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12.09.2017
Pflichtteil - Nachlassverbindlichkeiten

Mindern die Kosten der Testamentseröffnung und des Erbscheins den Pflichtteil?

Berechnung des Pflichtteils

Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird zum einen durch die Pflichtteilsquote und zum anderen durch den Wert des Nachlasses bestimmt. Gem. § 2311 BGB ist der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugruntesde zu legen. Hierbei sind alle Aktiv- und Passivposten des Erblasservermögens festzustellen und mit ihrem Wert zur Zeit des Erbfalls zu veranschlagen. Aus der Differenz der so ermittelten Aktiva und Passiva ergibt sich der Wert des Nachlassbestandes.

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Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten

Zur Nachlasspassiva i.S.d. § 2311 BGB zählen nur solche Nachlassverbindlichkeiten, die auch beim Eintritt der gesetzlichen Erbfolge entstanden wären und die in diesem Fall vom Pflichtteilsberechtigten zu tragen gewesen wären. Nicht zu berücksichtigen sind damit z.B. Verbindlichkeiten, die aus Verfügungen von Todes wegen des Erblassers herrühren (wie z.B. Vermächtnisse oder Auflagen).

Erblasserschulden

Nachlassverbindlichkeiten sind zunächst die vom Erblasser selbst herrührenden Schulden (wie z.B. noch nicht getilgte Darlehensverbindlichkeiten oder Kaufpreisverbindlichkeiten des Erblassers).

Erbfallschulden

Zu berücksichtigen sind weiter die sogenannten Erbfallschulden. Dies sind Verbindlichkeiten, deren Rechtsgrund auf den Erbfall zurückgeht. Zu diesen Erbfallschulden zählen etwa die Kosten einer standesgemäßen Beerdigung des Erblassers i.S.v. § 1968 BGB, nicht aber die Kosten der laufenden Grabpflege nach dem erstmaligen Anlegen der Grabstätte (OLG München, ErbR 2010, 59).

Kosten der Testamentseröffnung und des Erbscheins

Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob die Kosten der Testamentseröffnung und die Kosten für die Erteilung des Erbscheins im Rahmen des § 2311 BGB vom Erben in Ansatz gebracht werden können.

Die Kosten der Testamentseröffnung, die nur wegen des Vorhandenseins einer letztwilligen Verfügung entstehen, können nicht zu Lasten des Pflichtteilsgläubigers in Rechnung gestellt werden (OLG Schleswig, ZErb 2010, 90).

Umstritten ist, ob auch die Kosten für die Erlangung des Erbscheins bei der Pflichtteilsberechnung abzugsfähig sind:

  • Die wohl überwiegende Meinung nimmt an, dass die Erbscheinkosten nicht abzugsfähig sind, da der Erbschein in erster Linie der Legitimation des Erben, nicht aber der Verwaltung des Nachlasses dient (SchlHOLG, ZErb 2010, 90; OLG München, ErbR 2010, 59; MünchKomm, Lange, § 2311 BGB, Rn. 20).
  • Dem wird teilweise in der Literatur (Staudinger/Herzog, § 2311 BGB, Rn. 60) entgegengehalten, dass die Kosten eines Erbscheins den Pflichtteilsberechtigten auch oder gerade im Falle der gesetzlichen Erbfolge getroffen hätten, da in diesem Fall keine anderweitige Legitimationsmöglichkeit besteht. Dieser Auffassung hat sich nunmehr das Landgericht Neuruppin (Urteil vom 05.05.2017 – 5 O 265/15 = BeckRS 2017, 1181112) angeschlossen.
  • Der BGH (MDR 1980, 831) hat entschieden, dass Rechtsanwaltsgebühren, die im Rahmen eines im Erbscheinverfahrens ausgetragenen Erbstreits entstanden sind, jedenfalls dann abzugsfähig sind, wenn das Bestreiten des Erbrechts durch den Pflichtteilsberechtigten die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts geboten hat.

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München empfiehlt Erben, die auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten ein Nachlassverzeichnis i.S.d. § 2314 BGB zu erstellen haben, bei den Nachlassverbindlichkeiten in jedem Fall die Kosten eines streitigen Erbscheinverfahrens anzusetzen. Die Kosten eines nicht-streitigen Erbscheinverfahrens können zwar unter Hinweis auf die Rechtsprechung des LG Neuruppin beim Verzeichnis in Ansatz gebracht werden. Ob dies im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch vom jeweils zuständigen Oberlandesgericht so gesehen wird, ist zweifelhaft.



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