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Das notarielle Nachlassverzeichnis - Was Sie wissen müssen und wie es erstellt wird

Das notarielle Nachlassverzeichnis ist ein unverzichtbarer Bestandteil des deutschen Erbrechts und dient als wesentliches Instrument zur transparenten Erfassung des Nachlasses. Durch die Dokumentation aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen, erstellt von einem Notar, wird häufig eine fundierte Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils geschaffen.

In diesem Leitfaden erläutern wir, was unter einem notariellen Nachlassverzeichnis zu verstehen ist, in welchen Fällen es erforderlich ist bzw. verlangt werden kann, wer für die Erstellung verantwortlich ist und welchen Inhalt es haben muss. Darüber hinaus beleuchten wir die rechtlichen Konsequenzen und gehen auf die Kosten ein, die mit der Erstellung eines solchen Verzeichnisses verbunden sind. Diese Informationen sind insbesondere für Erben und Pflichtteilsberechtigte von Bedeutung, aber auch für alle, die sich eingehender mit dem Thema Erbschaft beschäftigen wollen.

Das Wichtigste in Kürze:
  • Ein notarielles Nachlassverzeichnis bietet eine höhere Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit, da der Notar eigene Ermittlungen durchführen muss.
  • Für Pflichtteilsberechtigte ist es oft ratsam, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu verlangen, insbesondere, wenn Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Angaben des Erben bestehen.
  • Das Nachlassverzeichnis umfasst sowohl die Aktiva (Vermögenswerte) als auch die Passiva (Verbindlichkeiten), außerdem Zuwendungen des Erblassers und die zur Berechnung des Pflichtteils erforderlichen Angaben.
  • Der Notar ist nicht verpflichtet, den Wert des Nachlasses zu ermitteln und im Inventar anzugeben, jedoch muss die Beschreibung so genau sein, dass die zur Wertermittlung erforderlichen Eigenschaften des Nachlasses mitgeteilt werden.
  • Bei Unstimmigkeiten im Nachlassverzeichnis können Pflichtteilsberechtigte eine eidesstattliche Versicherung oder eine Ergänzung des Verzeichnisses fordern, letzteres aber nur dann, wenn ganze Bestandteile im Verzeichnis fehlen.

1. Was ist ein notarielles Nachlassverzeichnis?

Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist ein von einem Notar erstelltes Dokument, das dazu dient, den gesamten Nachlass einer verstorbenen Person zu erfassen. Es enthält eine detaillierte Aufstellung aller Vermögenswerte und Schulden des Erblassers, sowie der lebzeitigen unentgeltlichen Zuwendungen, die pflichtteilsrelevant sein können. Das Verzeichnis hat insbesondere im Rahmen der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen Bedeutung, wenn Unklarheiten bezüglich des Umfangs des Nachlasses bestehen und der Erbe möglicherweise nicht vollständig oder richtig Auskunft erteilt.

Das notarielle Nachlassverzeichnis unterscheidet sich von einem privat erstellten Nachlassverzeichnis dadurch, dass eine neutrale Person, nämlich der Notar als Hoheitsträger ohne eigenes wirtschaftliches Interesse, den Nachlass zu ermitteln hat. Während ein privates Nachlassverzeichnis oft nur oberflächlich informell und ohne rechtliche Kenntnis erstellt wird, hat die Aufnahme des Nachlasses durch eine neutrale und rechtlich geschulte Person eine größere Richtigkeitsgewähr. Der Notar übernimmt dabei nicht nur die Rolle des Dokumentierenden und gibt dabei eine eigene Erklärung ab, sondern fungiert oft auch als neutraler und rechtskundiger Mittler unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.

Ein wesentlicher Aspekt des notariellen Nachlassverzeichnisses ist seine Funktion, Transparenz und Gerechtigkeit im Erbfall zu gewährleisten. Es bietet eine zuverlässigere Grundlage für die Regulierung des Pflichtteils als ein vom Erben erstelltes Verzeichnis. Dieser muss schließlich den Pflichtteil bezahlen und hat von Hause aus wenig Interesse, umfassend und vollständig Auskünfte zu erteilen. Es erleichtert die Entscheidungsfindung und trägt zur korrekten Berechnung des Pflichtteils bei.

2. Wann ist ein notarielles Nachlassverzeichnis erforderlich?

Ein notarielles Nachlassverzeichnis wird in der Regel dann erforderlich, wenn es um die Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen geht. Nach § 2314 BGB haben Pflichtteilsberechtigte das Recht, eine Aufstellung des Nachlasses zu verlangen, um ihren Anspruch am Erbe prüfen und geltend machen zu können.

Der Pflichtteilsberechtigte hat dabei die Möglichkeit, ein privates und danach zusätzlich auch noch ein notarielles Nachlassverzeichnis zu verlangen. Er kann sich aber auch darauf beschränken, nur eines von Beiden zu verlangen. Die Notwendigkeit eines notariellen Nachlassverzeichnisses ergibt sich häufig bei komplexen Nachlässen oder undurchsichtigen Vermögensverschiebungen im Vorfeld von Erbfällen. Bei umfangreichem Vermögen, Vorhandensein von Immobilien, Beteiligungen an Unternehmen oder bei internationalen Vermögenswerten ist die Erstellung eines solchen Verzeichnisses oft unumgänglich. Es dient dazu, eine genaue und rechtlich fundierte Grundlage für die Nachlassabwicklung zu schaffen.

Auch wenn ein Testamentsvollstrecker vom Erblasser eingesetzt ist, kann die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2215 BGB vom Erben verlangt werden.

Der Notar sorgt in diesem Prozess für die nötige Objektivität und Fachkenntnis, um alle relevanten Vermögenswerte und Verbindlichkeiten korrekt zu erfassen und zu dokumentieren.

Zusammengefasst ist das notarielle Nachlassverzeichnis ein wichtiges Instrument, um die Rechte der Personen zu wahren und zu schützen, die keinen unmittelbaren Zugang zum Nachlass haben und sich damit nicht selber ein zuverlässiges Bild davon machen können, sondern auf die Information Dritter angewiesen sind.

3. Wer erstellt das notarielle Nachlassverzeichnis?

Die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses erfolgt durch einen Notar, der von dem oder den Erben beauftragt werden muss, wenn dies der Pflichtteilsberechtigte verlangt. Die Auswahl des Notars erfolgt durch den Erben.

Der Prozess beginnt in der Regel damit, dass der Notar von den Erben kontaktiert wird, um ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Die Erben sind gesetzlich verpflichtet, dem Notar alle relevanten Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für die Erstellung des Verzeichnisses erforderlich sind. Dazu gehören beispielsweise Bankunterlagen, Grundbuchauszüge, Wertpapierdepots und Informationen über sonstige Vermögenswerte sowie Schulden.

Der Notar führt daraufhin eine umfassende Prüfung des Nachlassbestandes durch. Dies beinhaltet oft die Einholung von Informationen bei Banken, Versicherungen und anderen Institutionen, wie dem Handelsregister oder den Grundbuchämtern.

Neben der reinen Erfassung des Nachlasses achtet der Notar auch darauf, dass das Verzeichnis den rechtlichen Anforderungen entspricht und vollständig ist. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da das notarielle Nachlassverzeichnis als Grundlage für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen oder der Kontrolle des Testamenstvollstreckers dient.

Das Nachlassverzeichnis ist aber für die Parteien nicht verbindlich. Sind Positionen zwischen den Parteien streitig, muss im Zweifel derjenige, der Ansprüche für sich geltend machen will, alle Positionen beweisen, die seinen Anspruch stützen. Dies ist ihm häufig nur möglich, wenn der Notar zuvor entsprechende Ermittlungen angestellt und dokumentiert hat.

Das notarielle Nachlassverzeichnis stellt somit ein wichtiges Instrument bei der Durchsetzung erbrechtlicher Ansprüche dar. Die sorgfältige und fachkundige Erstellung durch einen Notar ermöglicht häufig erst eine faire und der Rechtslage entsprechende Regulierung des Erbfalls.

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Unsere Experten stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses geht, sei es auf der Seite des Erben oder als Vertreter des Pflichtteilsberechtigten. Kontaktieren Sie uns für eine professionelle Beratung und Unterstützung bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses. Wir helfen Ihnen, die im Raum stehenden erbrechtlichen Ansprüche transparent und effizient zu regulieren.

 

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4. Was gehört in ein notarielles Nachlassverzeichnis?

Das notarielle Nachlassverzeichnis, manchmal auch als unzutreffend als Nachlassinventar bezeichnet, umfasst eine detaillierte Auflistung aller Vermögenswerte und Schulden des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Ziel ist es, einen vollständigen und genauen Überblick über den Nachlass zu geben. Zu den zu erfassenden Vermögenswerten zählen unter anderem:

  1. Immobilien: Hier werden alle Grundstücke und Gebäude des Erblassers aufgelistet, inklusive Lage, Größe, Art der Nutzung und ggf. vorhandener Hypotheken oder Grundschulden.
  2. Bankkonten und Bargeld: Sämtliche Kontostände, Sparbücher, Bausparverträge und Bargeldbestände werden erfasst.
  3. Wertpapiere und Kapitalanlagen: Aktien, Anleihen, Fondsanteile und sonstige Wertpapiere sowie Kapitalanlagen sind Teil des Verzeichnisses.
  4. Unternehmensbeteiligungen: Besitzt der Erblasser Anteile an Unternehmen oder ist Teilhaber von Geschäftsunternehmen, werden auch diese aufgeführt.
  5. Wertgegenstände: Dazu zählen beispielsweise Schmuck, Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungen.
  6. Fahrzeuge: Alle Fahrzeuge des Erblassers, wie Autos, Boote oder Motorräder, mit Angaben zum Modell, Baujahr und Zustand. Versicherungspolicen: Lebensversicherungen und andere Versicherungsverträge, inklusive der jeweiligen Versicherungssummen.
  7. Forderungen und Rechte: Dazu gehören Ansprüche des Erblassers gegenüber Dritten, wie ausstehende Darlehen, Steuerrückerstattungen oder Lizenzrechte.

Ebenso wichtig ist die Auflistung aller Verbindlichkeiten des Erblassers, wie Kredite, Hypotheken, offene Rechnungen und sonstige finanzielle Verpflichtungen. Diese werden von den Vermögenswerten abgezogen, um den reinen Nachlasswert zu ermitteln.

Von entscheidender Bedeutung sind oft auch Zuwendungen, die es zu Lebzeiten des Erblassers gegeben hat, da diese Einfluss auf die Höhe des Pflichtteils haben können und deswegen auch im Nachlassverzeichnis aufzunehmen sind, wenn ein Pflichtteilsberechtigte die Erstellung fordert.

Das notarielle Nachlassverzeichnis muss präzise und lückenlos sein, damit es als verlässliche Grundlage der Nachlassabwicklung dienen kann.

5. Welche rechtlichen Folgen hat ein notarielles Nachlassverzeichnis?

Das notarielle Nachlassverzeichnis ist nicht rechtsverbindlich. Für Pflichtteilsberechtigte ist das notarielle Nachlassverzeichnis aber oft der Ausgangspunkt für die Berechnung ihres Pflichtteils oder im Falle eines eingesetzten Testamentsvollstreckers für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Da es eine detaillierte Auflistung des Nachlasses enthält, können Sie darauf basierend Ihren Anspruch ermitteln. Sollten Sie Unstimmigkeiten vermuten oder den Verdacht haben, dass Vermögenswerte nicht aufgeführt wurden, bildet das Verzeichnis die Grundlage für weitere rechtliche Schritte, wie zum Beispiel die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung.

6. Was kostet ein notarielles Nachlassverzeichnis?

Die Kosten für ein notarielles Nachlassverzeichnis variieren und hängen vor allem vom Wert der verzeichneten Positionen ab. In Deutschland werden die Gebühren für notarielle Dienstleistungen durch das Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) geregelt. Die Kosten setzen sich zusammen aus den Gebühren für die Erstellung des Verzeichnisses selbst sowie möglicherweise zusätzlichen Kosten für erforderliche Auskünfte bei Banken oder Registern.

Grundsätzlich berechnet sich die Gebühr für das notarielle Nachlassverzeichnis nach dem Wert der verzeichneten Positionen, also nicht nach dem Wert des Nachlasses unter Abzug der Verbindlichkeiten (§ 115 GnotKG). Auch Verbindlichkeiten oder Geschenke des Erblassers, die sich gar nicht mehr im Nachlass befinden, aber verzeichnet werden müssen, können also den Wert und damit die Kosten erhöhen. Je höher der Wert, desto höher sind auch die anfallenden Notargebühren. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Kosten in der Regel aus dem Nachlass selbst beglichen werden. Das bedeutet, dass sie letztendlich von den Erben getragen werden, was den Wert des Nachlasses und damit aber auch mittelbar den Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten schmälert.

7. Welche Vor- und Nachteile bietet ein notarielles Nachlassverzeichnis?

Das notarielle Nachlassverzeichnis bietet für die Auskunftsberechtigten erhebliche Vorteile. Einer der Hauptvorteile ist die höhere Sicherheit und Klarheit, dass alle erbrechtlich relevanten Positionen und Vorgänge auch tatsächlich erfasst werden. Häufig erhält der Berechtigte erst dadurch Einsicht in Belege, die ihm der Erbe (im Falle eines Pflichtteilsanspruches) grundsätzlich nicht zugänglich machen muss. Nach dem Gesetz ist nur eine Auskunft, nicht aber die Vorlage von Belegen geschuldet.

Der Notar muss eigene Ermittlungen durchführen und darf sich dabei nicht ausschließlich auf die Angaben des Erben verlassen. Er ist verpflichtet, eine eigene Erklärung in Form des Nachlassverzeichnisses abzugeben. Wenn bessere Beweismittel verfügbar sind, um den Nachlassbestand zu ermitteln, muss der Notar diese heranziehen. Dazu gehört das Einsehen und rechtliche Prüfen von Belegen oder relevanten Verträgen. In der Regel nimmt er diese dann auch als Anlage zu seinem Verzeichnis auf, so dass sie dem Auskunftsberechtigten zugänglich werden.

Durch die präzise und formgerechte Dokumentation aller Vermögenswerte und Schulden des Erblassers wird das Risiko von Unstimmigkeiten und Streitigkeiten zwischen den Beteiligten oft erheblich reduziert.

Insgesamt trägt das notarielle Nachlassverzeichnis dazu bei, den Prozess der Nachlassabwicklung transparenter, gerechter und effizienter zu gestalten. Es minimiert das Konfliktpotenzial.

Auf der anderen Seite entstehen dadurch aber Zusatzkosten, die letztlich der Erbe und/oder der Pflichtteilsberechtigte wirtschaftlich zu tragen haben. In der Praxis zeigt sich häufig, dass es schwierig ist, einen Notar zu finden, der bereit ist, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen.

Auch wenn er rechtlich dazu verpflichtet ist, hört man häufig, dass aktuell keine Kapazität für solche Verzeichnisse bestehe, eine Warteliste eingerichtet sei oder aktuell der Terminkalender voll wäre und man keine Zeit habe. Dadurch und durch eine zögerliche Behandlung ergeben sich mitunter erhebliche Verzögerungen. Laufzeiten von weit über einem Jahr für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses sind leider selbst bei übersichtlichen Nachlässen keine Seltenheit.

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