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26.02.2019
Testament - Bedingung - Sittenwidrigkeit

Sittenwidrige Verknüpfung zwischen Erbeinsetzung und Besuchspflicht

"Erbe wird nur, wer mich regelmäßig besucht."

In einem vom Oberlandesgericht Frankfurt a. M. in zweiter Instanz entschiedenen Fall hatte das Gericht über die Wirksamkeit eines handschriftlichen Testaments zu befinden, in dem der Erblasser seine Ehefrau und seinen Sohn aus erster Ehe zu jeweils 1/4-Anteil einsetzte. Die andere Hälfte hatte der Erblasser seinen beiden Enkeln zu gleichen Teilen zugedacht, dies aber, so wörtlich, „nur dann, wenn sie mich regelmäßig, d. h. mindestens sechsmal im Jahr, besuchen … Sollte das nicht der Fall sein, d. h. mich keiner besuchen, werden die restlichen 50 % zwischen meiner Ehefrau und meinem Sohn aufgeteilt.“

 Den Familienangehörigen war dieses Testament zu Lebzeiten des Erblassers bekannt, gleichwohl erfüllten die damals noch minderjährigen Enkel die Besuchspflicht und die jährliche Besuchsanzahl nicht. Nach dem Tod des Erblassers beantragten seine Ehefrau und der Sohn unter Berufung auf die nicht erfüllte Besuchspflicht der Enkel die Erteilung eines Erbscheins, der sie als alleinige Miterben je zur Hälfte ausweisen sollte. In erster Instanz hatte das Nachlassgericht diesem Antrag auch entsprochen und den beantragten Erbschein zu Gunsten der Ehefrau und des Sohnes des Erblassers erteilt. Hiergegen legten die beiden Enkel Beschwerde ein, die vor dem Oberlandesgericht dann auch Erfolg hatte.

Grenzen der Testierfreiheit

Das Oberlandesgericht verwies auf die zwar im Grundgesetz geschützte Testierfreiheit eines Erblassers, der nach ein jeder die Erbfolge nach seinen eigenen persönlichen Vorstellungen gestalten könne. Das Oberlandesgericht allerdings hielt die vom Erblasser aufgestellte Bedingung im Zusammenhang mit den den Enkeln auferlegten Besuchspflichten für sittenwidrig und deswegen für unwirksam.

Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung

Die Sittenwidrigkeit einer Bedingung könne zwar nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden, nach Auffassung des Oberlandesgerichts sei diese Grenze aber dann überschritten, wenn die vom Erblasser erhobene Bedingung unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Umstände die Entschließungsfreiheit der Zuwendungsempfänger unzumutbar unter Druck setze und durch das in Aussicht stellen von Vermögensvorteilen Verhaltensweisen bewirkt werden sollen, die regelmäßig eine freie innere Überzeugung des Handelnden voraussetzen.

Maßgeblich ist der Einzelfall

Es seien die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, die erkennen lassen müssten, ob der Erblasser durch einen wirtschaftlichen Anreiz in einer gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßenden Weise ein bestimmtes Verhalten zu „erkaufen“ versucht, führt das Oberlandesgericht aus:

  • Grundsätzlich sei nach Auffassung des Oberlandesgerichts zwar nichts gegen den Wunsch einzuwenden, seine Enkelkinder in regelmäßigen Abständen zu sehen, in der im Testament gewählten Form habe der Großvater jedoch tatsächlich seine seinerzeit noch dazu minderjährigen Enkelkinder durch das Inaussichtstellen der Erbenstellung nur im Falle regelmäßiger Besuche dem Druck ausgesetzt, zur Erlangung dieses Vermögensvorteils zwingend die im Testament genannten Bedingungen einzuhalten. 
  • Maßgeblich sei nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts auch, dass es vorliegend um erhebliche Vermögensvorteile gegangen sei und der Erblasser durch dieses Druckmittel gerade ein Verhalten seiner noch minderjährigen Enkelkinder erreichen wollte, das regelmäßig deren innere und freie Überzeugung voraussetzt. 
  • Eine solche Einflussnahme des Erblassers auf die Entschließungsfreiheit seiner Enkelkinder sei von der Rechtsordnung auch im Hinblick auf die Testierfreiheit des Erblassers nicht gedeckt und damit als sittenwidrig und nichtig einzuordnen, so im Ergebnis das Oberlandesgericht.

Folge der sittenwidrigen Erbeinsetzung

Die Nichtigkeit der Besuchsbedingung führt im Ergebnis aber nicht etwa zur Nichtigkeit der Erbeinsetzung der Enkelkinder. Hätte der Erblasser gewusst, dass die von ihm auferlegte Besuchsbedingung unwirksam wäre, sei davon auszugehen, so das Oberlandesgericht, dass er seine beiden Enkelkinder gleichwohl zu Miterben eingesetzt hätte, wofür nach Auffassung des Oberlandesgerichts gerade die von ihm gewünschte enge Bindung zu den Enkeln spreche.

Tipp von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Kharim-Oliver Elmasry aus Kiel

Im Hinblick auf die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen ein Testament wirksam ist, sollten Sie sich im Einzelfall sorgfältig und rechtzeitig durch einen Notar oder einen Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen. Nur so kann vermieden werden, dass es im Erbfall zu Unklarheiten und/oder Streitigkeiten zwischen den zu Erben bestimmten Personen kommt. Weiterführende Informationen zur Erbeinsetzung finden sie hier.



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