegatten des Erblassers, einen anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person schuldig.
  • Der Pflichtteilsberechtigte verletzt böswillig eine dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht.
  • Der Pflichtteilsberechtigte wird wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt und die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass ist deshalb für den Erblasser unzumutbar. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.

Andere als die zuvor genannten Gründe kommen für eine Pflichtteilsentziehung nicht in Betracht. Ausgeschlossen ist eine Pflichtteilsentziehung, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten verziehen hat (§ 2337 BGB).

Folge einer wirksamen Pflichtteilsentziehung: Verlust aller Pflichtteilsrechte

Ist einem Pflichtteilsberechtigten wirksam der Pflichtteil entzogen worden, stehen diesem weder Zahlungsansprüche noch die zuvor dargestellten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche zu.

Das OLG Stuttgart hat in seinem Beschluss vom 24.01.2019 entschieden, dass der Diebstahl ein schweres vorsätzliches Vergehen nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB darstellt. Nach Meinung des Oberlandesgerichts sei es für die Erblasserin unzumutbar, Enkel als verurteilte Straftäter am Nachlass teilhaben zu lassen. Die Schwere der Straftat zum Nachteil der Verstorbenen und die daraus resultierende erhebliche Geldstrafe rechtfertigen eine Pflichtteilsentziehung auch deshalb, weil der Diebstahl im häuslichen Bereich der Erblasserin erfolgte. Der Verlust einer Bargeldsumme von DM 6.100,- stellt für die in bescheidenen Verhältnissen lebende Erblasserin einen erheblichen Verlust dar. Der spätere Einzug des Enkels in die Immobilie der Erblasserin stellt keine Verzeihung der Straftat dar, da hiermit kein Wiederaufleben der familiären Beziehung zwischen dem Enkel und der Erblasserin verbunden war.

Angabe der Gründe im Testament

Die benannten Gründe für eine Pflichtteilsentziehung müssen zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung des Erblassers bereits bestehen und vom Erblasser in der Verfügung angegeben werden. Erbrechtsexperte Klinger empfiehlt folgendes Muster für eine Pflichtteilsentziehung:

Muster „Pflichtteilsentziehung“

Ich,…… enterbe meinen Sohn…… und entziehe ihm auch den Pflichtteil. Er ist seit mindestens acht Jahren schwer drogenabhängig und finanziert seinen Drogenkonsum durch Eigentums- und Vermögensdelikte. Deswegen wurde er durch Urteil des… …-gerichts vom…… zu einer Haftstrafe von…… Jahren und durch Urteil vom…… zu einer Haftstrafe von…… Jahren rechtskräftig verurteilt. Die beiden Entziehungskuren im Jahr…… und im Jahr…… hat mein Sohn schon nach wenigen Tagen grundlos abgebrochen. Dieses Verhalten meines Sohnes hat in unserer Gemeinde dazu geführt, dass sowohl ich als auch meine Ehefrau ausgegrenzt und mehrfach beleidigt wurde. Es ist daher für mich nicht zumutbar, dass mein Sohn an meinem zukünftigen Nachlass beteiligt wird.



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