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Pflichtteil für Kinder

Höhe des Pflichtteils, Pflichtteilergänzungsanspruch und Gründe für die Pflichtteilsentziehung

In Deutschland haben die Kinder eines Erblassers einen sogenannten Pflichtteilsanspruch für den Fall, dass sie vom Erblasser enterbt werden. Das bedeutet, dass die Kinder eines Erblassers auch dann einen Teil aus dem Nachlass erhalten, wenn der Erblasser sie per Testament oder Erbvertrag eindeutig als Erben ausgeschlossen hat.

In diesem Beitrag haben wir alles Wichtige zum Thema Pflichtteil der Kinder für Sie zusammengefasst.

Das Wichtigste in Kürze
  • Adoptierte Kinder haben genau wie leibliche Kinder einen Anspruch auf den Pflichtteil, eine Mindestbeteiligung am Erbe.
  • Der Pflichtteilsanspruch wird dadurch ausgelöst, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten enterbt.
  • Die Berechnung des Pflichtteils erfolgt anhand der gesetzlichen Erbquote. Der Pflichtteil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
  • Pflichtteilsansprüche verjähren nach drei Jahren.
  • Der Pflichtteil kann nur dann entzogen werden, wenn schwerwiegende Gründe dafür vorliegen.

1. Haben alle Kinder Anspruch auf den Pflichtteil?

Alle leiblichen sowie adoptierten Kinder eines Erblassers haben einen Pflichtteilsanspruch. Enkelkinder bekommen nur dann einen Pflichtteil, wenn das vom Erblasser abstammende Elternteil bereits verstorben ist.

Zusätzlich zu den direkten Abkömmlingen des Erblassers haben noch weitere Personen Pflichtteilsansprüche: der Ehepartner des Erblassers und die Eltern des Erblassers, falls dieser keine Abkömmlinge hat.

Stiefkinder sind, anders als adoptierte Kinder, vom Pflichtteilsanspruch ausgeschlossen.

2. Wie hoch ist der Pflichtteil der Kinder?

Die Höhe des Pflichtteils beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Der gesetzliche Erbteil bezeichnet den Teil des Erbes, den das Kind bekommen würde, wenn der Erblasser kein Testament oder Erbvertrag aufgesetzt hätte, sondern die gesetzliche Erbfolge zum Tragen gekommen wäre.

Doch wie hoch ist der Pflichtteil nun genau? Das hängt davon ab, wie hoch die gesetzliche Erbquote ist, was wiederum von der Erbenkonstellation abhängig ist: Hat ein unverheirateter Erblasser beispielsweise vier Kinder, beträgt die gesetzliche Erbquote pro Kind 25 %. Jedes Kind hätte demzufolge eine Pflichtteilsquote von 12,5 %.

Hätte der Erblasser hingegen nur ein Kind, so betrüge dessen gesetzliche Erbquote 100 % und die Pflichtteilsquote 50 % vom Nachlass.

Berechnung Pflichtteil: Wie hoch ist mein Pflichtteil?

3. Haben Kinder einen Anspruch auf einen Pflichtteilergänzungsanspruch?

Haben Erblasser Streit mit ihren Kindern und enterben diese deshalb, versuchen viele zusätzlich, den Pflichtteilsanspruch der Kinder zu schmälern.

Dies geschieht häufig über Schenkungen an Dritte, die noch zu Lebzeiten des Erblassers vorgenommen werden und den Nachlass schmälern sollen.

Hier gilt es zu beachten, dass alle Schenkungen, die der Erblasser im Zeitraum von zehn Jahren vor seinem Tod vornimmt, einen sogenannten Pflichtteilergänzungsanspruch auslösen.

Pflichtteilsergänzungsanspruch - Auswirkungen von Schenkungen auf den Pflichtteil

Während für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs der tatsächliche Nachlasswert entscheidend ist, ist für die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der sogenannte fiktive Nachlasswert relevant. Um diesen zu ermitteln, werden die in den letzten zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers von diesem gemachten Schenkungen dem Nachlass hinzugerechnet.

Die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist der Betrag, um den sich der Pflichtteil erhöht hätte, wenn der verschenkte Gegenstand wertmäßig dem Nachlass hinzugerechnet worden wäre.

Bei einer  Grundstücksschenkung, die unter Vorbehaltsnießbrauch steht, kann jedoch etwas anders gelten. Erfolgte die Schenkung unter Ehegatten, so beginnt die Zehnjahresfrist nicht vor Auflösung der Ehe

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein selbstständiger Pflichtteilsanspruch, der grundsätzlich auf eine Geldzahlung gerichtet ist (anders § 2329 BGB). Er steht dem Pflichtteilsberechtigten unabhängig vom ordentlichen Pflichtteil zu.

Mit jedem Jahr, das vergeht, verliert die Schenkung für die Anrechnung allerdings 10 % an Wert. Das heißt: Wenn die Schenkung 11 Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgt ist, wird sie gar nicht mehr berücksichtigt. Ist sie im 10. Jahr vor dem Tod erfolgt, erfolgt eine Berücksichtigung zu 10 %, im 9. Jahr vor dem Tod wird sie zu 20 % angerechnet usw.

Eine Berücksichtigung zu 100 % erfolgt also nur dann, wenn die Schenkung im Jahr vor dem Tod des Erblassers stattgefunden hat.

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Pflichtteilsberechtigte müssen ihren Pflichtteil im Erbfall vom Erben aktiv einfordern. Es erfolgt keine automatische Auszahlung.

Gern ist Ihnen ein Erbrechtsexperte in Ihrer Nähe behilflich, wenn Sie Ihren Pflichtteil einfordern möchten.

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4. Was gibt es beim Berliner Testament hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche von Kindern zu beachten?

Viele Ehegatten sichern ihren Partner für den Todesfall des ersten Ehegatten mit einem Berliner Testament ab. Bei diesem setzen sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein.

Alles zum Berliner Testament

Das bedeutet, dass die gemeinsamen Kinder automatisch für den ersten Erbfall enterbt sind und demzufolge einen Pflichtteilsanspruch haben.

Weil der überlebende Ehegatte dann häufig Probleme hat, die Pflichtteilsansprüche zu begleichen, ohne dass beispielsweise das gemeinsame Haus verkauft werden muss, entscheiden sich viele Eheleute dazu, eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel ins Berliner Testament aufzunehmen.

Die Pflichtteilsstrafklausel regelt, dass Pflichtteilsberechtigte, die ihren Pflichtteil beim Tod des ersten Elternteils einfordern, beim Tod des zweiten Elternteils enterbt werden.

Demzufolge erhält das Kind dann beim Tod des zweiten Elternteils ebenfalls nur seinen Pflichtteil, also die Mindestbeteiligung am Erbe.

5. Können Pflichtteilsansprüche für Kinder verjähren?

Der Anspruch auf den Pflichtteil für Kinder verjährt in der Regel nach drei Jahren. Grundlage hierfür bildet § 195 BGB.

Zu beachten ist, dass die Frist erst am Jahresende zu laufen beginnt - und zwar in dem Jahr, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Todesfall und demzufolge von seinem Pflichtteilsanspruch erfahren hat.

Die dreijährige Frist für die Verjährung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen beginnt hingegen bereits mit dem Tod des Erblassers zu laufen

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Kinder können nicht nur dann den Pflichtteil fordern, wenn sie enterbt wurden.

 

Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt, oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt. Grundlage hierfür ist § 2306 BGB.


Kontaktieren Sie jetzt einen Erbrechtsexperten in Ihrer Nähe, wenn Sie Fragen zum Thema Pflichtteil für Kinder haben oder in Bezug auf den Pflichtteilsanspruch ein konkretes Anliegen haben.

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6. Besteht der Anspruch auf den Pflichtteil schon, wenn der Erblasser noch lebt?

Kinder können den Pflichtteil erst geltend machen, wenn der Erblasser verstorben ist. Der Anspruch auf einen Pflichtteil besteht zu Lebzeiten des Erblassers also nicht.

Allerdings steht es dem Erblasser frei, den Kindern bereits zu Lebzeiten im Gegenzug für einen Pflichtteilsverzicht im Todesfall einen bestimmten Betrag auszubezahlen. Auf diese Weise können Kinder den Pflichtteil bereits zu Lebzeiten erhalten. Allerdings ist dann streng genommen nicht vom Pflichtteil die Rede, sondern von einer sogenannte Abfindungszahlung, die das Kind dafür erhält, dass es im Erbfall auf den Pflichtteil verzichtet.

7. Kann Kindern der Pflichtteil entzogen werden?

Unter Umständen ist der Erblasser dazu berechtigt, seinen Kindern den Pflichtteil vollständig zu entziehen. Allerdings müssen für die Pflichtteilsentziehung wirklich schwerwiegende Gründe vorliegen.

Gemäß § 2333 BGB kann einem Kind der Pflichtteil entzogen werden, "wenn der Abkömmling

  1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,
  2. sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,
  3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder
  4. wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.

(2)   Absatz 1 gilt entsprechend für die Entziehung des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils."

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Wenn Sie Ihrem Kind zusätzlich zu der Enterbung auch den Pflichtteil entziehen möchten, ist es wichtig, dass Sie die Gründe für die Pflichtteilsentziehung detailliert angeben. Wurde Ihr Kind beispielsweise wegen einer vorsätzlichenStraftat zu einem Jahr ohne Bewährung verurteilt und möchten Sie den Pflichtteil deswegen entziehen, muss das unbedingt im Testament oder Erbvertrag auch so benannt werden, damit die Pflichtteilsentziehung wirksam ist.

 

Es ist ratsam, dabei auf die Expertise eines Erbrechtsexperten in Ihrer Nähe zu vertrauen. Kontaktieren Sie uns jetzt.

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Wie kann ein Erbrechtsexperte beim Thema Pflichtteil für Kinder behilflich sein?

Die Erbrechtsexperten von NDEEX sind bei allen Fragen und Problemen rund um das Thema Pflichtteil für Kinder für Sie da:

  • Beratung zur Nachlassplanung
  • Enterbung von Kindern
  • Hilfe bei der Berechnung des Pflichtteils und des Pflichtteilergänzungsanspruchs
  • Pflichtteilsverzicht
  • Pflichtteilsentziehung usw.

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