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21.07.2016
Beisetzung des verstorbenen Zwillingsbruders gegen den Willen der Ehefrau

Totenfürsorgerecht

Immer wieder müssen sich Gerichte auch damit beschäftigen, wer berechtigt ist die Beerdigung des Verstorbenen zu organisieren und über Art und Weise der Bestattung zu entscheiden. Mit dem Totenfürsorgerecht musste sich auch das Oberlandesgericht Naumburg im Urteil vom 8.10.2015 (Aktenzeichen: 1 U 72/15) beschäftigen.

Konkret ging es in dem Fall um den vorläufigen Verbleib einer Urne des Verstorbenen in der Ortschaft B im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes. Das Oberlandesgericht sprach dem Zwillingsbruder des Erblassers als Verfügungskläger das Recht zur Durchsetzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes des Toten auch im Verhältnis gegenüber der Ehefrau zu. Der Zwillingsbruder verfolge ein eigenes, die gewohnheitsrechtlich vorrangig berufene Ehefrau ausschließendes Recht auf Totenfürsorge kraft der von ihm behaupteten Übertragung durch den verstorbenen Zwillingsbruder. Beherrschender Grundsatz des Totenfürsorgerechts ist die Maßgeblichkeit des Willens des Verstorbenen, worauf das Oberlandesgericht ausdrücklich nochmals hingewiesen hat. Lasse sich aus den Umständen ein bestimmender Wille des Verstorbenen zuverlässig entnehmen, sei diesem Willen Rechnung zu tragen. Sonst verbleibe es bei den gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen, also der Totenfürsorge der Ehefrau. Für diesen Fall könne sich der Bruder dann nur gegen einzelne Maßnahmen der Witwe wenden, wenn diese dem mutmaßlichen Willen des Toten widersprächen. Der Bruder als Verfügungskläger habe im vorliegenden Fall glaubhaft gemacht, dass der Verstorbene zuletzt den Willen geäußert habe, in B. beigesetzt zu werden. Interessant ist in dieser Entscheidung auch, dass das Oberlandesgericht der Vorsorgevollmacht des Bruders große Bedeutung bei der Prüfung des Willens des Verstorbenen zugesprochen hat. Auch wenn die Vollmacht alleine keine Übertragung der Totenfürsorge enthielt, so ging das Gericht davon aus, dass alleine durch das einer Vorsorgevollmacht unterstellte Vertrauensverhältnis von einem Totenfürsorgerecht zu Gunsten des Bruders ausgegangen werden kann. Darüber hinaus sei im vorliegenden Fall das Verhältnis zur Ehefrau eher getrübt, wenn nicht gar zerrüttet gewesen, auch aufgrund mangelhafter Pflege und Versorgung im ehelichen Haushalt.

Als begründet erachtete das Oberlandesgericht auch den Antrag auf Verbot der Umbettung des Toten. Bis zum Abschluss des Hauptverfahrens könne aus Pietät gegenüber dem Verstorbenen und zur Wahrung der Totenruhe eine Umbettung nur aus ganz besonderen Gründen veranlasst werden, so das Oberlandesgericht.

Rechtsanwalt Florian Enzensberger, Fachanwalt für Erbrecht in Weilheim und Garmisch-Partenkirchen, rät auch die Frage der Totenfürsorge ausdrücklich zu klären, um diesbezügliche Streitigkeiten, die oft pietätslos erscheinen, von vornherein zu vermeiden. Geregelt werden sollte das Totenfürsorgerecht im Rahmen einer Vorsorgevollmacht.



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