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5.3.2009

Experten befürworten gesetzliche Regelung der Patientenverfügung

Anhörung: Experten befürworten gesetzliche Regelung der Patientenverfügung

Eine gesetzliche Regelung über sogenannte Patientenverfügungen ist notwendig. Dieser Meinung waren fast alle Sachverständigen, die zu einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages am 04.03.2009 geladen waren. Gegensrgumente - wie etwa von der Bundesärztekammer vorgebracht - wiesen sie zurück. Die Experten äußerten sich zu drei verschiedenen parlamentarischen Initiativen, wie die Bundestagspressestelle mitteilte.

Selbstbestimmungsrecht des Patienten gehört zur Menschenwürde

Der Gesetzentwurf des SPD-Abgeordneten Joachim Stünker und des FDP-Parlamentariers Michael Kauch (BT-Drs. 16/8442) berücksichtige am besten das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, urteilte Friedhelm Hufen von der Universität Mainz. Das Sterben in Würde und die Beachtung eines in freier Selbstbestimmung geäußerten Patientenwillens gehörten zur Menschenwürde. Ärzte, Betreuer und Gerichte seien folglich unmittelbar an den verfassungsrechtlich geschützten Patientenwillen gebunden. Nach Ansicht Hufens vereinigt der Änderungsantrag der SPD-Abgeordneten Marlies Volkmer (Ausschussdrucksache) die Vorzüge des an der Selbstbestimmung orientierten Entwurfes von Stünker/Kauch und die auf Information und Konsens setzenden Elemente des Entwurfes der Unionsabgeordneten Wolfgang Zöller und Hans Georg Faust (BT-Drs. 16/11495), der zweiten im Ausschuss behandelten Initiative.

Arzt kritisiert Bosbach-Entwurf als Entmündigung

Der Chefarzt der Rettungsstelle des Vivantes Klinikums in Berlin, Michael de Ridder, betonte, nicht wenige Patienten, gerade im hohen Alter, würden sich mit einer Patientenverfügung gezielt und bewusst gegen äußerste Optionen der Medizin entscheiden und lieber ihrer Selbstbindung als einem fremden ärztlichen Urteil folgen. Kritik übte er deshalb am Gesetzentwurf des Abgeordneten Wolfgang Bosbach (BT-Drs. 16/11360). Die Vorlage enthalte im Kern eine Entmündigung der Person, die eine Patientenverfügung erstellt habe.

Stärkung der Palliativmedizin gefordert

Gian Domenico Borasio vom Münchner Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin betonte, der beste Schutz vor ärztlichen Fehlern bestehe in einer besseren Ausbildung der Ärzte in Palliativmedizin. Dringend notwendig sei ein Gesetz, das die Palliativmedizin als Pflichtfach in die ärztliche Approbationsordnung einführe. Borasio lobte den unter der Federführung Zöller/Faust entstanden Gesetzentwurf, da dieser die Bedeutung der Umsetzung der Patientenverfügung zwischen Arzt und Betreuer umfassend sichere. Er regte an, diesen Entwurf um zwei Elemente der beiden anderen Gesetzentwürfe zu bereichern. Übernommen werden sollte nach Borasios Meinung die qualifizierte ärztliche Beratung als «Soll»-Vorschrift aus dem Gesetzentwurf des Abgeordneten Bosbach und die Formulierungen zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens aus dem Stünker/Kauch-Entwurf.

OLG-Vizepräsident hebt Freiheitsrecht des Patienten hervor

Der Vizepräsident des Oberlandesgerichts München, Hans-Joachim Heßler, hob das in der Patientenverfügung enthaltene Freiheitsrecht hervor. Schwerstkranke hätten einen Anspruch darauf, in Würde sterben zu dürfen. Die Ärzte müssten den Patienten nicht als Objekt, sondern als Subjekt wahrnehmen, mahnte Volker Lipp von der Universität Göttingen. Der Wille des Patienten sei stets uneingeschränkt anzuerkennen. Er sei unabhängig von der Form und der Art seines Nachweises zu beachten.

Bejahung eines hohen Beratungsbedarfs ist keine Überbürokratisierung

Wolfram Höfling von der Universität Köln warf die Frage auf, ob jede Patientenverfügung eine strikte Verbindlichkeit genieße. Der nicht selten erhobene Vorwurf der «Überbürokratisierung» des Sterbens gehe fehl. Der Beratungsbedarf für eine kompetent ausgefüllte Patientenverfügung sei «unendlich hoch», stellte der Chefarzt des Ketteler-Krankenhauses in Offenbach, Stephan Sahm, fest. Daher sollte nur die Patientenverfügung verbindlich sein, die die formalen und inhaltlichen Anforderungen erfüllen. Es gelte Patienten vor womöglich unreflektiert abgefassten Willensbekundungen zu schützen, sagte Sahm.

Quelle: beck-aktuell-Redaktion, Verlag C. H. Beck, 5. März 2009.



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