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9.1.2017
Vollmacht, Vermögensverschiebung, Verteidigung mit Schenkung

Bevollmächtigter behauptet Schenkung des gesamten Vermögens

Der Bundesgerichtshof  hatte erneut über eine Fallkonstellation zu befinden, die den Erbrechtspraktiker immer häufiger beschäftigt:
Ein Bevollmächtigter überträgt Vermögen des Erblassers auf sich und behauptet später, der Erblasser habe ihm das Vermögen geschenkt.

In dem Fall, der dem hier besprochenen Urteil des BGH vom 28.06.16  (X ZR 65/14)  zugrunde lag, hatte der Bevollmächtigte sogar behauptet, die Erblasserin habe ihm gesagt, er könne „sich alles nehmen".

Das war dem BGH zu viel; der Bevollmächtigte muss die Bereicherung wieder herausgeben.
Dabei wandte der BGH eine Norm an, die den Vorinstanzen offenbar nicht geläufig war.


Rechtlicher Hintergrund:

Ein Schenkungsversprechen bedarf der notariellen Form (§ 518 Abs. 1 S. 1 BGB), andernfalls ist es nichtig (§ 125 S. 1 BGB). Der Formmangel wird jedoch geheilt, wenn die versprochene Leistung bewirkt (= erfüllt) wird (§ 518 Abs. 2 BGB; wie z.B. stets bei Handschenkungen).

Wer durch die Leistung  eines anderen oder in sonstiger Weise  auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund  etwas erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB).
Hat also jemand ohne (oder jedenfalls ohne formwirksame und damit nichtige) Schenkung etwas erlangt, fehlt der Rechtsgrund zum Behaltendürfen des Erlangten.

Will der Erbe angeblich geschenktes Vermögen vom Bereicherten erstattet verlangen, muss er im Rückforderungsprozess darlegen und beweisen, dass die Vermögensverschiebung „ohne Rechtsgrund" erfolgte, hier also keine Schenkung vorlag.
Es liegt auf der Hand, dass der Nachweis dieser negativen Tatsache in den meisten Fällen nur sehr schwer zu führen sein dürfte.


Die Wende mit BGHZ 169, 377: Beweislast bei behaupteter Schenkung

Mit seinem wegweisenden Urteil vom 14.11.06 (X ZR 34/05 = BGHZ 169, 377) hat der BGH dann die Rückforderung einer Bereicherung (Kondiktion) von einem angeblich Beschenkten erheblich erleichtert, indem er die Beweislast für die „Heilung" des formnichtigen Schenkungsversprechens  (erstmals) dem sich mit „Schenkung" verteidigenden Beklagten zugewiesen hat: 

„Wer gestützt auf eine Bankvollmacht Beträge vom Konto des Vollmachtgebers abgehoben hat, trägt im Rückforderungsprozess die Beweislast für die Behauptung, mit der Abhebung ein formnichtiges Schenkungsversprechen des Vollmachtgebers mit dessen Willen vollzogen zu haben."

Selbst wenn also dem Kläger der Beweis nicht gelingen sollte, dass es an einem Schenkungsversprechen fehlt – er könnte es gar unstreitig stellen –, muss der Bereicherte immer noch beweisen, dass das nichtige Schenkungsversprechen mit Wissen und Wollen des Vollmachtgebers erfüllt und damit geheilt wurde.

Diese Rechtsprechung, die den Fall einer sog. Eingriffskondiktion  („in sonstiger Weise" erlangt; hier hatte der Bevollmächtigte in die dem Erblasser zugewiesene Rechtsposition eingegriffen) betraf, hat der BGH dann später auch noch auf Fälle der sog. Leistungskondiktion  („durch Leistung“) erweitert (BGH, Urt. v. 11.03.14, X ZR 150/11).

 

BGH, Urteil vom 28.06.16 - X ZR 65/14

Mit seinem jetzigen Urteil vom 28.06.16 hob der BGH das Berufungsurteil des OLG Düsseldorf  (I-17 U 6/14; nicht veröffentlicht) unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten gegen das ihn zur Rückzahlung verpflichtende Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22.03.13 (18b O 17/12) auf und formulierte in seinem Leitsatz:

Der Formmangel eines Schenkungsvertrags, in dem sich der Schenker zur Übertragung seines gesamten gegenwärtigen Vermögens verpflichtet, wird nicht durch Vollzug geheilt.

 

Sachverhalt:

Wenige Stunden vor dem Tod der Erblasserin hatte der beklagte Bevollmächtigte sämtliche Fondsanteile der Erblasserin verkauft und sich den Erlös von rd. 80.000 € auf sein eigenes Konto überweisen lassen.
Als die Erben von ihm diesen Betrag zurückfordern, behauptet er, es sei der Wunsch der Erblasserin gewesen, dass er noch vor ihrem Tode sämtliche Bankwerte abhebt und für sich behält.

Dieser Wunsch ergäbe sich bereits aus der Vollmachturkunde, nach der er unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB auch zu eigenen Gunsten und uneingeschränkt Verfügungen über das Depotguthaben der Erblasserin vornehmen durfte.

Nach dem Ergebnis der vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahmen soll die Erblasserin geäußert haben, der Beklagte bekomme alles, er könne „sich alles nehmen". Sie habe ihr gesamtes Vermögen dem Beklagten überlassen wollen.

Die wesentlichen Entscheidungsgründe des BGH:

Die Kläger können als Rechtsnachfolger der Erblasserin vom Beklagten die Rückzahlung des Veräußerungserlöses gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen, da die Vermögensverschiebung zugunsten des Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgte.
Denn der Schenkungsvertrag - sein Bestehen unterstellt -, der darauf gerichtet war, dass die Erblasserin dem Beklagten ihr gesamtes gegenwärtiges Vermögen übertrug, bedurfte gemäß  § 311b Abs. 3 BGB  der notariellen Form.
Da es hieran fehlte, war der Schenkungsvertrag nichtig (§ 125 S. 1 BGB).

Der zur Nichtigkeit führende Formmangel konnte auch nicht nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt werden.
Hierzu führt der BGH sehr instruktiv weiter aus:

„Das deutsche Zivilrecht kennt keinen allgemeinen Grundsatz der Heilung eines formnichtigen Vertrages durch Erfüllung. Die Erfüllung hat nur in denjenigen Fällen heilende Wirkung, in denen dies vom Gesetz bestimmt wird.
Soweit § 518 Abs. 2 BGB für den Vollzug einer Schenkung die Heilung eines Mangels der notariellen Form des Schenkungsvertrags anordnet, ist diese Wirkung auf den Formmangel nach § 518 Abs. 1 BGB beschränkt.
Sie beruht auf dem Gedanken, dass der Schenker, der sich durch den Vollzug des Schenkungsversprechens des verschenkten Gegenstands tatsächlich begeben hat, ebenso wenig wie bei einer Handschenkung weiterhin des Schutzes der Form bedarf und der Rechtsfriede nicht durch eine Rückforderung des hingegebenen Schenkungsgegenstands belastet werden soll.
§ 311b BGB verfolgt hingegen einen weiteren Schutzzweck und enthält demgemäß auch keine § 518 Abs. 2 BGB entsprechende Bestimmung.“

 

Anmerkung von Rechtsanwalt Ingo Lahn, Fachanwalt für Erbrecht in Hilden:

Die formheilende Wirkung des Schenkungsvollzugs ist wegen seines weitergehenden Regelungszwecks richtigerweise nicht auf § 311b Abs. 3 BGB übertragbar.
Denn neben seiner wichtigen Warn- und Beratungsfunktion (rechltiche Beratung und Aufklärung durch einen neutralen Notar) dient § 311b Abs. 3 BGB auch

  • dem Schutz des Schenkers vor einer übereilten und für ihn besonders gefährlichen Übertragung seines gesamten Vermögens (und eben nicht nur einzelner Gegenstände) sowie
  • der Verhinderung einer Umgehung der für Verfügungen von Todes wegen geltenden Formvorschriften.

In der Praxis scheinen die Fälle von (vermeintlichem) Vollmachtmissbrauch immer mehr zuzunehmen.
Erfreulicherweise hat der BGH aber die Möglichkeit der Erben, Vermögensverschiebungen zurückzufordern, deutlich gestärkt.

Es lohnt sich daher, genau hinzuschauen und von einem Fachanwalt für Erbrecht überprüfen zu lassen, ob und ggf. mit welchem Risiko Rückforderungsansprüche nötigenfalls auch gerichtlich verfolgt werden können.



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