24.1.2006
Die Europäische Kommission hält die deutschen Rechtsvorschriften über den Ort der Besteuerung der Dienstleistungen von Testamentsvollstreckern sowie die darauf beruhende Verwaltungspraxis für europarechtswidrig. Nach deutschem Recht gilt als Ort der Dienstleistung eines Testamentsvollstreckers der Ort, von dem aus der Unternehmer seine Leistungen erbringt. Die EU-Kommission geht jedoch davon aus, dass der Testamentsvollstrecker eine mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts vergleichbaren Dienstleistungen erbringt; infolgedessen hat nach der Mehrwertsteuerregelung der Europäischen Gemeinschaft die Besteuerung am Wohnort beziehungsweise Niederlassungsort des Kunden zu erfolgen.Die EU-Kommission hält die deutsche Regelung zur Besteuerung der Dienstleistungen von Testamentsvollstreckern für rechtswidrig
Als Ort, an dem eine Dienstleistung erbracht und daher besteuert wird, gilt nach Art. 9 der Sechsten MwSt-Richtlinie (77/388/EEC) in der Regel der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat. Allerdings sind von diesem Grundsatz verschiedene Dienstleistungen ausgenommen, unter anderem etwa Dienstleistungen von Rechtsanwälten. Zwar richtet sich in diesen Fällen der Ort der Dienstleistung und somit der Besteuerung jeweils danach, wo der Kunde seinen Wohnsitz beziehungsweise seine Niederlassung hat und welche Rechtsstellung der Dienstleistungsempfänger besitzt. Generell gilt bei Lieferungen nicht körperlicher Gegenstände jedoch das Land des Dienstleistungsempfängers als Ort der Dienstleistung.
Demgegenüber gehen die Verwaltungsvorschriften der deutschen Steuerbehörden davon aus, dass Dienstleistungen von Testamentsvollstreckern immer als an dem Ort erbracht, an dem diese ihre Tätigkeit ausüben. Infolgedessen erbringen aus deutscher Sicht auch Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die als Testamentsvollstrecker auftreten, diese Dienstleitungen am Ort ihrer Niederlassung und nicht am Ort des Dienstleistungsempfängers. Begründet wird dies damit, dass ein Testamentsvollstrecker - anders als ein Rechtsanwalt - in der Regel keine beratende Tätigkeit ausübe. Auch verfolgten die Leistungen eines Testamentsvollstreckers mit denen eines Rechtsanwalts unterschiedliche Zielsetzungen.
Weil nach Ansicht der EU-Kommission die Testamentsvollstreckertätigkeit in aller Regel von Rechtsanwälten ausgeübt würde, verstoße dieses Vorgehen der deutschen Steuerbehörden gegen europarechtliche Vorgaben. Der Testamentsvollstrecker vertrete genauso wie der Rechtsanwalt die Interessen einer Person.
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