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Pflichtteilsergänzungsanspruch: Welche Auswirkungen haben Schenkungen auf den Pflichtteil?

Zu Lebzeiten kann ein Erblasser mit seinem Nachlass tun und lassen, was er möchte. Schenkungen – insbesondere solche, die in den letzten zehn Jahren vor dem Todesfall getätigt wurden - können jedoch einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen. Doch was genau ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch? Wer hat ein Anrecht darauf und welche rechtlichen Aspekte sind zu beachten?

Franz-Georg Lauck, Fachanwalt für Erbrecht in Dresden, erklärt Ihnen in diesem Beitrag detailliert, welche Auswirkungen Schenkungen auf den Pflichtteil haben und wie Sie Ihre Rechte wahren können.

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Autor dieser Seite:

Franz-Georg Lauck
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht in Dresden

Welche Schenkungen erhöhen den Pflichtteil?

Video

In diesem Video erklärt Ihnen Hans-Oskar Jülicher, Fachanwalt für Erbrecht in Heinsberg, welche Schenkungen den Pflichtteil erhöhen.

Das Wichtigste in Kürze
  • Schenkungen zu Lebzeiten können den Pflichtteil verringern und einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen.
  • Der Pflichtteilsergänzungsanspruch berücksichtigt Schenkungen, als wären sie noch (anteilig) im Nachlass vorhanden.
  • Pflichtteilsberechtigte haben das Recht auf Auskunft und Wertermittlung bezüglich der Schenkungen des Erblassers.
  • Die sog. 10-Jahres-Frist verringert den Wert von Schenkungen mit zunehmender Zeit vor dem Tod des Erblassers, um ihren Einfluss auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu reduzieren.
  • Ein Fachanwalt für Erbrecht kann bei der Prüfung, Durchsetzung und Bewertung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen helfen.

1. Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Schmälert ein Erblasser durch lebzeitige Schenkungen den Nachlass, verringert sich dadurch die Höhe der Erb- und Pflichtteilsansprüche. Das kann sowohl einen zum Erben eingesetzten Pflichtteilsberechtigten als auch enterbte Pflichtteilsberechtigte treffen.

Um zu verhindern, dass der Pflichtteil durch Schenkungen zu Lebzeiten beabsichtigt oder unbeabsichtigt ausgehöhlt wird, gibt es den gesetzlichen Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB).

Mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch werden pflichtteilsberechtigte Erben und enterbte Pflichtteilsberechtigte also so gestellt, als seien die geschenkten Gegenstände noch (zumindest teilweise) im Nachlass vorhanden. Demzufolge entsteht ein sogenannter fiktiver Nachlass: Der Pflichtteil wird um den Betrag ergänzt, der sich als Gesamtpflichtteil ergäbe, wenn die Werte der Schenkungen dem tatsächlichen Nachlass hinzugerechnet werden würden.

Bei der Hinzurechnung muss allerdings die 10-Jahres-Frist und die daraus resultierende Abschmelzung beachtet werden (§ 2325 Abs. 3 BGB). Doch dazu später mehr.

Anspruch auf die Ergänzung des Pflichtteils haben alle gesetzlichen Erben, die auch einen Pflichtteilsanspruch haben:

  • (Adoptiv-)Kinder des Erblassers
  • Ehegatten und eingetragene Lebenspartner
  • Enkelkinder, falls deren Elternteil (Kind des Erblasser) vorverstorben ist
  • Eltern des Erblasser, falls keine Abkömmlinge vorhanden sind

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein selbstständiger Anspruch, der neben dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch besteht.

Daher kann im Ausnahmefall auch ein Erbe, der zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis gehört, ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen. Selbst wenn man durch die Ausschlagung einer Erbschaft seinen ordentlichen Pflichtteilsanspruch verliert, kann man evtl. dennoch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen.

 

Berechnungsbeispiel enterbter Pflichtteilsberechtigter 

Ein Erblasser setzt den Tierschutzverein zum Alleinerben ein. Sechs Jahre und vier Monate vor seinem Tod schenkte er dem Verein 50.000 Euro. Zum Todestag beträgt der Nachlass ebenfalls 50.000 Euro. Die Tochter des Erblassers wäre alleinige gesetzliche Erbin gewesen, die Pflichtteilsquote würde die Hälfte, also 50 Prozent, betragen.

Aus dem tatsächlich noch vorhandenen Nachlass kann sie also den ordentlichen Pflichtteil von 25.000 Euro geltend machen. Wegen der Schenkung hat sie ferner einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung. Die Schenkung ist dem Nachlass hinzuzurechnen, allerdings wegen der Abschmelzung (10 % Verminderung je vollendetem Jahr zwischen Schenkung und Erbfall) nur noch mit einem Wert von 40 Prozent, also mit 20.000 Euro. Ihr Gesamtpflichtteil beläuft sich also auf [(50.000 + 20.000) / 2 =] 35.000 Euro, davon 10.000 Euro Pflichtteilsergänzung.

Berechnungsbeispiel pflichtteilsberechtigter Erbe 

Der verwitwete Erblasser hinterlässt seine Kinder S und T sowie einen Nachlass im Werte von 10.000 Euro. Kurz vor seinem Tod hat er seiner heimlichen Geliebten G noch ein Geldgeschenk über 30.000 Euro gemacht.

S und T stehen zunächst ihre Erbteile i.H.v. jeweils 5.000 Euro zu. Rechnet man nun die Schenkung dem Nachlass hinzu, beliefe sich der Pflichtteil eines jeden Kindes auf [(10.000 + 30.000) / 4 =] 10.000 Euro. Jedem Kind steht also neben seinem Erbteil noch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch i.H.v. (10.000 - 5.000 =) 5.000 Euro zu. Diesen können sie nun gegen die beschenkte G geltend machen.

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2. Welche Schenkungen ergänzen den Pflichtteil und welche nicht?

Ein Geschenk wird dann bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt, wenn der Beschenkte etwas aus dem Vermögen des Verstorbenen erhalten hat, ohne dafür eine gleichwertige Gegenleistung zu erbringen. Das bedeutet, dass auch Geschenke berücksichtigt werden, bei denen der Beschenkte nur einen Teil des Wertes zurückgegeben hat. Zum Beispiel, wenn jemand ein Grundstück erhält und dafür nur 50 oder auch 70 Prozent des Wertes bezahlt, handelt es sich dabei um eine sog. gemischte Schenkung.

Es ist nicht wichtig, dass das Wort „Schenkung“ in einem (Notar-)Vertrag steht; entscheidend ist, dass es (teilweise) unentgeltlich war und beide Parteien dies gewusst und gewollt haben. Diese Vereinbarung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden, sie kann sich auch aus den Umständen ergeben.

Ein Geschenk ist es zum Beispiel in der Regel nicht, wenn jemand eine Forderung verjähren lässt, ein Vorkaufsrecht nicht ausübt oder eine Erbschaft ausschlägt. Auch der Verzicht auf den Erwerb von Vermögen zählt nicht als Geschenk und wird daher nicht zum Pflichtteil hinzugerechnet.

Auch sogenannte Pflicht- und Anstandsgeschenke unterliegen gemäß § 2330 BGB nicht der Pflichtteilsergänzung.

  • Gemischte Schenkungen

    Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn jemand etwas bekommt, das mehr wert ist als das, was er dafür gibt. Nur der geschenkte Teil kann den Pflichtteil ergänzen. Dafür müssen sich beide Seiten einig gewesen sein, dass dieser Teil ein Geschenk war.

    Das ist oft schwer zu beweisen, aber die Gerichte helfen dem Pflichtteilsberechtigten: Wenn der Unterschied zwischen Leistung und Gegenleistung sehr groß ist, nehmen die Gerichte an, dass dieser Teil als Geschenk gedacht war.

  • Zuwendungen unter Ehegatten

    Geschenke zwischen Ehepartnern sind normalerweise keine echten Schenkungen, weil sie dem gemeinsamen Leben dienen und beide Partner oft nicht darüber einig sind, dass es ein Geschenk sein soll. Man nennt solche Zuwendungen "ehebedingte" oder "unbenannte Zuwendungen".

    Seit einem wichtigen Gerichtsurteil des Bundesgerichtshofes vom 27.11.1991 (Az. IV ZR 164/90) werden diese unbenannten Zuwendungen im Erbrecht aber wie Schenkungen behandelt. Das bedeutet, dass auch sie den Pflichtteil ergänzen können.

    Dafür müssen sie aber wirklich unentgeltlich gewesen sein. Das ist nicht der Fall, wenn sie zur Altersvorsorge des Partners oder wegen Unterhaltspflichten gegeben wurden oder als Bezahlung für langjährige Dienste dienten.

  • Unentgeltliche Überlassung einer Wohnung

    In der Praxis kommt es sehr häufig vor, dass Eltern ein Kind manchmal jahrelang unentgeltlich in ihrem Haus oder ihrer Wohnung haben wohnen lassen.

    Viele meinen dann, dies stelle eine Schenkung der Eltern dar, die beim Pflichtteil zu berücksichtigen sei. Dem ist jedoch nicht so: Die Rechtsprechung sieht in der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung keine Schenkung, sondern zu Recht Leihe. Pflichtteilsergänzungsansprüche scheiden daher aus.

    Die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung oder von Praxisräumen kann aber eine ausgleichspflichtige Ausstattung sein (§ 2050 Abs. 1 BGB).

  • Eigengeschenke

    Auch der Pflichtteilsberechtigte kann zu Lebzeiten des Erblassers Geschenke erhalten haben. Diese Geschenke werden bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berücksichtigt und abgezogen, mindern jedoch nicht automatisch den ordentlichen Pflichtteil (nur bei entsprechender Anrechnungsanordnung bei Schenkung). Zudem mindern Pflicht- und Anstandsschenkungen den Ergänzungsanspruch nicht. Überschreiten Eigengeschenke den Ergänzungsanspruch, bleibt der ordentliche Pflichtteil ungekürzt, und der Mehrbetrag muss nicht zurückgezahlt werden.

  • Lebensversicherungen

    Auch Lebensversicherungen können einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen: Wer im Vertrag als Begünstigter eingetragen ist, gilt als Beschenkter. Da es aber meist schwierig ist, den genauen Wert des Geschenks zu bestimmen, müssen die jeweiligen Verträge immer sorgfältig geprüft werden.

  • Stiftungen

    Wenn ein Erblasser sein Vermögen auf eine Stiftung übertragt oder eine gemeinnützigen Organisation spendet, gilt auch dies als Schenkung, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslöst. Das gilt auch für Familienstiftungen.

Berechnungsbeispiele für Eigengeschenke

 

Berechnungsbeispiel 1 

Der Nachlass der verstorbenen Witwe W beträgt 300.000 Euro. Es gibt zwei Kinder, den Sohn S und die Tochter T. Alleinerbe ist der Sohn S. Tochter T macht ihren Pflichtteil geltend. S hatte lebzeitig wenige Monate vor dem Tod 200.000 Euro von seiner Mutter bekommen, T 20.000 Euro.

Der ordentliche Pflichtteilsanspruch der T aus dem realen Nachlass beträgt 1/4 aus 300.000 Euro = 75.000 Euro.

Beim Gesamtpflichtteil sind der reale und fiktive Nachlass zu addieren: 300.000 Euro + 200.000 Euro + 20.000 Euro = 520.000 Euro; hieraus ein Viertel sind 130.000 Euro. Nach Abzug des ordentlichen Pflichtteils von 75.000 Euro verbleibt eine Pflichtteilsergänzung von 55.000 Euro.

Hierauf wird nun das Eigengeschenk der T von 20.000 Euro angerechnet, ihr verbleibt somit nur noch ein Ergänzungspflichtteil von 35.000 Euro.

Der ordentliche und der ergänzte Pflichtteil betragen zusammen 110.000 Euro.

Berechnungsbeispiel 2 

Wie Beispiel 1, T hat allerdings ebenso wie S zu Lebzeiten einen Geldbetrag von 200.000 Euro erhalten. Der Gesamtpflichtteil beläuft sich dann auf 175.000 Euro [(300.000 Euro + 200.000 Euro + 200.000 Euro): 4]. Nach Abzug des ordentlichen Pflichtteils von 75.000 Euro beträgt der Ergänzungspflichtteil somit 100.000 Euro. Der Wert des Eigengeschenkes übersteigt jedoch diesen Betrag, so dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch entfällt.

Es bleibt beim Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil von 75.000 Euro. Auf diesen wird das Eigengeschenk nicht angerechnet.

3. Was meint das Abschmelzungsmodell?

Das Abschmelzmodell bezieht sich auf die Art und Weise, wie Schenkungen, die der Erblasser vor seinem Tod gemacht hat, bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berücksichtigt werden. Nach diesem Modell nimmt der Wert der Schenkungen mit der Zeit ab, je weiter sie in der Vergangenheit liegen. Konkret bedeutet das:

  1. Innerhalb des ersten Jahres vor dem Tod des Erblassers wird der volle Wert der Schenkung berücksichtigt.
  2. Im zweiten Jahr wird nur noch 90% des Wertes der Schenkung berücksichtigt.
  3. Im dritten Jahr nur noch 80% und so weiter.
  4. Nach zehn Jahren wird die Schenkung nicht mehr berücksichtigt.

 

Jahre vor dem Tod des Erblassers Prozentualer Wert der Schenkung, der berücksichtigt wird
Innerhalb des ersten Jahres 100 %
Zweites Jahr 90 %
Drittes Jahr 80 %
Viertes Jahr 70 %
Fünftes Jahr 60 %
Sechstes Jahr 50 %
Siebtes Jahr 40 %
Achtes Jahr 30 %
Neuntes Jahr; 20 %
Zehntes Jahr 10 %
Ab dem elften Jahr 0 %

 

Dieses Modell soll verhindern, dass Schenkungen, die der Erblasser lange vor seinem Tod gemacht hat, den Pflichtteilsergänzungsanspruch der Erben zu stark beeinflussen. Das Abschmelzmodell sorgt also dafür, dass der Wert der Schenkungen mit jedem Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, weniger Einfluss auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch hat.

Expertentipp

Bei Schenkungen unter Eheleuten beginnt die 10-Jahresfrist erst ab Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Tod zu laufen. Das bedeutet, dass alle in der Ehe gemachten Geschenke einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen. Wenn ein Ehepartner seinem Partner vor 5 Jahren eine Schenkung gemacht hat und die Ehe noch besteht, wird der volle Wert der Schenkung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch berücksichtigt. Die Abschmelzung gemäß des Abschmelzmodells beginnt erst, wenn die Ehe aufgelöst wird.

 

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4. Gegen wen richtet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch richtet sich wie der normale Pflichtteil gegen die Erben. Wenn der Nachlass nicht ausreicht, um den Anspruch zu decken, erlaubt § 2329 BGB, den verbleibenden Anspruch gegen die zuletzt Beschenkten geltend zu machen. Die Forderung ist normalerweise nicht auf direkte Geldzahlungen gerichtet, sondern auf die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung in das geschenkte Objekt zu erlauben, um den fehlenden Betrag des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu decken. Der Beschenkte kann die Zwangsvollstreckung verhindern, indem er den fehlenden Betrag bezahlt.

5. Wie berechnet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts oder eines Nießbrauchs?

Häufig werden Immobilien schon zu Lebzeiten gegen Einräumung von Nießbrauch oder Wohnungsrecht übertragen. Motiv hierfür kann die Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge sein, die alle zehn Jahre neu ausgenutzt werden können.

Bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt gibt es eine zweistufige Wertermittlung. Zuerst wird der Wert des geschenkten Gegenstands zum Zeitpunkt des Todes und zum Zeitpunkt der Schenkung bestimmt – der niedrigere Wert ist bei der Pflichtteilsberechnung ausschlaggebend. Wenn der Wert bei Schenkung niedriger war, dann ist anschließend der Wert des Nießbrauchsrechts zu berechnen und vom Gesamtwert abzuziehen.

  1. Wert des geschenkten Gegenstands: Der Wert des geschenkten Gegenstands wird anhand seines aktuellen bzw. damaligen Marktwerts ermittelt, ohne Berücksichtigung des Nießbrauchsrechts.
  2. Wert des Nießbrauchsrechts: Der Wert des vom Erblasser vorbehaltenen Nutzungsrechts wird separat berechnet. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Alter des Erblassers und der Art des Nießbrauchs. Dieser Wert wird dann vom Gesamtwert der Schenkung abgezogen, um den tatsächlichen Wert der Schenkung zu ermitteln, den der Beschenkte erhalten hat.

Diese zweistufige Methode stellt sicher, dass sowohl der Wert des geschenkten Gegenstands als auch das vom Erblasser vorbehaltene Nutzungsrecht angemessen berücksichtigt werden.

Das Bundesministerium der Finanzen gibt jährlich Tabellen heraus, mit denen die Bewertung einer lebenslänglichen Nutzung, bezogen auf die statistische Lebenserwartung des Berechtigten, errechnet werden kann. Diese sog. Sterbetafeln weisen - je nach Alter des Zuwendenden - Multiplikatoren aus, mit denen der Jahreswert eines Wohnungsrechts oder Nießbrauchs zu vervielfältigen ist. Das Produkt ist dann der Wert des Nutzungsrechts.

Beispiel 

Behält sich zum Beispiel eine 68-jährige Schenkerin den Nießbrauch mit einem Jahreskaltmietwert von 6.000 Euro vor, und wird dieser Wert (etwa nach der Sterbetafel 2019) mit dem Faktor 11,755 multipliziert, dann ergibt sich ein Kapitalwert des Nießbrauchs von 70.530 Euro.

Bei sehr jungen Schenkern bzw. Nutzungsberechtigten kann der Kapitalwert im Ausnahmefall des Nutzungsrechts sogar höher sein als der Wert der Immobilie selbst! Im Rahmen der Schenkungsteuer wird der Kapitalwert jedoch nach oben gedeckelt um ein solches Ergebnis zu vermeiden.

6. Welche Fristen gilt es beim Pflichtteilsergänzungsanspruch zu beachten?

Verjährung

Die Verjährungsfrist für Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche sowie Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung beträgt einheitlich drei Jahre (§2314 BGB). Diese Frist beginnt erst nach Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Erbfall, der beeinträchtigenden Verfügung und der Person seines Pflichtteilschuldners. Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch ist zusätzlich die Kenntnis von den Schenkungen des Erblassers erforderlich, wobei es genügt, wenn der Pflichtteilsberechtigte die wesentlichen Umstände der Schenkungen kennt.

Verjährung beim Anspruch gegen den Beschenkten

Die Verjährungsfrist für den Ergänzungsanspruch gegen den Beschenkten (also wenn der Nachlass zur Zahlung der Ansprüche nicht ausreicht) beginnt jedoch unabhängig von Kenntnissen des Pflichtteilsberechtigten bereits mit dem Erbfall, basierend auf dem Todesdatum des Erblassers.

Ausschluss- bzw. Zehnjahresfrist

Schenkungen bleiben grundsätzlich unberücksichtigt und sind nicht ergänzungspflichtig, wenn zur Zeit des Erbfalles zehn Jahre "seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen" sind.

Nach ständiger „Genuss-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 27. 4. 1994 - IV ZR 132/93, NJW 1994, 1791) liegt eine "Leistung" erst dann vor, „wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiterhin zu nutzen.“ Erfolgt also eine Schenkung unter Vorbehalt von Nutzungsrechten, läuft die Frist u.U. nicht an und die Schenkung unterliegt mit ihrem vollen Wert der Pflichtteilsergänzung, eine Abschmelzung erfolgt dann also nicht.

Fristlauf Ehegatten

Bei Eheleuten beginnt die Zehnjahresfrist erst mit der Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Tod zu laufen.

Expertentipp

Um die Werte zum Zeitpunkt der Schenkung und zum Zeitpunkt des Erbfalls vergleichbar zu machen und den Kapital- und Kaufpreisschwund für die Zeit zwischen Schenkung und Erbfall auszugleichen, ist vor dem Wertvergleich zunächst der Schenkungswert mit dem Verbraucherpreisindex auf den Todeszeitpunkt hochzurechnen, also zu indexieren.

 

Ein Fachanwalt für Erbrecht in Ihrer Nähe ist Ihnen gern behilflich, wenn Sie dazu Fragen haben.

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7. Was ist ein Widerrufsvorbehalt bzw. eine Rückfallklausel?

Insbesondere bei Immobilienschenkungen können Widerrufs- oder Rückfallklauseln für bestimmte Fälle vereinbart werden.

Vor allem dann, wenn der Beschenkte vor dem Schenker verstirbt, die Zwangsvollstreckung im Raum steht oder der Beschenkte in Insolvenz gerät, soll der Schenker das Recht haben, das Geschenk zurückzuverlangen.

Bei der Bewertung dieser Rückfallklauseln gibt die Rechtsprechung teilweise einen Abschlag von zehn Prozent auf den Immobilienwert, nicht etwa nur auf den Schenkungsanteil. Hiermit soll das Risiko einer Rückübertragung für den Beschenkten abgedeckt werden. Je nach Ausgestaltung der Rückforderungsrechte können diese aber u.U. den Fristbeginn und damit eine Abschmelzung verhindern (insbesondere bei einem völlig freien Rückforderungsrecht).

8. Wie wird eine Schenkung gegen Pflegeleistungen bewertet?

Bei Grundstücksübertragungen können Pflegeleistungen als Teil der Bewertung berücksichtigt werden, aber die genaue Bewertung ist oft unklar. Normalerweise orientiert man sich an den im Vertrag festgelegten Verpflichtungen – je umfangreicher, desto wertvoller.

Wenn keine Vereinbarung zur konkreten Bewertung getroffen wurden, werden oft Stundenlöhne oder Werte aus dem Pflegeversicherungsgesetz verwendet.

Der Wert der Pflegeleistung wird nicht nachträglich anhand der tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen berechnet, sondern aus der Perspektive bei Vertragsschluss (von welchem Pflegeaufwand sind die Beteiligten ausgegangen?). Zur Bewertung kann man die jeweiligen Kapitalwertfaktoren – wie bei der Berechnung eines Wohn- oder Nießbrauchsrechtes – aus den Tabellen des Bundesministeriums der Finanzen nutzen.

9. Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche

Pflichtteilsberechtigte haben das Recht auf Auskunft über alle Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat. Sie können verlangen, dass der Wert dieser Schenkungen ermittelt wird, um ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch korrekt berechnen zu können. Dies umfasst insbesondere die Wertermittlung von Immobilien oder Betriebsvermögen, welches der Erblasser verschenkt hat.

Diese Rechte können sie gegenüber den Erben geltend machen.

  Auskunft und Wertermittlung - Wie erfährt der Pflichtteilsberechtigte, welchen Wert der Nachlass hat?

Wie kann ein Fachanwalt für Erbrecht in Bezug auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch helfen?

  • Ausführliche Beratung über die rechtlichen Ansprüche und Möglichkeiten im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch
  • Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und Verjährungsfristen
  • Unterstützung bei der Durchsetzung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegenüber den Erben oder anderen Beteiligten
  • Vertretung vor Gericht bei Streitigkeiten oder Klagen im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch
  • Hilfe bei der Ermittlung und Bewertung von Schenkungen und anderen Vermögenswerten des Erblassers
  • Verhandlung von Vergleichen oder Mediation zur außergerichtlichen Lösung von Konflikten

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