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22.03.2017
Erb- und Pflichtteilsverzicht

Sittenwidrigkeit der Abfindung mit einem Sportwagen

Das OLG Hamm (Urteil vom 08.11.2016 - 10 U 36/15) hatte jüngst darüber zu entscheiden, ob es die Grenzen der Sittenwidrigkeit überschreitet, wenn ein Vater seinen 18-jährigen Sohn für dessen Erb- und Pflichtteilsverzicht mit einem schnellen Sportwagen abfindet.

Folgender Sachverhalt lag diesem Urteil zugrunde:

Kläger ist der Sohn des Beklagten aus dessen erster Ehe. Der Kläger war bei seiner Mutter aufgewachsen, aber nach einem Schulabbruch zum Beklagten gezogen. Der Beklagte ist selbständig praktizierender Zahnarzt und Gesellschafter eines Dentallabors. In diesem Dentallabor absolvierte der Kläger ein Praktikum und begann im Anschluss daran eine Ausbildung zum Zahntechniker. In diesem Zeitraum lieh sich der Beklagte den Sportwagen Nissan GTR X, für den sich der Kläger sehr begeisterte. Dieser Wagen hatte einen Anschaffungspreis von ca. 100.000 €, eine Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h und eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2,8 Sekunden. Der Beklagte durfte häufig in diesem Wagen mitfahren, diesen sogar auch selbst lenken.

Wenige Tage nach dem 18. Geburtstag des Klägers fuhr der Beklagte mit dem Kläger zu einem Notar. Dort ließen die Parteien den vom Beklagten in Auftrag gegebenen „Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzicht“ beim Tode des Beklagten beurkunden. Als Abfindung für diesen Verzicht sollte der Kläger den genannten Sportwagen erhalten, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen, nämlich bei Vollendung des 25. Lebensjahres, bei Bestehen der Gesellenprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.17 mit der Note 1 und der Ablegung der Meisterprüfung bis zum 31.12.2021 ebenfalls mit der Note 1.

Kurz nach der Beurkundung reute den Kläger dieser Vertragsschluss und er teilte dies dem Notar mit. Der Vertrag sei sittenwidrig und damit nichtig. Ein Einvernehmen mit dem Vater war nicht zu erzielen. Er brach seine Ausbildung ab und zog wieder zu seiner Mutter.

Das Landgericht Detmold und das OLG Hamm hatten daher über die Sittenwidrigkeit des Vertrages zu entscheiden.

Zunächst sei aber erklärt, worum es sich bei einem

 Erbverzicht / Pflichtteilsverzicht

handelt:Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers können durch notariellen Vertrag mit dem (zukünftigen) Erblasser auf ihr Erbrecht verzichten. Der Verzichtende fällt sodann als ERbe weg und kann auch keinen   Pflichtteil beanspruchen. In der Regel wird für den Erbverzicht eine Abfindung gezahlt. Allerdings müssen die Folgen eines Erbverzichts bedacht werden. Der Verzichtende wird nach § 2346 BGB so gestellt, als ob er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte. Dadurch kann sich die Pflichtteilsquote evtl. weiterer Kinder des Erblassers erhöhen. Um dies zu vermeiden, reicht regelmäßig ein Pflichtteilsverzicht aus. Dann hat es der Erblasser in der Hand, durch testamentarische Gestaltung den Vermögensfluss ohne störende Pflichtteilsansprüche zu regeln.

Sittenwidrigkeit

ist gem. § 138 BGB gegeben, wenn ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt. Darunter versteht man das "Anstandsgefüht aller billig und gerecht Denkenden" (vgl. Palandt-Ellenberger § 138 RN 2). Es ist bei der Beurteilung nicht nur vom Vertragsinhalt alleine auszugehen. Vielmehr sind bei einer zusammenfassenden Würdigung Inhalt, Beweggrund und Zweck dees Rechtsgeschäfts, aber auch die äußeren Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, zu berücksichtigen (vgl. OLG Hamm 10 U 36/15).

Entscheidung des OLG Hamm

Hier hat das OLG Hamm eine Sittenwidrigkeit bejaht.  Es hat zunächst darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Erbverzicht und der Abfindungsvereinbarung grundsätzlich um verschiedene Rechtsgeschäfte handelt. Sie seien aber nach dem Parteiwillen als ein einheitliches Rechtsgeschäft gestaltet gewesen, weswegen die Nichtigkeit des einen die Nichtigkeit des anderen nach sich ziehe.

Die Nichtigkeit des Erbverzichts ergebe sich vor allem aus dem Ungleichgewicht zu Lasten des Klägers, die sich insbesondere daraus ergebe, dass der Verzicht sofort und unbedingt vereinbart sei, die Gegenleistung dagegen aber an das Erfüllen von drei Bedingungen geknüpft sei. Sei also nur eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, entfalle für den Kläger die Gegenleistung, sein Verzicht wäre unentgeltlich.

Darüber hinaus hat das Gericht die Bedingungen auch inhaltlich bewertet. Dabei ist es zum dem Ergebnis gekommen, dass der Wert des Fahrzeugs bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres erheblich sinken wird und daher keine adäquate Gegenleistung darstelle. Ferner würden die beiden anderen Bedingungen den Kläger unangemessen in seiner beruflichen Orientierung beschränken. Es liege zudem nicht im Einflussbereich des Klägers, ob er seine Abschlüsse jeweils mit der Note 1 würde machen können.  

Alleiniges Ziel des Beklagten sei es gewesen, seine Testierfreiheit mit einer verhältnismäßig geringen Abfindung und gegebenenfalls sogar ganz ohne eine Gegenleistung zu erlangen. Dass der Beklagte nun behauptete, er haben den Sohn zum zügigen und guten Abschluss einer Berufsausbildung motivieren wollen, erscheint nur vorgeschoben. Zur Erreichung dieses Ziels hätte es keines Verzichts bedurft.

Schließlich weist das OLG noch auf die äußeren Umstände des Rechtsgeschäfts hin. Danach hätte der Beklagte die jugendliche Unerfahrenheit des Klägers ganz bewusst ausgenutzt. Dies zeige sich in der Wahl des in Aussicht gestellten Gegenstandes (Sportwagen), für den der Kläger sich außerordenlich begeistert hatte. Zudem hätte der Kläger den Zeitpunkt der Beurkundung ganz bewusst so gelegt, dass diese unmittelbar nach Erreichung der Volljährigkeit und ohne den Einfluss und Rücksprache mit der Mutter erfolgte. Er hatte den Eindruck erweckt, es handele sich um ein Geburtstagsgeschenk für den Kläger. Der Kläger war in die Vorbereitung des Termins und der Vertragsurkunde überhaupt nicht einbezogen.    

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht

Der Erbrechtsexperte Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Klaus Becker rät:

Beherzigen Sie die Faustformel: "Verzichte auf den Erbverzicht!" Vor allem aber ist es enorm wichtig, solch wichtige Entscheidungen nicht schnell an einem Nachmittag zu treffen. Sicher mag für den jungen Mann die Aussicht auf das schnelle Auto sehr verlockend gewesen sein. Er hat dabei übersehen, dass der Vater ihm fast unerfüllbare Bedingungen gestellt hat. Der junge Mann hätte besser daran getan, den Vertrag vor Unterzeichnung prüfen zu lassen. Da wäre die Sittenwidrigkeit festgestellt worden und man hätte mit dem Vater über eine faire Abfindung verhandeln können.

Der dargestellte Fall zeigt, dass es oft wichtig ist, Vertragsentwürfe von einem Fachmann prüfen zu lassen.. Hier bietet der Erbrechtsexperte Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Klaus Becker mit seinem Team in seiner Aachener Kanzlei wertvolle Unterstützung an.



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