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08.10.2016
Testamentsauslegung Gemeinschaftliches Testament

Regelung nur zu gleichzeitigem Versterben - Auslegung nötig

Problemstellung

Gemeinschaftliche Testamente von Eheleuten enthalten häufig Regelungen für den Fall des gleichzeitigen oder gemeinsamen Versterbens, ohne darüber hinaus auch den Fall des viel wahrscheinlicheren nacheinander Versterbens der Ehegatten zu regeln.

Das OLG Karlsruhe hat der zu dieser Problematik vorhandenen, umfangreichen Rechtsprechung mit seinem Beschluss vom 17. August 2016, Az.: 11 Wx 73/15 eine weitere obergerichtliche Entscheidung hinzugefügt.   

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Eheleute M + F errichteten im Jahre 1995 ein gemeinschaftliches Testament. In diesem Testament setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Für den Fall des „gleichzeitigen, beiderseitigen Ablebens“ trafen sie umfangreiche Verfügungen, die ihr gesamtes im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorhandenes Vermögen betreffen.

Die F verstarb im Jahre 2011, der M Anfang des Jahres 2015.

Nach dem Tode des M beantragt eine Cousine einen gemeinschaftlichen Erbschein, der sie selbst, eine weitere Cousine und einen Cousin als – gesetzliche – Miterben zu je 1/3 ausweisen soll.

Diesem Antrag tritt eine der in dem gemeinschaftlichen Testament von M und F für den Fall des „gleichzeitigen Ablebens“ bedachten Personen entgegen. Es sei fraglich, ob den Eheleuten bewusst gewesen sei, dass die von Ihnen gewählte Formulierung des gleichzeitigen Ablebens nur für den Fall des gleichzeitigen Todes gelten solle. Darüber hinaus könne nicht angenommen werden, dass die Eheleute die gesetzlichen Erben des Ehemannes, zu welchen zu Lebzeiten keinerlei Kontakt bestanden habe, hätten begünstigen wollen. Anderseits könne ebenso wenig angenommen werden, dass die Eheleute die Personen, zu denen zu Lebzeiten enger und ausgiebiger Kontakt bestanden habe, nicht hätten bedenken wollen.

Das Notariat Nachlassgericht Heidelberg hat angekündigt, den beantragten gemeinschaftlichen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge zu erlassen. Es hat in seinem Beschluss ausgeführt, dass die im Testament verwendete Formulierung des „gleichzeitigen, beiderseitigen Ablebens“ grundsätzlich der Auslegung zugänglich sei. Auf Grund der aus dem Testament selbst erkennbaren Umstände entspreche jedoch eine Gleichwertigkeit von gleichzeitigem und nacheinander erfolgtem Versterben nicht dem Willen der Erblasser.

Das OLG Karlsruhe hat die Beschwerde des in dem Testament der Eheleute Bedachten zurückgewiesen. Das OLG führt aus, dass sich die Erbfolge nicht nach dem gemeinsamen Testament von M und F aus dem Jahre 1995, sondern nach gesetzlicher Erbfolge richte.

Bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes können sich die Ehegatten damit begnügen, sich gegenseitig als Erben einzusetzen und dem längerlebenden Ehegatten völlig freie Hand nach dem Tode des Erstversterbenden überlassen. Sie können sich auch gegenseitig einsetzen und in einem zweiten Schritt einen Erben für den Fall ihres gleichzeitigen Versterbens bestimmen, im Übrigen jedoch keine Erbfolge nach dem Tode des Zweitversterbenden festlegen. Schließlich können die Ehegatten auch den Erbfall nach dem überlebenden Ehegatten regeln.

 

Auslegung des Testamentes

Welche Regelung die Ehegatten treffen wollten ist durch Auslegung des Testamentes zu ermitteln. Dabei sind die höchstrichterlichen Grundsätze der Testamentsauslegung heranzuziehen. Nach diesen Grundsätzen ist der wirkliche Wille der Ehegatten zu erforschen. Dabei ist zu klären, was ein Erblasser mit seinen Worten sagen wollte und nicht etwa ein von der Erklärung losgelöster Wille zu ermitteln. Grundsätzlich ist bei nicht eindeutigem und daher auslegungsbedürftigem Testamentswortlaut gemäß §§ 133, 2084 BGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist der Wortsinn der vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was dieser mit seinen Worten sagen wollte.

Das OLG kommt auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis, dass das Ehegattentestament dahingehend auszulegen sei, dass die testamentarischen Anordnungen für das „beiderseitige gleichzeitige Ableben“ auch den Fall betreffen sollen, dass die Ehegatten innerhalb eines kurzen Zeitraumes nacheinander sterben. Eine weitergehende Auslegung dahingehend, dass die Klausel wie hier auch noch mehre Jahre nach dem Tod des Erstversterbenden eingreifen soll, sieht der Senat jedoch nicht.

 

Andeutungstheorie

Hierfür müsse im konkreten Einzelfall festgestellt werden können, dass die Testierenden auf Grund besonderer Umstände den Begriff des gleichzeitigen Versterbens entgegen dem Wortsinn dahingehend verstanden haben, dass er auch das Versterben in erheblichen zeitlichen Abstand umfasst. Darüber hinaus muss sich im Sinne der Andeutungstheorie eine Grundlage für eine derartige Annahme in der Verfügung von Todes wegen finden. An letzterem fehle es vorliegend völlig. Irgendwelche im Testament genannten Motive oder Andeutungen, die auf eine bewusste Entscheidung der Eheleute für eine Regelung aller Versterbensfälle hindeute, finde sich nicht in der Testamentsurkunde.     

Damit verbleibe es bei der gesetzlichen Erbfolge nach dem Letztversterbenden der Ehegatten.

 



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