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23.07.2018
Bindungswirkung einer wechselseitigen Verfügung

Auslegung einer vermeintlichen Öffnungsklausel

Mit Beschluss vom 20.04.2018 traf das OLG Düsseldorf zum Aktenzeichen I 3 WX 102/17 eine Entscheidung zur Bindungswirkung einer wechselbezüglichen Verfügung im gemeinschaftlichen Testament.

I. Sachverhalt:

  • Die Ehegatten setzten sich für den ersten Erbfall gegenseitig zu Alleinerben ein.
  • Sie verfügten dann darüber hinaus "der Überlebende von uns ist durch dieses Testament nicht beschwert oder beschränkt und kann in jeder Weise frei verfügen".
  • Der Sohn S sollte Schlusserbe sein.
  • Darüber hinaus wurde eine Pflichtteilsstrafklausel in dergestalt verfügt, dass, sollte der Sohn nach dem Erstversterbenden seinen „Erbteil“ verlangen, er nur seinen Pflichtteil erhalten solle. In diesem Fall solle die Enkelin, die Tochter des S, Erbin werden.

 

In einem weiteren eigenhändigen Testament bestimmte die Erblasserin nach dem Tod ihres Mannes die Enkelin als Alleinerbin, beschränkte ihren Sohn auf den Pflichtteil und setzte Vermächtnisse aus.

Unter Berufung auf diese letztwillige Verfügung beantragte die Enkelin den Erlass eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.

Diesen Antrag wies das Nachlassgericht zurück und hob diese Entscheidung auch nach Rechtsmittel der Enkelin nicht auf.

II. Entscheidung des OLG

Das OLG befand, dass das Rechtsmittel der Enkelin statthaft und zulässig sei, aber unbegründet.

Auch das Berufungsgericht sah -wie das erstinstanzliche Amtsgericht- eine wechselbezügliche Verfügung im gemeinschaftlichen Testamentes der Erblasserin und ihres Ehemannes an. Insoweit war das zweite eigenhändige Testament der Erblasserin gemäß § 2289 Abs. 1, S. 2 BGB analog unwirksam.

Nach dem Tod des Erblassers wurde nach Ansicht des OLG die Schlusserbeneinsetzung des gemeinsamen Sohnes bindend; ein Änderungsvorbehalt war für das OLG nicht feststellbar.

Insbesondere ergab sich nach Auslegung des OLG ein solcher nicht daraus, dass der Überlebende „nicht beschwert, beschränkt und in jeder Weise frei verfügen“ können sollte.

Nach Ansicht des OLG folge hieraus nur, dass der überlebende Ehegatte als unbeschränkter Alleinerbe zu Lebzeiten diese Verfügungsbefugnis erhalten sollte.

Eine Konsequenz dergestalt, dass der überlebende Ehepartner eine Änderungsbefugnis für den Schlusserbgang erhalten sollte, war für das OLG aus dieser Formulierung nicht ersichtlich.

Um den Sinn und Zweck der Bindungswirkung und des Vertrauensschutzes der Eheleute untereinander, die ein gemeinsames Testament machen, zu sichern, muss deutlich feststellbar sein, dass ein Vorbehalt -wie der im Testament formulierte- gerade auch die Befugnis beinhaltet, abweichende Verfügungen von Todes wegen zu treffen.

Im vorliegenden Fall war auch die Formulierung "in jeder Weise" für das OLG nicht ausreichend, um hier die Möglichkeit, erneut zu testieren, in das Testament hineininterpretieren zu können.

Nach Ansicht des OLG sprach auch die Stellung der Regelung im Anschluss an die des ersten Erbganges und gerade nicht nach der Regelung zur Schlusserbfolge dafür, dass der Schlusserbfolge durch die Eheleute bei Verfassen des Testamentes ein besonderes Gewicht beigemessen wurde, das durch die davor eröffnete Möglichkeit, frei zu verfügen, nicht betroffen wurde.

Aus dem Testament war daher eine Öffnungsklausel nicht zu entnehmen.

Außerhalb der Urkunde heranzuziehende Umstände konnten im vorliegenden Fall nicht genutzt werden, da der einzige Zeuge, der für außerhalb der Urkunde liegende Umstände in Betracht kam, ein Zeugnisverweigerungsrecht hatte.

Insgesamt war daher auch nach Auffassung des OLG eine Bindungswirkung eingetreten und die Erblasserin konnte nach dem Testament, das sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten aufgesetzt hatte, kein weiteres eigenes Testament wirksam erstellen.

Hinweis des Fachanwalts für Erbrecht Stephan Konrad aus Bielefeld:

Soweit ein privatschriftliches Testament gemacht wird, sollten testierende Eheleute sowohl die Bindungswirkung als auch eine mögliche Öffnungsklausel sehr deutlich formulieren.

Es sollte dann entweder klar ausgeführt sein, in welchem Rahmen der überlebende Ehegatte eine Änderung des Testamentes vornehmen können soll oder ganz deutlich gemacht werden, dass er lediglich zu Lebzeiten frei verfügen kann, nicht aber durch letztwillige Verfügung, da Bindungswirkung beabsichtigt ist.

Nur so werden Auslegungsspielräume sicher geschlossen.



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