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11.7.2008

Anrechnung eines Geschenks auf den Erbteil = Anrechnung auf den Pflichtteil?

In der Praxis kommt es häufig vor, dass bei Schenkungen die Parteien vereinbaren, das Geschenk sei später zu berücksichtigen, nämlich indem es auf den Erbteil angerechnet würde. Dies in der sicheren Erwartung, dass Erbe der Beschenkte werde. Immer dann allerdings, wenn der Erbe zum Beispiel die Erbschaft ausschlägt und aufgrund der Regelungen des Gesetzes dennoch den Pflichtteil erhält oder die letztwillige Verfügung geändert wurde, stellt sich die Frage, inwieweit die damalige Bestimmung auch eine Anrechnung auf den Pflichtteil enthält.

Mit dieser Frage hatte sich jüngst das OLG Schleswig zu beschäftigen (Urteil vom 13.11.2007 - 3 U 54/07 (LG Itzehoe)). Das Gericht kam zu dem Schluss, dass eine generelle Aussage in solchen Fällen nicht getroffen werden kann. Vielmehr müsse die Erklärung nach ihrem Sinn ausgelegt werden. Verbleiben Zweifel, ob die Anordnung auch eine Anordnung auf den Pflichtteil enthalten sollte, gehen diese zulasten derjenigen Person, die sich auf die Anrechnung beruft.

Die Besonderheit im Zusammenhang mit dem Pflichtteil liegt darin, dass das Gesetz hier im Gegensatz zur Ausgleichung für die Anrechnung eine entsprechende Anordnung voraussetzt. Bei der Ausgleichung, die nur bei Vorhandensein von mehreren Abkömmlingen zum Tragen kommen kann, sieht das Gesetz eine Berücksichtigung regelmässig per se vor.

Die Besonderheit des vom OLG Schleswig entschiedenen Falls besteht nun darin, dass der Erblasser die Anrechnung auf den späteren Erbanteil angeordnet hat, obwohl mangels weiterer Abkömmlinge eine Ausgleichung gem. §§ 2050 ff. BGB überhaupt nicht zu erwarten war. Der Erblasser hatte nur ein einziges Kind. Vor diesem Hintergrund würde die getroffene Anrechnungsbestimmung auf den Erbteil keinerlei Wirkung entfalten, würde man sie nicht so auslegen, dass sie im Rahmen des Pflichtteilsrecht durch Anrechnung zu berücksichtigen wäre.

Da nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser mit der von ihm gewählten Formulierung überhaupt keinen Sinn verbunden hat, scheint die Auslegung, wie sie vom erstinstanzlichen Gericht getroffen wurde, zwingend, nämlich, dass diese Erklärung zumindest stillschweigend (auch) eine Anrechnung auf den Pflichtteil bewirken sollte. Inhaltlich dürfen nämlich keine zu hohen Anforderungen an die Anordnung des Erblassers gestellt werden, da andernfalls die Anrechnung vielfach – so wie hier – ins Leere laufen würde. Oft kennt der Verfasser eines Testaments den Unterschied zwischen Ausgleichung und Anrechnung nicht einmal. Es kommt deshalb nur darauf an, ob nach Willen des Erblassers der Beschenkte damit – zumindest teilweise - abgefunden sein soll.

Letztendlich wird diese Problematik allerdings immer im Einzelfall zu entscheiden sein.

Mit bevorstehende Änderung des Gesetzes wird die Thematik entschärft. Zukünftig ist vorgesehen, dass ein Erblasser auch im Nachhinein, das heißt durch Testament, eine Anrechnung eines Geschenks auf den Pflichtteilsanspruch bestimmen kann. Stellt sich die Frage der Auslegung der Erklärung rechtzeitig, kann also durch letztwillige Verfügung »nachgearbeitet« werden. Lediglich dann, wenn die Problematik vor dem Ableben des Erblassers und Schenkers nicht zur Sprache kommt, wird sich die Rechtsprechung weiterhin mit der Auslegung solcher Erklärungen beschäftigen müssen.

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