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Erbvertrag: Bindende Regelungen für die Nachfolgeplanung

Ein Erbvertrag ermöglicht es den Vertragsparteien, verbindliche Regelungen für die Rechtsnachfolge zu treffen. Er bietet Rechtssicherheit, besonders bei erbrachten oder geplanten Leistungen wie Pflege oder Mitarbeit in einem Unternehmen. Ein Erbvertrag ist ideal, wenn Verfügungen nicht einseitig abänderbar sein sollen und eine verlässliche Nachfolgeplanung sichergestellt werden soll.

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Autor dieser Seite:

Birgit Funke
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht in Aachen
Das Wichtigste zum Erbvertrag
  • Ein Erbvertrag muss notariell beurkundet werden und kann zwischen mehreren Personen geschlossen werden.
  • Bindende erbrechtliche Anordnungen sind unwiderruflich, wenn kein Rücktritts- oder Änderungsvorbehalt im Vertrag enthalten ist.
  • Der Vertrag muss mindestens eine bindende erbrechtliche Anordnung enthalten, kann aber auch nichtbindende Verfügungen enthalten.
  • Der Testator kann über das Vermögen weiterhin verfügen, jedoch hat der Vertragserbe nur eine Erwerbsaussicht.
  • Ersatzansprüche können entstehen, wenn der Erblasser Vermögen verschenkt, ohne ein rechtfertigendes Eigeninteresse zu haben.

1. Was sind die Unterschiede zwischen Testament, Ehegattentestament und Erbvertrag?

  1. Das Testament ist eine einseitige Verfügung von Todes wegen ('letztwillige Verfügung'), mit der der Erblasser einen Erben bestimmen und auch weitere Anordnung treffen kann.

    Beim Ehegattentestament, das nur von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern gemeinschaftlich in einer Urkunde errichtet werden kann, treffen die Ehegatten zwar auch einseitige Verfügungen, sie können sie jedoch so miteinander verknüpfen, dass die eine Verfügung mit der anderen 'stehen und fallen' soll.

    In einem Erbvertrag, der zwischen zwei oder mehr Vertragsparteien abgeschlossen werden kann, können die Vertragsparteien vertragsmäßig bindende Verfügungen treffen.

  2. Jeder Testator kann sein Einzeltestament jederzeit durch ein neues Testament frei ändern oder aufheben. Die Aufhebung kann auch durch Vernichtung des Testaments erfolgen. Handelt es sich um ein notariell beurkundetes Testament, gilt dieses als widerrufen, wenn es aus der amtlicher Verwahrung genommen wird. Dies gilt bei privatschriftlichen Testamenten nicht.

      Gestaltungsmöglichkeiten im Einzeltestament - Weitere Informationen

    Ehegatten können das gemeinschaftliche Testament nur gemeinsam ändern oder aufheben. Ebenso können sie es auch nur gemeinsam aus der amtlichen Verwahrung nehmen. Auch in diesem Fall gilt die Widerrufsfiktion nur bei einem notariell beurkundeten, nicht bei einem privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testament.

      Das gemeinschaftliche Testament, Ehegattentestament, Berliner Testament - Weitere Informationen

    Ein Erbvertrag kann demgegenüber in der Regel nur von allen Vertragsparteien gemeinsam abgeändert oder aufgehoben werden. Das muss in einer notariellen Urkunde geschehen. Ansonsten ist eine einseitige Korrektur oder Aufhebung der Vereinbarung nur möglich, wenn der Vertrag ausdrücklich einen entsprechenden Rücktritts- oder Änderungsvorbehalt enthält.

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2. Welche Arten des Erbvertrages gibt es?

Ein Erbvertrag liegt nur dann vor, wenn mindestens durch eine Vertragspartei mindestens eine erbrechtliche Verfügung mit vertragsmäßig bindender Wirkung getroffen wurde.

Es gibt zwei Arten von Erbverträgen, einseitige und gegenseitige bzw. mehrseitige.

Bei einseitigen Erbverträgen trifft die eine Vertragspartei zu Gunsten der anderen oder einer dritten Person eine erbrechtliche Anordnung für sein Ableben, die sich auf einen Teil oder sein ganzes Vermögen beziehen kann. Die andere Vertragspartei nimmt diese Verpflichtungserklärung nur an, ohne seinerseits eine erbrechtlich bindende Verfügung zu treffen. Dadurch wird die erbrechtliche Anordnung für die erste Vertragspartei bindend und kann nicht mehr ohne Mitwirkung der anderen Vertragspartei geändert oder aufgehoben werden, wenn dies im Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehen ist.

So kann ein Testator seinen Vertragspartner oder einem Verwandten von diesem einen bestimmten Gegenstand, zum Beispiel einen PKW, durch die Anordnung eines Vermächtnisses zuwenden, so dass er gehindert ist, diesen Gegenstand testamentarisch einer anderen Person zukommen zu lassen.

Stirbt der Vertragspartner vor dem Erblasser, kann dieser von der einseitigen Verfügung frei zurücktreten und neu testieren.

Bei gegenseitigen Erbverträgen treffen mindestens zwei Vertragsparteien vertragsmäßig bindende Verfügungen für den Fall ihres Ablebens. In der Regel nimmt die eine Vertragspartei die erbrechtliche Anordnung gerade deshalb vor, weil auch die andere eine solche im Interesse der ersten Vertragspartei trifft und umgekehrt. Beispielsweise können sich die Vertragsparteien wechselseitig zu Alleinerben einsetzen. Zwei Gesellschafter eines Unternehmens können sich wechselseitig vermächtnisweise Sonderbetriebsvermögen zuwenden, um den Fortbestand des Unternehmens nach dem Ableben eines Gesellschafters zu sichern. Es ist aber auch denkbar, dass beide Vertragsparteien Vermächtnisse zugunsten nicht am Vertrag beteiligter Personen, z.B.  für Kindern oder sonstige Verwandte niederlegen.

  Alleinerbe - Bedeutung und Erklärung

3. Wie wird ein Erbvertrag geschlossen?

Für den Abschluss eines Erbvertrages sind mindestens zwei Personen erforderlich. Der Vertrag muss notariell beurkundet werden.

Der Vertragspartner, der als Erblasser eine erbrechtliche Verfügung trifft, muss volljährig und uneingeschränkt geschäftsfähig sein.

Jede Person, die in dem Erbvertrag eine erbrechtliche Verfügung trifft, muss bei der Beurkundung persönlich anwesend sein. Der Vertragspartner, der keine letztwillige Verfügung trifft, kann sich vertreten lassen, selbst wenn er eine Gegenleistung verspricht. Der Vertrag kann dann sogar auch durch einen vollmachtlosen Vertreter geschlossen und später durch den Vertretenen notariell beglaubigt genehmigt werden.

4. Welche erbrechtlichen Anordnungen können in einem Erbvertrag vertraglich bindend getroffen werden?

Das ist ausdrücklich in § 2278 Abs. 2 BGB geregelt: Danach können in einem Erbvertrag nur

vertragsmäßig bindend getroffen werden, andere Verfügungen nicht.

Auch wenn in § 2278 Abs. 2 BGB nicht erwähnt, kann nach § 83 BGB auch

  • ein Stiftungsgeschäft

in einem Erbvertrag vertragsmäßig vorgenommen werden.

Andere als diese vorgenannten Verfügungen, z.B. Teilungsanordnungen oder die Anordnung einer Testamentsvollstreckung, sind lediglich einseitige Verfügungen und jederzeit frei widerruflich.

Da die obigen Verfügungen zwar vertragsmäßig getroffen werden können, aber nicht müssen, ist in jedem Fall zu prüfen, ob die betreffende Verfügung vertragsmäßig oder einseitig getroffen wurde. Es empfiehlt sich insoweit, eindeutige Formulierungen oder Klarstellungen in den Erbvertrag aufzunehmen, um spätere Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden. 

  Teilungsanordnung - Bedeutung und Erklärung

5. Kann der Erblasser den Erbvertrag ohne Mitwirkung des Vertragspartners widerrufen?

Der Widerruf eines Erbvertrages wird im Gesetz als Rücktritt bezeichnet. Ein Rücktritt vom ganzen Erbvertrag oder von einzelnen erbvertraglich bindend getroffenen Anordnungen ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn sich der Erblasser den Rücktritt im Erbvertrag nicht ausdrücklich vorbehalten hat.
Diese Rücktrittsmöglichkeit darf aber nicht völlig frei, also ohne jede Bedingung vereinbart worden sei. Dann fehlt es nämlich bereits an der notwendigen bindenden erbrechtlichen Verfügung im Sinne des Gesetzes, die Voraussetzung für die Qualifikation des Vertragsinhalts als Erbvertrag ist.

Beispielsweise kann das Recht zum Rücktritt vom Vertrag davon abhängig gemacht werden, dass der Vertragspartner bis zu einem bestimmten Alter eine bestimmte Berufsausbildung abgeschlossen hat. Gelingt dies nicht, kann der Rücktritt erklärt werden.

Im Übrigen ist der Erblasser nur unter den Voraussetzungen der §§ 2294 und 2295 BGB zum Rücktritt berechtigt.

Die Rücktrittserklärung muss für ihre Wirksamkeit notariell beurkundet und der betroffenen Vertragspartei zugestellt werden.

 

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6. Kann man einen Erbvertrag anfechten?

Ein Erbvertrag kann vom Erblasser angefochten werden, wenn

  • er bei Vertragsschluss über den Inhalt des Vertrages geirrt hat (sog. Erklärungsirrtum),
  • er die vertragliche Verfügung aufgrund von Motiven getroffen hat, die er auf einer falschen Vorstellung der Wirklichkeit gebildet hat (sog. Motivirrtum),
  • er von einer Vertragspartei durch Täuschung oder Drohung zum Vertragsschluss gebracht worden ist, oder
  • eine zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bekannte pflichtteilsberechtigte Person durch die Erbregelung übergangen worden ist.

Solange der andere Vertragspartner noch lebt, ist die Anfechtung stets diesem gegenüber zu erklären. Nur wenn der Vertragspartner bereits verstorben ist und ein Dritter begünstigt wurde, ist die Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht zu erklären.

Nach dem Ableben des Testators kann der Vertrag auch von Dritten angefochten werden, wenn der Erblasser zur Anfechtung berechtigt gewesen wäre und Ihnen die Anfechtung zugutekommen würde.

Die Anfechtung kann nur binnen eines Jahres ab Kenntnis der Umstände erklärt werden, die die Anfechtung begründen. Das ist also bei einem Erklärungs- und Motivirrtum sowie bei der Täuschung der Zeitpunkt, in dem der Irrtum erkannt wird. Bei einer Drohung beginnt die Frist in dem Zeitpunkt, in dem die Wirkung der Zwangslage entfällt.

  Motivirrtum - Bedeutung und Erklärung

7. Welche Auswirkungen hat ein Erbvertrag auf Pflichtteilsansprüche am Nachlass?

Es ergeben sich keine Besonderheiten für Pflichtteilsansprüche, wenn erbrechtliche Regelungen in einem Erbvertrag geschlossen werden. Pflichtteilsansprüche entstehen unter den gleichen Voraussetzungen wie bei jeder anderen Form von testamentarischen Anordnungen. Insoweit kommt es nur auf den Inhalt der erbrechtlichen Regelung an und nicht in welcher Form sie getroffen worden ist.

8. Was meint die Bindungswirkung beim Erbvertrag und wie kann ein Erbvertrag widerrufen werden?

Bei einem Erbvertrag handelt es sich, wie der Name schon sagt, um einen Vertag zwischen mindestens zwei Personen. Demzufolge hat ein Erbvertrag eine hohe Bindungswirkung und kann nicht einseitig geändert oder widerrufen werden – weder vom Testierenden noch von der oder den anderen Vertragsparteien. Dem Testierenden ist es außerdem nicht erlaubt, nach Errichtung des Erbvertrages weitere letztwillige Verfügungen zu errichten, die den im Erbvertrag getroffenen Vereinbarungen widersprechen.

Aufgrund der hohen Bindungswirkung kann ein Erbvertrag also nicht einseitig widerrufen werden. Es gibt allerdings verschiedene Möglichkeiten, wie sich der Erblasser von der Bindungswirkung des Erbvertrags lösen kann:

  1. Sind alle Vertragsparteien einverstanden, kann der Erbvertrag einvernehmlich aufgehoben oder auch nachträglich verändert werden. Dazu ist ein notarieller Aufhebungs- bzw. Änderungsvertrag notwendig.
  2. Ein zwischen Ehegatten geschlossener Erbvertrag wird unwirksam, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden wurde oder der Erblasser die Scheidung entweder beantragt oder ihr zugestimmt hat.
  3. Hat sich der Erblasser im Erbvertrag ein Rücktrittsrecht vorbehalten, kann er vom Erbvertrag zurücktreten.
  4. In manchen Fällen kann sich der Erblasser auf ein sogenanntes gesetzliches Rücktrittsrecht berufen. Macht sich der Erbe beispielsweise eines Verbrechens schuldig, das den Erblasser zur Pflichtteilsentziehung berechtigen würde, kann der Erblasser den Erbvertrag aufheben lassen.
  5. Wurde der Erblasser bei Abschluss des Erbvertrages getäuscht oder bedroht, hat er das Recht, den Erbvertrag im Nachhinein anzufechten. Auch, wenn der Erblasser beispielsweise erst nach Abschluss des Erbvertrages von weiteren Erbberechtigten erfährt oder weitere Erbberechtigte geboren werden, kann er die Anfechtung des Erbvertrags anstreben. Zu beachten ist, dass eine Anfechtung einer notariellen Beurkundung bedarf und der Erblasser ab Kenntniszeitpunkt des Anfechtungsgrundes innerhalb eines Jahres aktiv werden muss.

9. Wann macht ein Erbvertrag Sinn?

Ein Erbvertrag ist sinnvoll, wenn

  • mindestens eine Person sich mit bindender Wirkung verpflichten will, für den Fall ihres Ablebens einer oder mehreren Personen erbrechtlich einen Vermögenswert zukommen zu lassen;
  • eine Vertragspartei, die für den Erblasser lebzeitig bereits Leistungen erbracht hat oder zukünftig erbringen soll (Pflege, Mitarbeit im Betrieb), eine verbindliche erbrechtliche Aussicht auf Vermögenserwerb nach dem Todesfall erhalten soll.

Was ein Erbrechtsexperte für Sie tun kann:

  • Beratung, welche Verfügung von Todes wegen für Sie und ihre Erben am besten geeignet ist
  • Rechtssichere Formulierung von Testamenten und Erbverträgen nach Ihren Vorgaben
  • Unterstützung beim Widerruf oder Rücktritt von früheren, nicht mehr sinnvollen Verfügungen
  • Anfechtung von Testamenten und Erbverträgen

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