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24.7.2006

Die Erbunwürdigkeitsklage

Rechtsanwälte Bernhard F. Klinger, München,
und Thomas Maulbetsch, Fürth/Odenwald

Die Erbunwürdigkeitsklage (§§ 2339 – 2345 BGB) fristet in der Praxis zu Unrecht ein Schattendasein, obwohl sie in einigen Fällen die Erbfolge ausschlaggebend verändern kann.

I. Praktische Bedeutung der Erbunwürdigkeitsklage
Das Gesetz geht bei den in § 2339 BGB genannten Verfehlungen eines gesetzlichen oder gewillkürten Erben typisierend davon aus, dass der hypothetische Erblasserwille auf eine Enterbung des Täters gerichtet ist. Die Erbunwürdigkeitsklage schließt innerhalb der erbrechtlichen Institute eine Lücke:

Die Enterbung eines gesetzlichen Erben (§ 1938 BGB) und die Pflichtteilsunwürdigkeit (§§ 2333 2337 BGB) muss der Erblasser noch zu Lebzeiten mittels Testament oder Erbvertrag anordnen. Die Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung (§§ 2078 – 2083 BGB) erfolgt bei Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten vor dem Erbfall durch den Erblasser selbst (§ 2281 BGB), ansonsten erst nach dem Erbfall durch die in § 2080 BGB genannten Anfechtungsberechtigten.

Auf Erbunwürdigkeit, die auch Vermächtnis- und Pflichtteilsunwürdigkeit umfasst (§ 2345 BGB), muss sich der Erblasser nicht in einem Testament oder Erbvertrag berufen. Praktische Relevanz kommt der Erbunwürdigkeitsklage also dann zu, wenn der Erblasser keine Kenntnis von den Verfehlungen des Unwürdigen hatte oder von diesem am Widerruf der letztwilligen Verfügung bzw. am Vollzug der Entziehungserklärung gehindert wurde. Über § 2301 I BGB gelten die §§ 2339 ff. BGB auch bei einer Schenkung von Todes wegen. Ist diese bereits vollzogen, greifen bei Verfehlungen des Beschenkten die §§ 530 – 534 BGB.

II. Gründe für eine Erbunwürdigkeit
Bei den in § 2339 I BGB abschließend aufgezählten Gründen hat der Täter immer in die Testierfreiheit des Erblassers eingegriffen. Es reicht jede Form der Beteiligung, also (Mit-)Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe. Das Zivilgericht ist dabei an eine Entscheidung im Strafverfahren nicht gebunden, muss sich aber bei seiner Beweiswürdigung mit den Feststellungen des Strafgerichts auseinander setzen (BGH, NJW-RR 2005, 1024).

§ 2339 I Nr. 1 BGB umfasst Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), versuchte Tötung und das Herbeiführen der (bis zum Tod andauernden) Testierunfähigkeit (z. B. durch Vergiften oder körperliche Verstümmelung). Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) oder Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) genügen nicht.
Ein Grund nach § 2339 I Nr. 2 BGB liegt vor, wenn die Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen des Erblassers vorsätzlich (z. B. durch körperliche Gewalt oder Bedrohung) verhindert wird. Der bloße Versuch der Verhinderung ist nicht ausreichend.

§ 2339 I Nr. 3 BGB greift ein, wenn eine arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung zur Errichtung oder Aufhebung einer wirksam Verfügung von Todes wegen führt. Umstritten ist, ob eine Ehefrau arglistig täuscht, wenn sie ihrem testierenden Ehemann die eheliche Untreue ungefragt verschweigt. Dies dürfe nur bei besonders gravierenden Umständen gerechtfertigt sein: Eine weit zurückliegende Eheverfehlung begründet in der Regel keine Offenbarungspflicht; etwas anderes gilt bei einem fortdauernden ehewidrigen Verhältnis, wenn der Ehegatte sein Testament erkennbar im Vertrauen auf die Beteuerung der ehelichen Treue errichtet (BGHZ 49, 155 = NJW 1968, 642).

Ein Erbunwürdigkeitsgrund nach § 2339 I Nr. 4 BGB liegt vor, wenn der Erbe in Ansehung des Todes des Erblassers die Urkundsdelikte der Urkundenfälschung (§ 267 StGB), der mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 StGB), der Veränderung von amtlichen Ausweisen (§ 273 StGB) oder der Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB) verwirklicht. Die Fälschungshandlungen können auch nach dem Erbfall begangen werden. Ausreichend ist nach h. M. (Palandt/Edenhofer, BGB, 65. Aufl., 2006, § 2339 Rdnr. 8) auch der bloße Versuch dieser Urkundsdelikte.

Keine Erbunwürdigkeit tritt ein bei Verzeihung des Erblassers (§ 2343 BGB) und in den Fällen des § 2339 I Nr. 3 und 4 BGB bei Unwirksamkeit der Verfügung von Todes wegen vor dem Erbfall (§ 2339 II BGB).

III. Geltendmachung der Erbunwürdigkeit nur durch Anfechtungsklage
Anders als in einigen ausländischen Erbrechtsordnungen genügt das bloße Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes nicht für den Wegfall des Erbrechts. Notwendig ist vielmehr gem. § 2342 I BGB eine Klage oder Widerklage des Berechtigten (§ 2341 BGB) gegen den Erbunwürdigen. Der Klageantrag lautet z. B. „Der Beklagte wird für unwürdig erklärt, den (Erblasser) zu beerben.“

Da die Wirkung der Anfechtungsklage erst mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils eintritt (§ 2342 II BGB), handelt es sich nach h. M. (Palandt/Edenhofer, § 2342 Rdnr. 1) nicht um eine Feststellungs-, sondern um eine Gestaltungsklage. Erbunwürdigkeitsgründe werden deshalb nicht von Amts wegen geprüft und können auch nicht in Form einer Einrede eingewendet werden.

Nach h. M. (Palandt/Edenhofer, § 2342 Rdnr. 1) ist es zulässig, die Unwürdigkeitsklage mit einer Stufenklage nach § 2018 BGB zu verbinden, sofern die Erbschaftsklage auf Herausgabe nach Rechtskraft des Erbunwürdigkeitsurteils gerichtet ist.

Teilweise kann neben einer Erbunwürdigkeitsklage auch die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung gem. § 2078 BGB gerechtfertigt sein. Folge der Anfechtung ist jedoch nur die Unwirksamkeit der angefochtenen Verfügung. Hier sollten Haupt- und Hilfsanträge gestellt werden.

Eine Feststellung der Erbunwürdigkeit ist im Erbscheinsverfahren nicht möglich (BayObLG, ZEV 2001, 16). Hat der Erbunwürdige bereits einen Erbscheinsantrag gestellt, muss der Berechtigte dem Nachlassgericht das Aktenzeichen des Anfechtungsprozesses mitteilen und Aussetzung des Erbscheinverfahrens analog § 148 ZPO beantragen (ausf. dazu Zimmermann, Der Verlust der Erbschaft, 2006, Rdnr. 304 308).

IV. Anfechtungsberechtigung
Klageberechtigt ist nur derjenige, dem der Wegfall des Erbunwürdigen zustatten kommt (§ 2341 BGB), sei es auch erst nach dem Wegfall eines weiteren Vorberufenen (BGH, NJW 1989, 3214). Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte sind dagegen nicht anfechtungsberechtigt. Das Anfechtungsrecht kann rechtsgeschäftlich nicht übertragen und auch nicht gepfändet werden, da es mit der zukünftigen Erbenstellung verbunden ist.

V. Anfechtungsfrist
Die Anfechtungsklage muss binnen Jahresfrist ab Kenntnis des Anfechtungsberechtigten vom Anfechtungsgrund erhoben werden (§§ 2340 III, 2082 BGB). Dabei ist die zuverlässige Kenntnis des Anfechtungsgrundes, objektive Beweisbarkeit und die Zumutbarkeit der Klageerhebung entscheidend (BGH, NJW 1989, 3214). Diese Frist kann gem. §§ 2082 II 2, 206, 210, 211 BGB gehemmt sein.

VI. Fazit
Die Erbunwürdigkeitsklage ist für den vom Nachlass ausgeschlossenen Mandanten oft die letzte Chance, doch noch zu seinem Erbrecht zu kommen, erfordert aber vom Berater prozesstaktisch richtiges und fristwahrendes Vorgehen.



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