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Der Pflichtteilsrestanspruch: Für wen und wann gilt er?

Erbteil/Vermächtnis bleibt hinter dem Wert des Pflichtteils - kann ich als Erbe oder Vermächtnisnehmer noch einen Pflichtteil bekommen?

Der Pflichtteil soll dem Pflichtteilsberechtigten eine wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass des Erblassers sichern, nämlich mindestens die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils. Er fällt grundsätzlich nur dann an, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, also enterbt wurde (§ 2303 BGB).

Doch was passiert, wenn der Erblasser diesen Schutz dadurch zu umgehen versucht, dass er den Pflichtteilsberechtigten zwar nicht enterbt, aber auf einen nur unzureichenden Erbteil einsetzt? Oder ihn zwar enterbt, aber mit einem unzureichenden Vermächtnis bedenkt?
In solchen Fällen wird der Pflichtteilsberechtigte durch den sog. Pflichtteilsrestanspruch geschützt.

Das Wichtigste in Kürze
  • Der Pflichtteilsrestanspruch oder Zusatzpflichtteil ist in §§ 2305, 2307 BGB geregelt.
  • Nur ein unterhalb der Pflichtteilsquote zum Erben Eingesetzter oder ein hinter dem Wert des Pflichtteils mit einem Vermächtnis bedachter Pflichtteilsberechtigter kann den Pflichtteilsrestanspruch haben.
  • Der Pflichtteilsrestanspruch ist nur auf Geld gerichtet.

1. Was ist der Pflichtteilsrestanspruch?

Der Pflichtteilsanspruch garantiert einem pflichtteilsberechtigten Erben oder Nichterben immer eine Beteiligung am Nachlass in Höhe der Pflichtteilsquote.

Setzt der Erblasser daher einen Pflichtteilsberechtigten zwar als Erben ein, bedenkt ihn aber mit einer Erbquote unterhalt der Pflichtteilsquote, dann darf der unzureichend als Erbe Eingesetzte nicht schlechter stehen als ein Enterbter. Daher gewährt das Gesetz dem pflichtteilsberechtigten Erben den sog. Pflichtteilsrestanspruch.

Das gleiche gilt, wenn der Pflichtteilsberechtigte zwar nicht Erbe wird, aber ein Vermächtnis erhalten soll, das wertmäßig hinter seinem Pflichtteil zurückbleibt. 
Hier hat der Vermächtnisnehmer allerdings ein Wahlrecht; zu den Einzelheiten, s.u.

Der unterhalb der Pflichtteilsquote eingesetzte pflichtteilsberechtigte Erbe bzw. der mit einem Vermächtnis bedachte Pflichtteilsberechtigte kann also zusätzlich zu senem Erbteil oder Vermächtnis die Differenz zwischen dem Wert seines Erbteils oder Vermächtnisses zum rechnerischen Pflichtteil als Restanspruch in Geld verlangen, um so die vorgesehene Mindestbeteiligung am Nachlass des Erblassers zu gewährleisten.

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2. Kann zusätzlich ein Pflichtteil gefordert werden, wenn der pflichtteilsberechtigte Erbe nicht ausreichend bedacht wurde?

Ja!
Wurde dem Pflichtteilsberechtigte ein unbeschränkter oder unbeschwerter Erbteil hinterlassen, der geringer als die Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils (also seine Pflichtteilsquote) ist, kann er gerade nicht ausschlagen, ohne seinen Pflichtteil zu verlieren. Aus diesem Grunde eröffnet § 2305 BGB die Möglichkeit, neben seinem unzureichenden Erbteil noch die Wertdifferenz zum Pflichtteil als Aufstockung zu fordern.

Berechnungsbeispiel: 

Die verwitwete Erblasserin E hat zwei Kinder, S und T. Sie hinterlässt nach Abzug der Verbindlichkeiten und Erbfallkosten einen Nachlass im Werte von 200.000,00 €. Sie hat ein Testament errichtet, in dem sie S zu 4/5 und T zu 1/5 als Erben eingesetzt hat.
Als testamentarische Erbin erhält T 40.000,00 € (1/5 von 200.000,00 €). Als eines von zwei Kinder betrüge ihre Pflichtteilsquote 1/4, also 50.000,00 €.
Der Wert ihres Erbteils bleibt also um 10.000,00 € hinter dem Wert des Pflichtteils zurück, weswegen sie noch diesen Betrag als Pflichtteilsrestanspruch verlangen kann.

3. Gegen wen und zu welchem Zeitpunkt ist der Pflichtteilsrestanspruch geltend zu machen?

Der Pflichtteilsrestanspruch richtet sich gegen die übrigen Miterben. Der Pflichtteilsrestanspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit. Die Miterben haften hierfür als Gesamtschuldner. Allerdings kann jeder Miterbe verlangen, dass die Berichtigung dieser Verbindlichkeit nur anteilig erfolgt (§ 2046 Abs. 2 BGB). Im übrigen kann jeder Miterbe seine Haftung auf seinen Nachlassanteil beschränken (§ 2363 abs. 2 BGB).

  Nachlass - Bedeutung und Erklärung

4. Was kann ein zu gering bedachter und gleichzeitig mit Belastungen beschwerter Erbe tun?

Hier ist besondere Vorsicht und unbedingt die Beratung durch einen Erbrechtsexperten geboten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Pflichtteilsberechtigte weniger als seinen rechnerischen Pflichtteil erhält!

Ist der pflichtteilsberechtigte Erbe unterhalb seine Pflichtteilsquote zum Erben eingesetzt  und zusätzlich „beschränkt oder beschwert“  i.S.d § 2306 BGB, dann gewährt im das Gesetz nur die Wahl, entweder die Erbschaft mit der Beschwerung anzunehmen oder aber die Erbschaft auszuschlagen, um sich den vollen Pflichtteil zu erhalten.

Berechnungsbeispiel: 

Hätte E im obigen Fall zusätzlich ein Geldvermächtnis an die Freundin D in Höhe von 20.000,00 € angeordnet, erhielte T nur 46.000,00 €, wenn sie die so beschwerte Erbschaft annimmt. Ihre Erbteil beliefe sich auf 36.000,00 € (1/5 von 180.000,00 € (200.000,00 € Nachlass - 20.000,00 € Vermächtnis). Daneben erhielte sie noch den Restanspruch von 10.000,00 €, bei dem die Beschwerung also nicht berücksichtigt wird.

Würde die T in diesem Fall die beschwerte Erbschaft ausschlagen, erhielte sie dahingegen den vollen Pflichtteil in Höhe von 50.000,00­€.

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Schlägt der unterhalb der Pflichtteilsquote eingesetzte und ansonsten nicht beschwerte pflichtteilsberechtigte Erbe die Erbschaft aus, verliert er seinen vollen Pflichtteil, sondern erhält nach § 2305 BGB nur noch den „Rest“.

 

Berechnungsbeispiel: 

Würde T im Beispiel 1 die Erbschaft von 1/5 ausschlagen, erhielte sie insgesamt nur ihren Restanspruch von 10.000,00­€.

5. Hat ein mit einem Vermächtnis bedachter Pflichtteilsberechtigter darüber hinaus einen Pflichtteilsrestanspruch?

Wenn der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten enterbt und ihm nur ein Vermächtnis zuwendet, dessen Wert hinter dem rechnerischen Pflichtteil zurückbleibt, dann hat der Pflichtteilsberechtigte nach § 2307 BGB ein Wahlrecht: Der Pflichtteilsberechtigte kann

  • das Vermächtnis ausschlagen und den vollen Pflichtteil verlangen oder
  • das Vermächtnis annehmen und den Restbetrag verlangen, der ihm zu seinem rechnerischen Pflichtteil fehlt.

 

Berechnungsbeispiel: 

Wäre die T im Beispiel 1 nicht als Miterbin zu 1/5 eingesetzt, sondern erhielte stattdessen eine Geldvermächtnis in Höhe von 40.000,00 €, könnte sie nach § 2307 BGB von ihrem Bruder S als Alleinerben die Zahlung weiterer 10.000,00 € verlangen.

 

  Generelle Informationen zum Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsrecht

6. Wie hoch ist der Pflichtteilsrestanspruch des Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft?

Wird der Ehegatte Erbe oder erhält ein Vermächtnis und nimmt dieses an, steht ihm ebenfalls ein Pflichtteilsrestanspruch zu, wenn die Werte hinter dem Pflichtteil zurück bleiben. Doch wie hoch ist der Pflichteil des Ehegatten?

Der rechnerische Wert des Pflichtteils des Ehegatten berechnet sich in diesem Fall nach dem sogenannten „großen Pflichtteil“ (erbrechtliche Lösung). Der Pflichtteil beträgt die Häfte des Wertes der um ein Viertel erhöhten gesetzlichen Ehegattenerbquote (§ 1371 I BGB).

Berechnungsbeispiel: 

Eheleute E und F sind ohne Ehevertrag verheiratet. E stirbt. Sein Nachlass hat einen Wert von 200.000,00 €. E ist zu 1/5 als Erbin eingesetzt. Der Sohn aus erster Ehe wird zu 4/5 als Erbe eingesetzt.
Als Miterbin erhält F 40.000,00 €. Wenn sie die Erbschaft annimmt, erhält sie nach § 2305 BGB weitere 10.000,00 €. Es gilt wegen des erbrechtlichen Erwerbs die erbrechtliche Lösung, weswegen der F der große Pflichtteil (1/4) gilt und deswegen der F die vom Gesetzgeber vorgesehene Mindestbeteiligung von 50.000,00 € zusteht. 

Neben dem großen Pflichtteil gibt es aber keinen zusätzlichen Zugewinnausgleich. Diesen gibt es nur, wenn der Ehegatte die Erbschaft oder ein Vermächtnis ausschlägt. Neben einem Zugewinnausgleich kann der Ehegatte immer nur den „kleinen Pflichtteil“ geltend machen (§ 1371 Abs. 2 BGB).

Was sinnvoll ist, kann nur im Einzelfall und nach konkreter Berechnung entschieden werden.

 

Berechnungsbeispiel: 

Wäre der Nachlass von 200.000,00 € im Beispiel 5 Zugewinn und hätte die F keinen erzielt, wäre sie gut beraten, die Erbschaft auszuschlagen. Sie erhielte dann anstelle von insgesamt 50.000,00 € den Betrag von 112.500,00 €, nämlich einen Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von 100.000,00 € und daneben noch den kleinen Pflichtteil (1/8) aus dem um den Zugewinnausgleich reduzierten Restnachlasswert, also 12.500,00 € [(200.000,00 € - 100.000,00 €) / 8 )]. 

 

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Nur Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, können eine unbeschwerte Erbschaft ausschlagen, ohne ihren Pflichtteil zu verlieren. Sie haben nach § 1371 BGB ein Wahlrecht.
Wegen der kurzen Ausschlagungsfrist, muss in diesen Fällen schnellstmöglich zu einem Erbrechtsexperten Kontakt aufgenommen werden!

  Ehegattenerbrecht - Ausführliche Informationen

7. Wann verjährt der Pflichtteilsrestanspruch?

Für den Pflichtteilsrestanspruch gelten für die Verjährung keine besonderen Regelungen. Er verjährt - genauso wie der Pflichtteilsanspruch - in der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren.

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