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22.8.2006

Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht

Eltern, deren Kinder zur Verschwendung neigen oder überschuldet sind, suchen oftmals nach einer Möglichkeit, das Familienvermögen den Nachkommen zu erhalten. Die �gut gemeinte� Pflichtteilsbeschränkung (§ 2338 BGB) ist ein in der Praxis vernachlässigtes � Gestaltungsmittel, um dieses Ziel zu verwirklichen.

I. Zweck der Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht
Ziel einer �gut gemeinten� Pflichtteilsbeschränkung (§ 2338 BGB) ist es, das Familienvermögen zu Gunsten der Abkömmlinge und deren Erben zu erhalten. Durch eine Art �Zwangsfürsorge� wird der spätere Nachlass vor der Verschwendungssucht des Erben oder vor dem Zugriff seiner Gläubiger weitgehend bewahrt. Die Pflichtteilsbeschränkung führt dabei nicht zum Verlust des Pflichtteilsrechts, hat also keinen strafenden, sondern einen fürsorglichen Charakter. Sie ist nur gegenüber Abkömmlingen, nicht gegenüber Eltern und Ehegatten des Erblassers zulässig.

II. Vorrausetzungen der Pflichtteilsbeschränkung
Durch die Verschwendungssucht oder die Überschuldung muss sich eine �erhebliche Gefährdung des Erwerbs� ergeben. Eine solche liegt vor, wenn im konkreten Einzelfall objektiv zu erwarten ist, dass der Erwerb entweder durch die Gläubiger des Abkömmlings gepfändet und verwertet oder durch den Abkömmling selbst vergeudet wird und auf diese Weise im Ergebnis verloren geht (Baumann, ZEV 1996, 121, 122).

Unter �Verschwendungssucht� ist ein die Lebensweise des Pflichtteilsberechtigten prägender Hang zur zweck- und nutzlosen Vermögensverwendung zu verstehen. Im Rahmen einer Gesamtschau müssen sich erhebliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Betroffene das ihm zugewandte Vermögen ganz oder zumindest größtenteils vergeuden wird. Das Heraufbeschwören einer Notlage oder eine Betreuungsbedürftigkeit ist nicht erforderlich. Ein großzügiger Lebensstil oder ein Leben über die Verhältnisse reichen nicht aus (BGH, NJW 2000, 2347 zur �Verschwendung� i.S. von § 1375 II Nr. 2 BGB).

�Überschuldung� liegt analog §§ 11, 19 II, 320 InsO vor, wenn die Verbindlichkeiten das Aktivvermögen übersteigen. Maßgeblich ist nur die Höhe der Schulden, nicht deren Art. Eine hohe Überschuldung (z. B. eines Berufsanfängers mit guter Zukunftsaussicht) muss aber nicht notwendig den späteren Erwerb gefährden (Soergel/Dieckmann, BGB, 13. Aufl., 2002, § 2338 Rdnr. 5).
Der Beschränkungsgrund muss in der Person des Pflichtteilsberechtigten bereits bei der Errichtung der beschränkenden Verfügung bestehen und (noch oder wieder) beim Erbfall vorliegen (§ 2338 II 2 BGB). Der jeweilige Sachverhaltskern ist in der letztwilligen Verfügung anzugeben. Die Beweislast für das Bestehen des Beschränkungsgrundes im Errichtungszeitpunkt trägt derjenige, der sich auf die Wirksamkeit der Anordnung beruft (§ 2336 III BGB), in der Regel also der Testamentsvollstrecker, Nacherbe oder Nachvermächtnisnehmer. Der Erblasser sollte deshalb die relevanten Informationen umfassend dokumentieren. Die Anordnungen sind unwirksam, wenn beim Erbfall der Abkömmling sich dauerhaft von der Verschwendungssucht abgewandt hat bzw. seine Überschuldung nicht mehr besteht; hierfür trägt er die Beweislast.

III. �Numerus clausus� der Gestaltungsmöglichkeiten
Der Erblasser kann im Rahmen des § 2338 BGB dem Abkömmling weder den Pflichtteil entziehen noch im Betrag kürzen. Er kann vielmehr nur die gesetzlichen Erben des Abkömmlings zu Nacherben oder Nachvermächtnisnehmern berufen (§ 2338 I 1 BGB) und/oder den Nachlass der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers unterstellen (§ 2338 I 2 BGB).

Bei Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge ist die Vorerbschaft vor dem Zugriff der Eigengläubiger des Abkömmlings geschützt (§ 2115 BGB). Nutzungen der Erbschaft werden in den Grenzen des § 863 ZPO dem Pfändungszugriff entzogen. Der Abkömmling kann über die Vorerbschaft letztwillig nicht verfügen. Da die Nacherben gegen lebzeitige Verfügungen durch die §§ 2113 ff. BGB nur unvollkommenen geschützt sind, empfiehlt es sich, zusätzlich Testamentsvollstreckung anzuordnen.

Hat der Abkömmling ein Vermächtnis erhalten oder wegen Enterbung bzw. nach Ausschlagung den Pflichtteil geltend gemacht, so kann für diesen Anspruch ein Nachvermächtnisnehmer bestimmt werden. Da aber die §§ 2113 - 2115 BGB, 863 ZPO hierfür nicht gelten, ist der Nachvermächtnisnehmer weder vor Gläubigern des Abkömmlings noch vor dessen lebzeitigen Verfügungen geschützt. Von einer reinen Nachvermächtnislösung � ohne gleichzeitige Testamentsvollstreckung � ist deshalb dringend abzuraten (Baumann, ZEV 1996, 121, 125).

Der Erblasser kann auf Lebzeiten des Abkömmlings Verwaltungstestamentsvollstreckung (§ 2209 BGB) anordnen. Hierdurch entzieht er dem Abkömmling das Verfügungsrecht unter Lebenden (§ 2211 BGB) und den Eigengläubigern den Zugriff auf den Nachlass (§ 2214 BGB, § 863 ZPO). Der Abkömmling hat Anspruch auf Auszahlung des jährlichen Reinertrags (§ 2338 I 2 Halbs. 2 BGB). Nur durch Kombination der Nacherbschaft mit einer Verwaltungsvollstreckung wird der maximale Schutz des Familienvermögens erreicht.

IV. § 2338 BGB als lex specialis zu § 2306 BGB
In den von § 2338 BGB gezogenen Grenzen kann der Erblasser den Pflichtteil des Abkömmlings durch eine Nacherbschaft, ein Nachvermächtnis oder eine Testamentsvollsteckung beschränken, ohne dass hierdurch die Rechtsfolgen des § 2306 BGB ausgelöst werden. Entgegen § 2306 I 1 BGB fallen also angeordnete Beschränkungen nicht weg. Schlägt der Abkömmling im Fall des § 2306 I 2 BGB aus, kann er nach einer Ansicht wegen § 2338 BGB den Pflichtteil nicht verlangen, nach einer anderen Meinung gehen die angeordneten Beschränkungen auf seinen Pflichtteilsanspruch über (zum Streitstand vgl. Zimmermann, Der Verlust der Erbschaft, 2006, Rdnr. 291). Überschreitet der Erblasser die Beschränkungsmöglichkeiten des § 2338 BGB, kommen die Rechtsfolgen des § 2306 BGB wieder voll zum tragen.

V. Fazit
Die �gut gemeinte� Pflichtteilsbeschränkung findet in der Gestaltungspraxis � gemessen an einschlägigen Lebenssachverhalten zu wenig Beachtung. Grund hierfür mag eine verbreitete Unkenntnis über den Inhalt des § 2338 BGB sein und dessen beengter Gestaltungsrahmen. Es wäre rechtspolitisch wünschenswert (so Baumann, ZEV 1996, 121, 126), den Anwendungsbereich über die Verschwendungssucht und Überschuldung des Abkömmlings hinaus zum einen auf vergleichbare Interessenlagen (wie z. B. Rauschgift- oder Trunksucht, Behinderung) und zum anderen auf pflichtteilsberechtigte Ehegatten zu erweitern.

Rechtsanwälte Florian Enzensberger, Weilheim/Obb.,
und Bernhard F. Klinger, München



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