nach oben
04.05.2019
Pflichtteil bei Ehegattentestament

Pflichtteil trotz Angriff der Erbenstellung?

Das Oberlandesgericht München hatte in seiner Entscheidung vom 06.12.2018 (Az. 31 Wx 374/17) die Frage zu klären, ob eine Pflichtteilsstrafklausel bereits dann greift, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Erbenstellung angreift.

Exkurs: Sinn und Zweck von Pflichtteilsstrafklauseln

Bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament setzen sich die Ehegatten häufig gegenseitig zu Erben für den ersten Todesfall ein und bestimmen, dass nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten die Kinder die Schlusserben sind (sog. Berliner Testament). Durch die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten im ersten Todesfall werden die Kinder enterbt, denn auch sie hätten nach der gesetzlichen Erfolge nach dem Tod eines Elternteils einen Erbanspruch. Ihnen steht daher der Pflichtteilsanspruch nach den Tod des erstversterbenden Elternteils zu.

Um einen Vermögensabfluss durch die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche der Kinder zu vermeiden, wird in der Praxis versucht, durch Pflichtteils- und Pflichtteilsstrafklauseln der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen vorzubeugen. Ferner sollen die Pflichtteilsstrafklauseln davor schützen, dass diejenigen Abkömmlinge, die ein Pflichtteil am Nachlass des Erstversterbenden Ehegatten nicht geltend gemacht haben, nicht dadurch benachteiligt werden, dass derjenige, der schon einen Pflichtteilsanspruch erhalten hat, noch einmal als Schlusserbe am Nachlass beteiligt wird und somit eine wirtschaftliche Besserstellung erhält.

Bei den in der Praxis häufigsten Pflichtteils- und Pflichtteilsstrafklauseln handelt es sich um die  

  • Anrechnungsklausel, bei der der Schlusserbe sich sein geltend gemachten Pflichtteilsanspruch auf seine Erbquote im Schlusserbfall anrechnen lassen muss,
  • Jastrow´sche Klausel, bei der diejenigen Abkömmlinge, die im ersten Erbfall keine Pflichtteile erlangt haben, zunächst belohnende und den Nachlass des überlebenden Ehepartners reduzierende Vermächtnisse erhalten, und
  • Ausschlussklausel, bei der der Abkömmling für den zweiten Erbfalls enterbt ist, wenn er seinen Pflichtteil geltend macht.

Greift die Pflichtteilsstrafklausel, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Erbenstellung angreift?

In dem vom OLG München zu entscheidenden Fall hatten die Ehegatten ein Ehegattentestament mit einer Pflichtteilsstrafklausel in Form der Ausschlussklausel erreichtet. Diese lautete wie folgt:

Wir (…) setzen uns gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein. Schlusserben bei Tod des Überlebenden von uns und Erben von uns beiden im Falle gleichzeitigen Versterbens sind unsere Kinder (…) und (…) zu gleichen Teilen…..Verlangt einer unserer Abkömmlinge auf den Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil, so sind er und seine Nachkommen von der Erbfolge auf Ableben des Längerlebenden (Längstlebenden) ausgeschlossen.“

Nach dem Tod des Vaters griff die Tochter dieses Testament unter Bezug auf angebliche Auffälligkeiten des Testaments an und verlangte, dass der der Mutter erteilte Erbschein, der diese als Alleinerbin auswies, eingezogen wird. Ihr Ziel war, bereits nach dem Tod des Vaters als Miterbin etwas vom Nachlass zu erhalten. Mit ihrem Antrag konnte sich die Tochter jedoch nicht durchsetzen, sodass es beim Alleinerbschein zugunsten der Mutter aufgrund gemeinschaftlichen Testaments verblieb.

Nach dem Tod der Mutter beantragte die Tochter aufgrund des Testaments einen gemeinschaftlichen Erbschein, der sie und ihren Bruder zu Miterben zu je ½ auswies. Dem trat der Sohn jedoch entgegen. Er war der Ansicht, dass aufgrund des Verhaltens der Tochter nach dem Tod des Vaters und deren Bekämpfung der Alleinerbenstellung der Mutter die Pflichtteilsstrafklausel greife.

Dies sah jedoch das Oberlandesgericht München anders und vertrat die Ansicht, dass mit dem Antrag auf Einziehung des Erbscheins der Mutter noch kein aktiver Eingriff der Tochter auf das Nachlassvermögen der Mutter verbunden sei. Auch wenn durch eine Pflichtteilklausel sichergestellt werden soll, dass dem überlebenden Ehegatten bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt, werde mit der Klausel nicht jedes Verhalten eines Schlusserbens gegen die in der letztwilligen Verfügung getroffenen Anordnungen sanktioniert, sondern nur solches, dem ein aktives Verlangen nach Erhalt eines Anteils an dem Nachlassvermögen des Erstversterbenen innewohnt.



← zurück
Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker e.V. Erbrechtsmediation Erbrechtsakademie