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17.1.2007

Verzichtsverträge im Erbrecht

Erbverzichts-, Pflichtteilsverzichts- und Zuwendungsverzichtsverträge haben eine große praktische Bedeutung im Zusammenhang mit der Gestaltung letztwilliger Verfügungen und der vorweggenommenen Erbfolge. Die Erfahrung zeigt, dass diese Institute nicht hinreichend präzise voneinander abgegrenzt werden.

I. Der Erbverzicht
Gegenstand des Erbverzichts ist das künftige gesetzliche Erbrecht. Der Erblasser ist durch den Verzichtsvertrag nicht gehindert, zu testieren: Er kann den Verzichtenden ganz oder teilweise als Erben oder Vermächtnisnehmer einsetzen. Gemäß § 2346 I 2 BGB wird der Verzichtende so behandelt, als sei er als gesetzlicher Erbe beim Erbfall nicht mehr existent. Er verliert deshalb auch sein Pflichtteilsrecht, insbesondere die Ansprüche auf Pflichtteilsergänzung (§ 2325 BGB) und den Pflichtteilsrest (§ 2305 BGB), sofern kein entsprechender Vorbehalt erklärt wird. Beim Verzicht eines Ehegatten bleibt dessen Anspruch auf Zugewinnausgleich (§ 1371 II BGB) weiter bestehen. Gemäß § 2349 BGB erstreckt sich der Verzicht eines Abkömmlings (nicht also der eines Ehegatten oder Vorfahren) auch auf dessen vorhandene oder künftige Abkömmlinge, wenn nichts anderes vereinbart wurde.

Ist dem Verzichtenden nicht gleichgültig, wer an seiner Stelle Erbe wird, besteht die Möglichkeit, den Erbverzicht zu Gunsten einer bestimmten Person oder eines bestimmten Personenkreises zu erklären (§ 2350 BGB enthält für diesen Fall Zweifelsregelungen). Eine Beschränkung des Erbverzichts auf bestimmte Gegenstände ist dagegen nicht möglich. Der Erbverzicht kann Auswirkungen auf den Pflichtteil anderer Beteiligter haben: Wer durch Erbverzicht ausgeschlossen ist, wird gem. § 2310 S. 2 BGB bei der Feststellung des Pflichtteils nicht mitgezählt; dadurch erhöht sich die Pflichtteilsquote der anderen Berechtigten, was vom Erblasser nicht immer gewollt ist. Der Erbverzichtsvertrag erfordert notarielle Beurkundung (§ 2348 BGB) und kann nur zu Lebzeiten des Erblassers geschlossen werden. Der Verzichtende kann sich dabei vertreten lassen, der Erblasser nur im Falle seiner Geschäftsunfähigkeit (§ 2347 II BGB). Weder die Erben des Erblassers noch diejenigen des Verzichtenden können den Verzicht vertraglich aufheben (§ 2351 BGB).

II. Der Pflichtteilsverzicht
Der (isolierte) Pflichtteilsverzicht i.S. des § 2346 II BGB verhindert das Entstehen aller aus dem Pflichtteilsrecht möglicherweise resultierenden Ansprüche, lässt jedoch das gesetzliche Erbrecht unberührt. Deshalb erhöht der bloße Pflichtteilsverzicht (anders als der Erbverzicht gem. § 2310 S. 2 BGB) die Pflichtteilsquote anderer Pflichtteilsberechtigter nicht. Über den Wortlaut des § 2349 BGB hinaus erstreckt sich der Verzicht auch auf das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge (Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl., 2007, § 2349 Rdnr. 1). Der Pflichtteilsverzichtsvertrag und dessen Aufhebung bedürfen der notariellen Beurkundung (§ 2348 BGB analog). Nach dem Tode des Erblassers kann der Pflichtteilsberechtigte den Erben die Pflichtteilsschuld dagegen formfrei erlassen; notarielle oder schriftliche Form ist nicht erforderlich, auch dann nicht, wenn der Erlass schenkweise erfolgt (Palandt/Grüneberg, § 397 Rdnr. 5). Anders als beim Erbverzicht kann der Verzicht auf den Pflichtteil gegenständlich beschränkt werden. So kann etwa vereinbart werden, dass ein bestimmter Gegenstand bei der Berechnung des Pflichtteils oder eine bestimmte Zuwendung bei der Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht zu berücksichtigen ist. Der Verzicht kann sich auch auf einzelne Pflichtteilsansprüche (z.B. aus §§ 2305 – 2307 BGB oder aus § 2325 BGB) beschränken. Vereinbart werden kann auch die nachträgliche Anrechnung einer bislang nicht anrechnungspflichtigen Zuwendung auf den Pflichtteil.

III. Der Zuwendungsverzicht
Gegenstand des Zuwendungsverzichts i.S. des § 2352 BGB ist die auf einer Verfügung von Todes wegen beruhende Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis. Hauptanwendungsfall ist das gemeinschaftliche Testament, bei dem nach dem Tod eines Ehegatten wechselbezügliche Verfügungen vom überlebenden Ehegatten nicht ohne Weiteres widerrufen werden können (§ 2271 II BGB). Dieser kann zur Erlangung der vollen Testierfreiheit z.B. mit dem Schlusserben einen Zuwendungsverzicht vereinbaren. Ein derartiger Vertrag kann auch dann sinnvoll sein, wenn bei einem Erblasser, der nach Testamentserrichtung testierunfähig geworden ist, der Betreuer einvernehmlich mit dem Bedachten die testamentarische Zuwendung abändern oder aufheben will. Der Vertrag bedarf der notariellen Form (§§ 2352 S. 3, 2348 BGB) und erstreckt sich – da § 2349 BGB unanwendbar ist nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden.

IV. Verzicht gegen Abfindung
Der Verzicht wird in der Regel gegen eine Abfindung erklärt, die nach § 7 Ziff. 5 ErbStG der Schenkungsteuer unterliegt; ein unentgeltlicher Verzicht stellt aber keine Schenkung an den Erblasser dar (§ 517 BGB). Eine Absicherung der versprochenen Gegenleistungen kann etwa dadurch erreicht werden, dass die Abfindung notfalls an einen Treuhänder vorauszuzahlen ist oder die Zahlung als aufschiebende Bedingung des Verzichtsvertrages vereinbart wird.

(von Rechtsanwalt Klaus Becker, Aachen, und
Rechtsanwalt Bernhard F. Klinger, München)



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