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27.11.2017
Sozialamt darf Rücklage für Bestattung nicht angreifen

Schonbetrag für Bestattung im Schnitt bei 5.000 Euro

Unser Fachanwalt für Erbrecht und Erbrechtsexperte Wolfgang Roth aus Obrigheim erklärt an Hand eines aktuellen sozialgerichtlichen Urteils, dass Rücklagen für die eigenen Bestattungskosten auch bei Verarmung nicht aufgebraucht werden müssen, um Sozialhilfe zu erlangen.

Die Kernaussage des Gerichts: Kein Zugriff des Sozialamts auf Rücklagen für Bestattungskosten

Auch wer Leistungen der Sozialhilfe bezieht, darf Geldmittel für eine angemessene Bestattung zurückzulegen, ohne dass die Sozialbehörde hierauf zugreifen kann. Die genaue Höhe der zu verschonenden Rücklage hängt vom jeweiligen Einzelfall und dem Wunsch des Verstorbenen hinsichtlich der Gestaltung seiner Bestattung ab.

Der entschiedene Sachverhalt:

Die Verstorbene hielt sich bis zuletzt in einem Heim zur Pflege auf und bezog hierfür Leistungen von der Sozialbehörde. Noch einen Monat vor Beginn des Leistungsbezugs hatte sie noch einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen. Dafür zahlte Euro 6.300,- auf ein Treuhandkonto ein. Die Sozialbehörde rechnete allerdings dieses Geld zum Vermögen der Leistungsbezieherin dazu und forderte den über den allgemeinen Schonbetrag hinausgehenden Betrag von ihr per Bescheid zurück. Das Sozialgericht in Gießen weist den beabsichtigten Vermögenszugriff der Sozialbehörde zurück.

Die tragenden Entscheidungsgründe:

Laut dem sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz des § 90 Absatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) XII ist das vollständige verwertbare Vermögen einzusetzen und aufzubrauchen, bevor der Staat Leistung gewährt. Hierzu zählt auch angespartes Vermögen. Allerdings gibt es Vermögensbestandteile, die davon wieder ausgenommen und somit "privilegiert" sind. Die Rücklagen eines Bestattungsvorsorgevertrages können unter Umständen hiervon ausgenommen werden: Sozialhilfe darf dann nicht vom Einsatz oder der Verwertung von Vermögen abhängig gemacht werden, wenn dies für den Hilfeempfänger eine unzumutbare Härte wäre, wie § 90 Absatz 3 SGB XII ausdrücklich vorsieht.

Dafür kommt es auf die "Angemessenheit" der Rücklage an, was jeweils vom Einzelfall abhängt. Eine Pauschalbetrachtung ist nicht möglich. Insbesondere sind die örtlichen Preise einer Bestattung und die Wünsche des Vorsorgenden hinsichtlich seiner Bestattung zu beachten, was aus § 9 SGB XII folgt. Die Höhe des sozialhilferechtlich unantastbaren Betrages ist in der Rechtsprechung streitig, da es hierfür gerade keinen festen Pauschalbetrag gibt.

Die Rechtsprechung nimmt dabei Beträge von Euro 3.200 bis Euro 8.800 an. Mindestens Euro 5.000 sind für die Bestattungsvorsorge zusätzlich zum allgemeinen Schonbetrag von derzeit Euro 2.600 nach § 90 Absatz 2 Nr. 9 SGB XII im Rahmen der Bestattungsvorsorge und den allgemeinen Grundsätzen dem Sozialhilfeempfänger zu belassen, wie das SG Gießen nun urteilte. Da im entschiedenen Fall  das Gesamtvermögen der Hilfeempfängerin geringer als der Gesamtwert von 7.600,- Euro betrug (allgemeiner Schonbetrag: Euro 2.600 + Bestattungsvorsorge: Euro 5.000), verliert das Sozialamt den Prozess vor dem SG Gießen und hat der Leistungsempfängerin die für die Bestattungskosten zurückgelegten Beträge vollständig zu belassen.

Praxishinweis für Sie:

Der Entscheidung ist sehr zu begrüßen, schützt sie doch die Rücklagen für die angemessenen Bestattungskosten, wie Erbrechtsexperte Roth mitteilt. Immer häufiger versucht die Sozialbehörde auf bereits angesparte Rücklagen für eine Bestattungsvorsorge zuzugreifen, um die eigenen Leistungen kürzen oder gar erst dann zahlen zu müssen, wenn die Rücklage zuvor aufgebraucht worden ist. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen fasst die dazu inzwischen ergangene Rechtsprechung, die einen diesbezüglichen Schonbetrag zwischen Euro 3.200 und Euro 8.800 annimmt, zusammen und gibt einen zumindest „mittleren Betrag“ von Euro 5.000 vor.

Ob ein solcher Schonbetrag auch dann gewährt werden kann, wenn der Bestattungsvorsorgevertrag erst zeitlich nach Beantragung der Sozialleistungen abgeschlossen und darauf Gelder eingezahlt werden, war nicht zu entscheiden, da der Vertrag noch einen Monat vor Antragstellung geschlossen worden war. Zur Sicherheit sollte der (künftige) Leistungsbezieher einen solchen Vertrag schon abschließen, noch bevor er den Sozialhilfeantrag stellt.

Fundstelle:

SG Gießen, Urteil vom 25.7.2017 – S 18 SO 160/16 



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