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19.02.2018
Pflichtteil bei Schenkungen - Haftung des Beschenkten

Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Beschenkten gem. § 2329 BGB

Haftung des Erben bei Schenkungen des Erblassers

Der Gesetzgeber hat zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten angeordnet, dass bestimmte Schenkungen vor dem Tod des Erblassers bei der Pflichtteilsberechnung im Rahmen eines sog. Pflichtteilsergänzungsanspruchs (§ 2325 BGB) zu berücksichtigen sind. Hierdurch soll verhindert werden, dass der Erblasser zu Lebzeiten kleinere oder größere Teile seines Vermögens verschenkt, dadurch den pflichtteilsrelevanten Nettonachlass reduziert und so den Pflichtteil entwertet.

Gem. § 2325 Abs. 3 BGB wird eine Schenkung des Erblassers nur im ersten Jahr vor dem Erbfall zu Gunsten des Pflichtteilsberechtigten zu 100 % berücksichtigt. Für jedes weitere Jahr vor dem Erbfall wird der Wertansatz um 10 % reduziert. Dieses sog. Abschmelzungsmodell führt dazu, dass Schenkungen, die länger als zehn Jahre vor dem Tod zurücklagen, bei der Pflichtteilsberechnung unberücksichtigt bleiben. Besonderheiten bestehen bei Schenkungen des Erblassers an seinen Ehegatten und bei Schenkungen, bei denen sich der Erblasser ein Nutzungsrecht (z.B. Nießbrauch oder Wohnungsrecht) vorbehalten hat. Hier greift das Abschmelzungsmodell nicht ein, mit der Folge, dass die Schenkung des Erblassers auch dann berücksichtigt wird, wenn diese längere Zeit als zehn Jahre vor dem Erbfall zurückliegt.

Schuldner des Pflichtteilsergänzungsanspruchs

Der Pflichtteilsberechtigte muss den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB gegenüber dem Allein- oder Miterben geltend machen. Ist der Nachlass überschuldet oder reicht der vorhandene Nettonachlass zur Begleichung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht aus, so haftet der Erbe für den Restbetrag der Pflichtteilsergänzungsforderung nicht. Vielmehr muss der Pflichtteilsberechtigte nunmehr den vom Erblasser Beschenkten gem. § 2329 BGB in Anspruch nehmen, und zwar nicht auf Zahlung des Pflichtteilsbetrages, sondern auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Schenkungsgegenstand.

Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gegen den Erben gem. § 2325 BGB

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB, der gegen den Erben gerichtet ist, beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von den Voraussetzungen des Anspruchs entweder positive Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Dies ist im Regelfall dann der Fall, wenn der Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall, vom Testament und von der ergänzungspflichtigen Schenkung des Erblassers erfahren hat.

Beispiel:

Der im Mai 2017 verstorbene Erblasser hat seinen Sohn testamentarisch enterbt und seiner Tochter eine Eigentumswohnung im Jahr 2010 geschenkt. Das zuständige Nachlassgericht übersendet dem enterbten Sohn im August 2017 eine Kopie des Testamentes. Im Oktober 2017 erfährt der Sohn auf Nachfrage, dass der verstorbene Vater die Eigentumswohnung an die Tochter verschenkt hat. Damit hat der pflichtteilsberechtigte Sohn im Jahr 2017 von den Voraussetzungen seines Pflichtteilsergänzungsanspruchs erfahren. Die Verjährung beginnt deshalb mit dem Schluss des Kalenderjahres 2017. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und endet damit am 31.12.2020.

Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Beschenkten gem. § 2329 BGB

Zum Schutze des Beschenkten ordnet § 2332 Abs. 1 BGB an, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten aus § 2329 BGB – unabhängig von einer Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten – in drei Jahren gerechnet vom Erbfall verjährt.

Beispiel:

Ist der Erblasser am 15.05.2017 verstorben, so verjähren Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beschenkten am 15.05.2020.

Verjährung bei Feststellung der Vaterschaft

Das OLG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 01.12.2017 (Az. I-7 U 151/16 = Zerb 2018, 35) sich mit der Frage zu befassen, wann der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten verjährt, wenn erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist gerichtlich festgestellt wurde, dass der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser abstammt. Der Pflichtteilsberechtigte hat in diesem gerichtlichen Verfahren die Rechtsauffassung vertreten, dass seine Pflichtteilsansprüche gegen den Beschenkten deshalb nicht verjährt seien, weil § 1600 d Abs. 4 BGB eine sog. Rechtsausübungssperre vorsehe. Der Wortlaut dieser Bestimmung lautet:

„Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden.“

Der Rechtsauffassung des Pflichtteilsberechtigten hat sich das OLG Düsseldorf aberv nicht angeschlossen:

Aus Gründen der Rechtssicherheit verjährt der Anspruch aus § 2329 BGB gegen den Beschenkten auch dann, wenn die Abstammung des Pflichtteilsberechtigten noch nicht gerichtlich geklärt ist. Ansonsten bliebe auf lange Zeit ungeklärt, wie lange ein Beschenkter vom Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommen werden kann. Die kenntnisunabhängige dreijährige Verjährungsfrist des § 2332 BGB wurde vom Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit angeordnet, weil ansonsten sich der Beschenkte des Geschenks zu keinem Zeitpunkt gewiss sein kann.

Expertentipp von Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht aus München:

Um die Verjährung zu hemmen, muss der Pflichtteilsberechtigte rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist entweder bei Gericht Klage einreichen oder eine rechtsverbindliche Erklärung des Erben bzw. des Beschenkten erhalten, dass dieser den Bestand des Pflichtteilsanspruchs anerkennt. Die bloße Aufforderung zur Zahlung oder zur Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs – auch wenn sie in einem anwaltlichen Schreiben erfolgt sein sollte – reicht für eine Hemmung der Verjährung nicht aus.



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