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24.9.2018
Vor- und Nacherbschaft

Wann ist eine Verfügung des Vorerben wegen Unentgeltlichkeit unwirksam?

Vor und Nacherbeschaft

Das Recht der Vor- und Nacherbschaft weist viele Restriktionen für den Vorerben auf. So kann er z.B. grundsätzlich nicht über Grundstücke verfügen, wenn der Nacherbe nicht zustimmt, vgl. § 2113 I BGB.

Beispiel:

Der Vorerbe ist im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Es ist ein Vorerbenvermerk im Grundbuch vorhanden. Der Vorerbe verkauft das Grundstück für 500.000,00 € an einen Dritten D. Im Nacherbfall kann der Nacherben an den im Grundbuch eingetragenen D herantreten und die Berichtigung des Grundbuchs durchsetzen, da er der Veräußerung nicht zugestimmt hat und diese durch den Nacherbfall unwirksam geworden ist.

Unentgeltiche Verfügung

Unentgeltliche Verfügungen sind bezüglich aller Nachlassgegenstände - also nicht nur in Bezug auf Grundstücke - unwirksam, es sei denn, auch hier stimmt der Nacherben zu, vgl. § 2113 II BGB.

In der Praxis stellt sich die Frage, wann von einer unentgeltlichen Verfügung ausgegangen werden muss? Reicht es aus, wenn der Wert der Leistung nicht dem Wert der Gegenleistung entspricht? Oder muss zu diesem objektiven Element noch ein subjektives Element hinzukommen?

Beispiel:

Der Vorerbe verkauft ein Grundstück für 500.000,00 € an einen Dritten D. Grundlage hierfür ist ein Gutachten, das zu diesem Wert gelangt. Nur wenige Monate später verkauft der Käufer D das Grundstück weiter und erzielt einen Kaufpresi von 600.00,00 €, ohne dass er Veränderungen am Grundstück vorgenommen hätte. Der Wert des Grundstückes war also objektiv höher als der Kaufpreis, den der Vorerbe erhalten hat.

Mit einem solchen Fall musste sich vor Kurzem das OLG Stuttgart beschäftigen und hat dabei in seiner Entscheidung vom 28. Mai. 2018 in dem Verfahren 8 W 146/18 folgende Grundsätze aufgestellt:

  • Eine Verfügung i.S.v. § 2113 II BGB ist unentgeltlich, wenn der Vorerbe - objektiv - ohne gleichwertige Gegenleistung einen Nachlassgegenstand überträgt und er - subjektiv  - weiß, dass ihm hierfür keine gleichwertige Gegenleistung zufließt oder er dies hätte erkennen müssen.
  • Bei der Abwägung von Leistung und Gegenleistung ist dem Vorerben aber ein Ermessensspielraum zuzubilligen, der regelmäßig nicht überschritten ist, wenn sich die Kaufpreisfindung an einem Wertgutachten des Gutachterausschusses orientiert.

Im letztgenannten Beispeilsfall kann der Nacherbe mangels unentgeltlicher Leistung i.S.v. § 2113 II BGB daher nicht die Berichtigung des Grundbuches verlangen.

Tipp von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Armin Abele aus Reutlingen

Wenn Sie eine Immobilie von einem Vorerben aus dem Nachlass erwerben, achten Sie immer darauf, dass der Nacherbe dem Verkauf zustimmt. Zumindest sollten Sie sich ein "amtliches" Gutachten (entweder Gutachterausschuss oder öffentlich bestellter und vereidigter Grundstückssachverständiger) vorlegen lassen, aus dem sich der Wert des Grundstückes (=Kaufpreis oder höher) ergibt.



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