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27.6.2004

Pflichtteilsentziehung - Klagemöglichkeit des Pflichtteilsberechtigten zu Lebzeiten des Erblassers?

Mit seiner Entscheidung vom 10.03.2004 (IV ZR 123/03) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen, dass Erben noch zu Lebzeiten des späteren Erblassers über Pflichtteilsansprüche streiten können. Dies setzt voraus, dass ein Pflichtteils-berechtigter erfährt, dass er von seinen Eltern vollständig enterbt und ihm auch der Pflichtteil entzogen werden soll. Der Pflichtteil entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, ist aber ein reiner Anspruch auf Zahlung von Geld. Eine Beteiligung an einzelnen Nachlassgegen-ständen hat er nicht zur Folge. Ein solcher Pflichtteilsanspruch steht den Kindern eines Ver-storbenen grundsätzlich zu, wenn sie durch Testament vom Erbe ausgeschlossen werden. Un-ter ganz engen Voraussetzungen kann aber auch dieser Pflichtteilsanspruch entzogen werden.

Das Pflichtteilsrecht hat schon vor dem Tod des Erblassers rechtliche Bedeutung, da ein Pflichtteilsberechtigter schon vor dem Erbfall einen Vertrag mit anderen gesetzlichen Erben über seinen Pflichtteil schließen kann. Deshalb ist der BGH der Auffassung, dass ein Pflicht-teilsberechtigter Anspruch auf Klärung der Berechtigung der Pflichtteilsentziehung bereits zu Lebzeiten des Erblassers hat. Für den umgekehrten Fall (der spätere Erblasser klagt auf Fest-stellung gegen den Pflichtteilsberechtigten, dass ein Pflichtteilsentzug zulässig ist) hat der BGH bereits im Jahre 1974 entschieden, dass einem späteren Erblasser bereits zu seinen Leb-zeiten das Recht zusteht, diese Frage gerichtlich klären zu lassen.

Ob und inwieweit es aber sinnvoll ist, derartige Klagen unter Berufung auf die neue Recht-sprechung des BGH schon vor dem Tod des Erblassers zu erheben, ist eine Entscheidung, die sehr gut überlegt sein will.


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