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08.09.2019
Erbschaftsteuerfreiheit für das selbstgenutzte Familienwohnheim

Bundesfinanzhof gibt Erben wenig Zeit zum Einzug ins Familienheim der Eltern

Horst Seehofer sorgte bei der Reform des Erbschaftsteuergesetzes 2008 dafür, dass auch Immobilienbesitzer in exklusiven Lagen (z.B. in München am Starnberger See) ihr selbstgenutztes Familienheim stets steuerfrei an den Ehepartner vererben können, wenn es beim Erwerber „unverzüglich zu eigenen Wohnnutzung bestimmt ist“ (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG). In den Genuss der Freistellung kommen seitdem aber nicht nur Ehepartner, sondern auch Kinder (zumindest bis zu einer Wohnfläche von 200 qm, § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG), und bei diesen ist die unverzügliche Bestimmung zur eigenen Wohnnutzung häufig ein Problem. Denn sie wohnen regelmäßig beim Erbfall ja noch nicht in der Wohnung des Erblassers, und wer weiß schon, wann der Erbfall eintritt und kann oder will dafür planen? Und wer will dann in das unveränderte und unrenovierte Elternhaus einziehen? Aber wie lange ist der Einzug dann noch „unverzüglich“?

6 Monate hat der Erbe immer Zeit um einzuziehen

Juristen übersestzen unverzüglich mit "ohne schuldhaftes Zögern". Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte schon 2015 entschieden: Bis zu 6 Monate nach dem Erbfall hat der Erwerber immer Zeit, um sich zum Umzug zu entschließen, die notwendigen Renovierungsarbeiten vorzunehmen und dann auch tatsächlich einzuziehen, ohne dass ihm ein schuldhaftes Zögern anzulasten sei. Erfolgt der Einzug dagegen erst später, bekommt er die Steuerbefreiung nur, wenn er dem Finanzamt nachweist, dass ihm ein früherer Einzug nicht möglich war, etwa, da es Streit unter den Erben gab oder sich die Renovierung verzögert hat, ohne dass dies dem Erwerber zuzurechnen wäre (Urteil vom 23.06.2015, Az. II R 39/13).

Nur unverschuldete Verspätung beim Einzug unschädlich

Dass bei der Frage, was dem Erwerber anzulasten ist, strenge Maßstäbe gelten, hat der BFH nun in seinem Urteil vom 28.05.2019 (Az. II R 37/16) bestätigt. Der Kläger war mit seinem Bruder im Januar 2014 Miterbe seines Vaters geworden, der das zum Nachlass gehörende Familienheim im Testament vermächtnisweise allein dem Kläger zugesprochen hatte. Die Erfüllung des Vermächtnisses – hierzu ist ein notarieller Übertragungsvertrag nötig – hatte sich verzögert, da sein Bruder unter gerichtlicher Betreuung stand, so dass der Kläger erst im September 2015 im Grundbuch eingetragen werden konnte. In der Zwischenzeit setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer in Höhe von gut 70.000 € fest, da der Kläger nicht binnen 6 Monaten in das Familienwohnheim des Vaters eingezogen sei. Der Kläger wehrte sich gegen den Bescheid und machte geltend, er habe sich schon 2014 entschieden, das Haus zu renovieren und danach selbst zu nutzen, eine frühere Umsetzung sei ihm wegen der Verzögerung bei der Vermächtniserfüllung und der notwendigen Renovierung nicht möglich gewesen.

Strenge Maßstäbe des BFH für das „Verschulden“

Das reichte dem BFH nicht aus. Zum Verhängnis wurde dem Kläger, dass er nach der Eintragung im Grundbuch im September 2015 nochmals bis April 2016 wartete, um überhaupt Kostenvoranschläge für die Renovierung einzuholen, und dann erst im Juni 2016 die Bauarbeiten begannen. Der BFH argumentierte: Da der Klager auch nach seiner Eintragung im Grundbuch noch mehr als sechs Monate verstreichen ließ, bis er überhaupt Renovierungsangebote einholte, könne von einer unverschuldeten Verzögerung keine Rede mehr sein.

Expertentipp von Sebastian Höhmann, Fachanwalt für Erbrecht, Berlin 

Die Steuerersparnis, die der Gesetzgeber für das selbstgenutzte Familienheim gibt, kann beachtliche Beträge ausmachen (die für die Renovierung gut genutzt werden können), aber Eile und richtiges Handeln sind geboten. Wer nicht binnen 6 Monaten im ererbten Haus einzieht, muss nicht nur schnell handeln, sondern auch dokumentieren können, dass er  alles dafür getan hat, dass er sofort einzieht. Nur wenn nachweislich nicht er, sondern ein Dritter – z.B. der Miterbe oder die Handwerker – an der Verzögerung schuld ist, kann der Erwerber trotzdem noch die Steuerbefreiung bekommen. D.h. der Erwerber selbst darf keinesfalls mehr als sechs Monate (scheinbar) untätig bleiben und muss zudem seine Aktivitäten zur Beschleunigung des Einzugs auch nachweisen können.

Wenn Sie unsicher sind, was zu tun ist, lassen Sie sich frühzeitig vom Erbrechtsexperten beraten, schon 6 Monate nach dem Erbfall kann es zu spät sein, und das kann – wie der vom BFH entschiedene Fall zeigt – teuer werden.

Sebastian Höhmann, Fachanwalt für Erbrecht, Berlin



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