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10.10.2011

Übernahmerecht und Anfall von Spekulationssteuer

Das Einkommensteuergesetz sieht die Versteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Immobilien vor, die innerhalb von 10 Jahren nach deren Erwerb mit Gewinn veräußert werden (§ 22 Nr.2, 23 I Nr. 1 EStG).

Beispiel: Ein Erwerber kauft ein Haus für 300.000,00 € und verkauft es nach 4 Jahren für 350.000,00 €. Hier fallen auf den Gewinn von 50.000,00 € Einkommensteuer an.

Nicht selten kommt es vor, dass ein Erblasser einem seiner Kinder das Recht einräumt, das elterliche Haus gegen Zahlung einer bestimmten Summe, z. B. zu einem bestimmten Prozentsatz des Verkehrswertes, übertragen zu erhalten. Ein solches Übernahmerecht kann zu unliebsamen Überraschungen führen, wenn das so übernommene Grundstück innerhalb der nächsten 10 Jahre weiterveräußert wird. Bezüglich des entgeltlichen Teils des Erwerbs gelten die gleichen Grundsätze über Spekulationsgewinne, wie der Bundesfinanzhof kürzlich entschieden hat (Urteil vom 29.06.2011 - IX R 63/10). In dem Urteil werden folgende Grundsätze aufgestellt bzw. bestätigt:

  • Der Erwerb von Vermögen aufgrund eines Vermächtnisses ist regelmäßig ein unentgeltlicher Vorgang. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung erbringen muss.
  • Ein voll entgeltliches Geschäft liegt vor, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung erbringen muss, deren Wert die vermächtnisweise Zuwendung annähernd ausgleicht.
  • Wenn der Wert der Zuwendung nicht voll auszugleichen ist, handelt es sich um ein teilentgeltliches Erwerbsgeschäft, das in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen ist.
  • Nur in Bezug auf den entgeltlichen Teil des Erwerbs liegt ein Anschaffungsvorgang vor und erfüllt die bedachte Klägerin mithin die Voraussetzungen eines steuerbaren Veräußerungsgeschäfts.


Der Erwerb eines Grundstücks in Erfüllung eines Vermächtnisses ist damit ein teilentgeltlicher und damit im Rahmen der Besteuerung nach §§ 23 I 1 Nr. 1, 22 Nr. 2 EStG aufteilbarer Vorgang, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung erbringen muss, deren Wert die vermächtnisweise Zuwendung nicht ausgleicht.

Beispiel: In dem zu entscheidenden Fall hatte der Erblasser seine Töchter zu Miterben mit gleichen Beteiligungen eingesetzt. Eine Tochter durfte das elterliche Grundstück (Wert 240.000,00 €) durch Zahlung von 25 % des Wertes (60.000,00 €) an die Schwester übernehmen. Zwei Jahre später verkauft die Schwester das Grundstück für 240.000,00 €. Das Finanzamt erhob auf 60.000,00 € Einkommensteuer, da die Schwester den hälftigen Eigentumsanteil im Werte von 120.000,00 € für 60.000,00 € erworben und deshalb einen Spekulationsgewinn von 60.000,00 € erzielt habe. Dies sah der BFH anders. Er stellte darauf ab, dass lediglich ein Viertel des Grundstückes entgeltlich erworben worden und deshalb kein Spekulationsgewinn angefallen sei.

Wäre das Haus aber beispielsweise für 280.000,00 € verkauft worden, wäre ein Veräußerungsgewinn von 10.000,00 € zu versteuern gewesen.

Tipp: Das Problem lässt sich leicht vermeiden, indem der das Haus übernehmende Abkömmling zum Alleinerben eingesetzt wird und mit einem Vermächtnis belastet wird, das den gewünschten Ausgleich schafft. In diesem Fall beruht der Erwerb auf dem Erbrecht und ist damit unentgeltlich, so dass es anschließend immer steuerfrei veräußert werden kann, wenn der Erblasser seinerseits das Grundstück nicht innerhalb der Spekulationsfrist von 10 Jahren angeschafft hatte.



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