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13.04.2019
Vorsicht bei der Ausschlagung einer Erbschaft

(voreilige) Anfechtung der Ausschlagung "aus jedem Berufungsgrund" problematisch

Erfolglose Anfechtung einer Ausschlagungserklärung

Das OLG Düsseldorf hatte in seiner Entscheidung vom 19.12.2018 Aktenzeichen 3 Wx 140/18 über folgenden Fall zu entscheiden:

Eine Witwe war ohne Hinterlassen eines Testamentes verstorben. Sie wurde tot in ihrer extrem verunreinigten Wohnung gefunden. Eine als gesetzliche Erbin infrage kommende Schwester der Verstorbenen erklärte wenige Tage nach der Kenntnis von dem Tod der Erblasserin und ohne jegliche Kenntnis vom  Zustand der Wohnung beim zuständigen Amtsgericht die Ausschlagung der Erbschaft “aus jedem Berufungsgrund“. Zum damaligen Zeitpunkt war noch nicht klar, ob unter Umständen ein Testament vorliegen würde. Die überlebende Schwester erklärte weiter, dass ihr der Nachlass nicht bekannt sei und sie auch nicht wisse, ob ein Testament vorliege. Sie komme aber als gesetzliche Erbin in Betracht.

Später stellte sich heraus, dass der Nachlass nicht überschuldet war, sondern dass nach Abzug der Bestattungskosten und der übrigen Nachlassverbindlichkeiten ein Betrag über 6.000 € im Nachlass verblieben war. Als die überlebende Schwester das erfuhr, focht sie ihre Ausschlagung an mit der Begründung, dass sie sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses geirrt habe.

Anfechtung wegen Irrtum über Zusammensetzung des Nachlasses grundsätzlich möglich

Grundsätzlich ist eine Anfechtung einer Ausschlagung möglich. Das setzt aber voraus, dass man sich falsche Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses gemacht hat, als man ausschlug. Dies ist ein sogenannter Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften gemäß § 119 Abs. 2 BGB. Das setzt aber voraus, dass man sich auch überhaupt (falsche) Vorstellungen hinsichtlich des Bestandes des Nachlasses an Aktiva und Passiva gemacht hat.

Im zu entscheidenden Fall war es aber so, dass die überlebende Schwester keinerlei Informationen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte und sich dieser Unkenntnis auch bewusst war. Sie hatte im Grunde keine konkrete Information über den Umfang des Nachlasses und den Zustand der Wohnung der Erblasserin zum Todeszeitpunkt. Sie hat das lediglich aus den früheren Besuchen und Aufenthalten geschlossen. Ein Schlüssel zur Wohnung hatte sie nicht.

Das Gericht hat die Anfechtung als nicht wirksam angesehen. Dies begründet das Gericht damit, dass sie bei der Ausschlagung überhaupt keine Vorstellungen über vorhandene Guthaben und entstehende Kosten hatte. Der Rückschluss auf die Überschuldung sei rein spekulativ gewesen und ohne jede Kenntnis über die Zusammensetzung des Nachlasses. Daher läge kein Irrtum über die tatsächliche Zusammensetzung des Nachlasses vor, sodass die Anfechtung unwirksam war.

Expertentipp von Fachanwalt für Erbrecht Hans Oskar Jülicher:

Es passiert nicht selten, dass Personen, die als Erbe infrage kommen, mehr oder weniger übereilt die Ausschlagung erklären in der Befürchtung, später für Schulden des Erblassers haften zu müssen. Wenn man aber davon ausgeht, dass der Nachlass überschuldet ist und sich hierzu auch Gedanken gemacht hat und sich nachher herausstellt, dass beispielsweise doch irgendwelche Guthaben als Aktiva im Nachlass sind, kann man durchaus erfolgreich die Ausschlagung anfechten.

Alternative: Haftungsbeschränkung auf den Nachlass

Unabhängig davon ist von einer vorschnellen Ausschlagung abzuraten, es sei denn, dass man gesicherte Kenntnis von der Überschuldung des Nachlasses hat. Grundsätzlich bleibt nämlich neben der Anfechtung der Annahme der Erbschaft immer noch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass.



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