nach oben
4.7.2011

Keine Anfechtungen der Erbausschlagung bei lediglich befürchteter Überschuldung des Nachlasses

Schlägt ein Erbe auf der Grundlage ungenauer zeitferner Informationen die Erbschaft aus, weil er "befürchtet, dass da nur Schulden sind", so kann er, wenn sich später die Werthaltigkeit des Nachlasses herausstellt, seine Ausschlagungserklärung nicht wegen Irrtums anfechten.

Objektiv erhebliche und ursächliche Fehlvorstellungen über verkehrswesentliche Eigenschaften des Nachlasses begründen die Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft nach § 119 Abs. 2 BGB. Die Überschuldung des Nachlasses ist eine solche verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses. Fehlvorstellungen darüber, dass die Verbindlichkeiten den Wert des Nachlasses übersteigen, sind aber nur dann relevant, wenn sie auf unrichtigen Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses beruhen. Hält demnach der Ausschlagende die nicht überschuldete Erbschaft für überschuldet, besteht, sofern der Irrtum kausal war, ein Anfechtungsgrund. Der Irrtum muss nach § 119 BGB subjektiv und, anders als nach § 2078 BGB, auch objektiv erheblich gewesen sein. Ergibt die Auslegung der Ausschlagungserklärung, dass dem Erben die etwaige Höhe seines erbrechtlichen Erwerbs gleichgültig war, so kann er nicht wegen irrtümlich angenommener Überschuldung anfechten.
In dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu entscheidenden Fall hatte der Erbe zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Ausschlagungserklärung die Vorstellung, dass der Nachlass scheinbar überschuldet ist. Diese Befürchtung leitete er aus Informationen ab, dass die Erblasserin auf öffentliche Unterstützung angewiesen gewesen sei und das Elternhaus bereits viele Jahre vorher habe verkauft werden müssen, weil die Erblasserin sich das Haus, ihren damaligen Erklärungen zufolge, nicht mehr habe leisten können. Der Erbe hätte, so das Oberlandesgericht Düsseldorf, mit Blick auf diese ungenauen zeitfernen Informationen Anlass gehabt, sich zu informieren, um welche Größenordnung es sich beim Nachlass tatsächlich handelte, um sodann zu entscheiden, ob er die Erbschaft annehmen oder ausschlagen will. Dies hat der Erwerber nicht getan. Nach Auffassung des Gerichts stellt dieses Verhalten in Verbindung mit der abgegebenen Erklärung, der Erbe habe befürchtet, dass nur Schulden da sind, nur den Schluss zu, dass der Erbe die Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, anhand von Spekulationen darüber getroffen hat, ob der Antritt der Erbschaft sich wohl lohnen wird. Der Erbe hat die Erbschaft womöglich für überschuldet und damit für wirtschaftlich uninteressant, möglicherweise wertlos gehalten. Die Einschätzung des Erben, der Nachlass sei womöglich überschuldet, schließe auch die Variante eines nicht überschuldeten jedoch nicht besonders lukrativen Nachlasses ein, so das Gericht.
Folglich kann nach Meinung des Gerichts nicht als festgestellt gelten, dass der Erbe sich bei seiner mit Hilfe eines Notars abgegebenen Erklärung der Ausschlagung des Nachlasses von der irrtümlichen Annahme einer Überschuldung hat leiten lassen.

(OLG Düsseldorf, Beschluß vom 31.1.2011, 3 Wx 21/11)



← zurück
Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker e.V. Erbrechtsmediation Erbrechtsakademie