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Der Erbschein - Legitimation des rechtmäßigen Erben

Nach dem Tod eines Menschen treten seine Rechtsnachfolger, die Erben, an seine Stelle. Ob der Verstorbene von jemandem alleine oder von mehreren Personen beerbt wurde, verbrieft ein Erbschein. Der Erbschein ist das Zeugnis des Nachlassgerichts und gibt an, wer Erbe wurde und ob es Beschränkungen der Erben (z. B. durch eine Testamentsvollstreckung oder eine Nacherbschaft) gibt. Der Erbschein bestätigt den oder dem Erben, dass er die Erbenstellung erlangt hat.

Das Wichtigste in Kürze:
  • Der Erbschein hat Legitimationswirkung: Zum einen wird zugunsten des im Erbschein als Erbe Ausgewiesenen vermutet, dass ihm das Erbrecht zusteht und dass er durch keine anderen als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist (Vermutungswirkung). Zum anderen gilt zugunsten redlicher Dritter der Inhalt des Erbscheins als richtig (öffentlicher Glaube). Dies ermöglicht einen gutgläubigen Erwerb oder eine Leistung mit befreiender Wirkung auch dann, wenn sich später herausstellt, dass in Wahrheit jemand anders Erbe geworden war.
  • Einen Erbschein erhält man nicht automatisch. Er muss ausdrücklich beim Nachlassgericht beantragt werden, wenn gesetzliche Erbfolge eingetreten ist oder nur ein handschriftliches Testament vorliegt.
  • Über den zu erteilenden Erbschein entscheidet innerhalb des Nachlassgerichts der Richter, wenn ein Testament oder ein Erbvertrag vorhanden ist. Ist gesetzliche Erbfolge eingetreten, entscheidet der Rechtspfleger über den beantragten Erbschein.

1. Wozu braucht man einen Erbschein?

Video


In diesem Video erläutert Regina Daubenschüz, Fachanwältin für Erbrecht in Mannheim, wofür man eigentlich einen Erbschein benötigt.

Der Erbschein dient als „Ausweis“ für die Erben, die darin benannt sind, um sich im Rechtsverkehr zu legitimieren. Das, was im Erbschein steht, gilt als richtig; umgekehrt heißt das aber auch, dass dasjenige, was im Erbschein nicht beinhaltet ist, als nicht angeordnet gilt (Beispiel: Wer Erbe sein möchte, aber im Erbschein nicht ausgewiesen ist, kann sich in der Öffentlichkeit nicht auf seine Erbenstellung berufen).

Der Erbschein hat also sogenannten öffentlichen Glauben: Das bedeutet, dass der Inhalt des Erbscheins als richtig unterstellt wird, bis jemand das Gegenteil beweist und einen Erbschein mit einem anderen Inhalt erhält.

  Öffentlicher Glaube - Weitere Informationen

Wer einen Erbschein vorlegen kann, z. B. bei Banken, dem Grundbuchamt, Ämtern, Behörden usw., verschafft seinem Gegenüber damit die Sicherheit, dass jener auf die Richtigkeit des Erbscheininhalts vertrauen darf. Die Sicherheit im Rechtsverkehr ist mit dem Erbschein daher gewährleistet.
Vor allem die "Umschreibung" von Immobilien (Grundbuchberichtigung) des Verstorbenen auf den im Erbschein ausgewiesenen Erben beim Grundbuchamt kann nur mit einem Erbschein vollzogen werden. Der Nachweis der Erbfolge kann beim Grundbuchamt nämlich nur durch einen Erbschein, ein Europäisches Nachlasszeugnis oder einer notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen nachgewiesen werden.
Banken zahlen die Guthaben aus Konten, Sparbriefen, Geldanlagen des Verstorbenen nur an denjenigen aus, der im Erbschein als Erbe bezeichnet ist.
Dasselbe gilt bei Versicherungen, die bei entsprechendem Bezugsrecht „an die Erben“ Leistungen an diese auszahlen dürfen. Die im Erbschein Genannten können auch aus dem Nachlass unter Berufung auf den Erbschein Gegenstände verkaufen, denn sie weisen sich als Nachfolger des Verstorbenen aus.

2. Wen weist der Erbschein aus?

Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis des Nachlassgerichts. Er ist ein Legitimationspapier für die Erben, dass sie und niemand sonst Erbe des Erblasser geworden sind.
Je nachdem, ob eine oder mehrere Personen erben, und je nach den besonderen Verhältnissen in der Erbengemeinschaft wird

  • ein Erbschein für einen Alleinerben,
  • ein gemeinschaftlicher Erbschein für sämtliche Miterben,
  • ein quotenloser Erbschein, in dem zwar sämtliche Miterben, nicht aber deren Erbquoten genannt werden,
  • ein Teilerbschein über den Erbteil eines Miterben oder
  • ein gemeinschaftlicher Teil- oder Gruppenerbschein für mehrere Miterben

ausgestellt.

Im Erbschein werden auch Beschränkungen der Erben, welche der Verstorbene in seinem Testament angeordnet hat, aufgenommen, beispielsweise eine Testamentsvollstreckung oder die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft.

  Vor- und Nacherbschaft - Was sind die Voraussetzungen und Folgen?

3. Was ist ein Europäischer Erbschein?

Einen „Europäischen Erbschein“ gibt es nicht, allerdings ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ). Am 17.08.2015 wurde das ENZ durch die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) eingeführt. Dieses Zeugnis kann notwendig werden, wenn sich Nachlassgegenstände im Ausland befinden und der Erblasser in Deutschland verstirbt. Besaß der Verstorbene beispielsweise ein Ferienhaus in Italien, könnte zur Umschreibung des dortigen Hauses ein deutscher Erbschein ungenügend sein; hier hilft das ENZ weiter: Dieses wird, ebenso wie ein Erbschein, beim Nachlassgericht beantragt. Mit dessen Hilfe kann im Ausland dann das dortige Grundbuch zu Gunsten des Erben umgeschrieben werden.

Beachte: Ein deutscher Erbschein wird in allen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt (mit Ausnahme Irlands und Dänemarks).

Europäisches Nachlasszeugnis – Beantragung, Gültigkeit und Kosten

Praxistipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Das ENZ gilt zunächst nur für 6 Monate, wobei die Gültigkeitsdauer einmalig um 6 weitere Monate verlängert werden kann.

4. Erbschein oder Europäisches Nachlasszeugnis beantragen?

Video


Sebastian Höhmann, Fachanwalt für Erbrecht in Berlin, erläutert Ihnen in diesem Video, in welchen Fällen ein deutscher Erbschein ausreicht und wann ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) sinnvoller ist.

Erfahren Sie hier,

  • wie viel die Beantragung kostet;
  • wann Sie überhaupt die Wahl zwischen einem deutschen Erbschein und einem Europäischen Nachlasszeugnis haben;
  • welche rechtlichen und praktischen Nachteile das Europäische Nachlasszeugnis hat.

Informieren Sie sich zudem darüber, für welche der beiden Erbnachweise Sie eine Eidesstattliche Versicherung abgeben müssen und welche Erbrechts-Regelungen das ENZ ausweisen kann.

5. Wozu dient die Erbenfeststellungsklage?

Ein Erbschein, der die Erben ausweist, wird nie „rechtskräftig“, denn dieser kann durch neue Tatsachen unrichtig und eingezogen werden (wenn beispielsweise ein bisher unbekanntes Testament auftaucht, s. u.). Wer verbindlich seine Erbenstellung feststellen möchte, kann dies über eine Erbenfeststellungsklage erreichen. Derjenige, der die Erbenstellung bestreitet, wird auf die entsprechende Erbenfeststellung verklagt. Das Urteil, in dem vom Landgericht (und nicht vom Nachlassgericht!) die Erbenfeststellung bestätigt wird, wird – anders als der Erbschein – rechtskräftig und klärt abschließend das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten im Erbenfeststellungsprozess.

  Nachlassgericht - Bedeutung und Erklärung

6. Wer kann einen Erbschein beantragen?

Den Erbschein kann jeder Erbe beantragen. Sind mehrere Erben im Testament bezeichnet, genügt es, wenn „einer für alle“ einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt. Auch ein Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder Nachlassinsolvenzverwalter kann den Erbscheinsantrag stellen. War der Verstorbene verschuldet, kann der Gläubiger den Erbschein beantragen, wenn er bereits ein Urteil gegen den Verstorbenen oder dessen Erben in Händen hält.

Praxistipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Ein Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer kann einen Erbschein nicht beantragen.

Nicht antragsberechtigt sind ferner der Ersatzerbe vor Eintritt des Ersatzerbfalls, der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls und ein Nachlasspfleger.

7. Wo und wie kann ich einen Erbschein beantragen?

Der Antrag kann mündlich beim Nachlassgericht „zu Protokoll gestellt“ werden. Zuständig ist das Amtsgericht – Nachlassabteilung –, in dessen Bezirk der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Der Antrag kann auch bei jedem deutschen Notar aufgenommen werden.
Auch ein Antrag beim eigenen Nachlassgericht im Wege der Amtshilfe müsste weiterhin möglich sein.

Hatte der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, dann ist, wenn der Erblasser Deutscher war oder sich Nachlassgegenstände in Deutschland befinden, das Amtsgericht Berlin-Schönefeld zuständig.
Bei Ausländern ohne gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland ist das Gericht des EU-Mitgliedsstaates zuständig, in welchem der Verstorbene bei seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Praxistipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Wer als Deutscher z. B. in Spanien lebte, verursacht für seine Erben die Zuständigkeit der spanischen Gerichte für den Erbschein. Abhilfe schafft die Wahl deutschen Erbrechts in einem Testament.

 

Vor dem Nachlassgericht oder Notar müssen dann die für die Begründung der Erbenstellung maßgeblichen Umstände (Vorhandensein einer letztwilligen Verfügung, Standestatsachen usw.) eidesstattlich versichert werden.

Praxistipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Liegt eine notarielle Verfügung von Todes wegen vor, ist die Beantragung eines Erbscheins i.d.R. nicht notwendig, da sie den Erbschein ersetzt.

8. Checkliste: Welche Unterlagen benötigt das Nachlassgericht?

In jedem Fall benötigt das Nachlassgericht:

  • eine eidesstattliche Erklärung, dass die Angaben im Antrag auf Erbschein der Wahrheit entsprechen (kann vor einem Notar oder vor dem Nachlassgericht in der notwendigen öffentlichen Form abgegeben werden)
  • den Personalausweis des Antragstellers
  • die Sterbeurkunde
  • Auskunft über Prozesse, die über das Erbrecht vor Gericht anhängig sind (eidesstattliche Versicherung)

Wenn der Verstorbene eine letztwillige Verfügung unterzeichnet hat:

  • Testament oder Erbvertrag (alle Dokumente, die so etwas wie den letzten Willen beinhalten, auch Entwürfe, korrigierte und verworfene Fassungen)
  • Auskunft darüber, ob andere Verfügungen von Todes wegen gefunden wurden (eidesstattliche Versicherung)

Wenn Sie aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen Erbin oder Erbe werden wollen:

  • Familienstammbuch und/oder Geburtsurkunden sowie gegebenenfalls Sterbeurkunden (des Ehe- oder Lebenspartners, der Kinder) sowie Scheidungsurkunde, wenn der Erblasser geschieden war, zum Nachweis Ihrer Erbberechtigung
  • Eidesstattliche Versicherung, dass der oder die Verstorbene keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat
  • Eidesstattliche Versicherung über den Güterstand des Erblassers

9. Was kostet ein Erbschein?

Das Nachlassgericht erhebt eine volle Gebühr für die Erteilung des Erbscheins sowie eine weitere Gebühr für die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung. Die Höhe der Gebühren hängt vom Geschäftswert ab, der sich nach dem Wert des Nachlasses beim Todestag (Aktivnachlass) richtet. Hiervon können die Erblasserschulden abgezogen werden, also Schulden, die der Verstorbene selbst noch hinterließ, nicht jedoch Erbfallschulden (z. B. Pflichtteile, Vermächtnisse, Bestattungskosten).

  Aktiva des Nachlasses - Bedeutung und Erklärung

Soll sich der Erbschein nur auf einen Teil des Nachlasses beziehen (z. B. nur auf Auslandsvermögen), reduziert sich der Geschäftswert auf nur diesen Teil entsprechend.

Praxistipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Die Kosten für den beantragten Erbschein trägt derjenige, der den Erbscheinsantrag stellt.

 

Auszug aus GNotKG-Gebührentabelle B:

Wert bis 80.000,00 € 2 Gebühren 438,00 €
Wert bis 170.000,00 € 2 Gebühren 762,00 €
Wert bis 290.000,00 € 2 Gebühren 1.170,00 €
Wert bis 500.000,00 € 2 Gebühren 1.870,00 €
Wert bis 1,6 Mio. € 2 Gebühren 5.390,00 €


Berechnungstabelle: 2-facher Wert der Tabelle B zum GNotKG

 

Beispielspielrechnung für Erbschein-Kosten:

Bei einem Nachlasswert bis 100.000,00 € fallen Kosten in Höhe von (2 x 273,00 €) netto 546,00 € an.

Grob (!) überschlägig können die Kosten wie folgt ermittelt werden:

Die Hälfte des Nachlasswertes; davon 1 % (Beispiel: Nachlasswert 300.000,00 €, davon die Hälfte = 150.000,00 €, davon 1 % = ca. 1.500,00 € an Kosten).

10. Wer wird am Erbscheinsverfahren beteiligt?

Im Erbscheinsverfahren erhalten rechtliches Gehör und Mitwirkungsrechte (z. B. Einsichtnahme in die Nachlassakte, Beweise dürfen beantragt werden usw.) die „Beteiligten“, nämlich

  • derjenige, der den Erbschein beantragt (Antragsteller),
  • die gesetzlichen Erben (jeder, der erben würde, wenn es kein Testament oder keinen Erbvertrag gäbe),
  • die im Testament Bedachten und
  • alle, die in ihren Rechten betroffen sein können.

Bis auf den Antragsteller werden die Beteiligten jedoch nur auf Antrag hinzugezogen!

Weitere Fragen und Antworten

Was geschieht, wenn sich der Erbschein als falsch herausstellt?

Taucht z. B. nach dem Erlass eines Erbscheins ein neues Testament auf, das die im Erbschein ausgewiesenen Erben nicht richtig widerspiegelt, muss der alte Erbschein eingezogen und ein neuer beantragt und erlassen werden.

Mit der Einziehung wird der Erbschein kraftlos; kann er nicht sofort eingezogen werden, kann das Nachlassgericht den Erbschein für kraftlos erklären.

Weigert sich der Inhaber des „falschen“ Erbscheins, ihn dem Nachlassgericht abzuliefern, kann das Gericht gegen ihn ein Zwangsgeld festsetzen und dadurch die Herausgabe des Erbscheins erzwingen.

Was ein Erbrechtsexperte für Sie tun kann:

  • Beratung, ob überhaupt, wann und wo ein Erbschein zu beantragen ist,
  • Unterstützung beim Erbscheinsantrag und bei der Sammlung benötigter Unterlagen,
  • Hilfe beim Vorgehen gegen einen unrechtmäßig ausgestellten Erbschein,
  • anwaltliche Vertretung bei missbräuchlicher Verwendung des Erbscheins durch Miterben,
  • Erhebung einer Erbenfeststellungsklage zur rechtskräftigen Klärung, wer zu den Erben zählt und wer nicht.

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