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Auskunft und Wertermittlung - Wie erfährt der Pflichtteilsberechtigte, welchen Wert der Nachlass hat?

Der Pflichtteilsberechtigte ist zumeist vor das Problem gestellt, dass er nur einen schuldrechtlich Anspruch auf Teilhabe am Nachlass des Erblassers hat, er aber nicht unmittelbar an der Erbschaft beteiligt ist. Die Tür zum Nachlass ist ihm sprichwörtlich verschlossen. Häufig wird er zu Lebzeiten des Erblassers nicht in so engem oder gutem Kontakt gestanden haben, dass er Klarheit über dessen Vermögensverhältnisse hätte.
Ohne genaue Kenntnis von Bestand und Zusammensetzung des Nachlasses kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil aber nicht beziffern und durchsetzen. Das Gesetz gewährt dem Pflichtteilsberechtigten daher in § 2314 BGB einen Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch gegen den Erben.

1. Nachlassverzeichnis - muss der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft über den Nachlass erteilen?

Ja, der Pflichtteilsberechtigte hat gegen den Erben - mehrere Erben haften als Gesamtschuldner - einen Anspruch auf Auskunft, wie sich der Nachlass im Einzelnen zusammensetzt. Er hat ein Nachlassverzeichnis zu erstellen und dem Auskunftsgläubiger vorzulegen. Mitzuteilen sind darin alle Vermögenswerte und alle Verbindlichkeiten des Nachlasses im Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Auf Verlangen hat sich das Nachlassverzeichnis auch über den fiktiven Nachlass zu verhalten, also sämtliche lebzeitigen Schenkungen des Erblassers-
Diese Informationen benötigt der Pflichtteilsberechtigte, um den Wert seines Pflichtteils ermitteln zu können.

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2. Fiktiver Nachlass - Muss der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auch Auskunft über Schenkungen des Erblassers erteilen?

Der Pflichtteilsberechtigte hat nicht nur Anspruch auf Auskunft über den tatsächlichen Nachlassbestand zum Zeitpunkt des Erbfalls, sondern auch darüber, ob, gegebenenfalls in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt der Verstorbene Schenkungen an andere Personen gemacht hat. Diese Informationen benötigt der Pflichtteilsberechtigte, um eventuelle Pflichtteilsergänzungs­ansprüche ermitteln zu können. Zudem können diese Informationen im Rahmen der sog. Ausgleichung bei der Ermittlung der Beteiligung von Kindern eine wichtige Rolle spielen.

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Die Auskunft ist, soweit es sich um Geschenke an andere Personen als den Ehegatten oder Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel usw.) handelt, auf einen Zeitraum von 10 Jahren vor dem Erbfall begrenzt. Ausnahmsweise sind auch Zuwendungen an Dritte mitzuteilen, wenn sich der Erblasser im Hinblick auf den übergebenen Vermögenswert ein Nutzungsrecht (sog. Nießbrauch) oder ggf. bei Immobilien ein Wohnungsrecht vorbehalten hat.

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Zuwendungen an den Ehegatten oder Abkömmlinge des Erblassers sind ohne Zeitgrenze, also bezogen auf die gesamte Lebenszeit des Erblassers bekannt zu geben.

Da Schenkungen in diesem Sinne auch Zuwendungen sein können, für die eine Gegenleistung erbracht worden ist, die aber nicht dem vollen Wert der Zuwendung entsprechen (gemischte Schenkung), sind auch solche Vorgänge zu offenbaren.

Beispiel - Gemischte Schenkung:

Der Erblasser verkauft eine Immobilie im Wert von 300.000 € an seinen Sohn zum Preis von 100.000,00 €. Damit unterschreitet die Gegenleistung den Wert der Immobilie um 200.000,00 €. In diesem Umfang liegt eine Schenkung des Erblassers vor. Der Erbe muss den Pflichtteilsberechtigten von diesem Vorgang informieren.

 

Bei ordnungsgemäßer Aufforderung hat der Erbe im Nachlassverzeichnis auch die pflichtteilsergänzungsrelevanten Schenkungen aufzuführen. Hierbei sind Schenkungen als gesonderte Position neben Aktiva und Passiva im Nachlassverzeichnis zu erfassen, da die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs unabhängig von der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs zu erfolgen hat.

Neben lebzeitigen Schenkungen sind hierbei insbesondere Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall zu erfassen. Hierzu gehören auch Lebensversicherungsverträge, in denen der Erblasser Versicherungsnehmer und versicherte Person war, und ein Dritter, sei es der Erbe oder ein anderer Dritter, die begünstigte oder sonst bezugsberechtigte Person.

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Bei derartigen Versicherungsverträgen ist regelmäßig der Rückkaufswert auf den Todestag zu ermitteln und anzugeben.

Ebenfalls in das Nachlassverzeichnis aufzunehmen, jedoch bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen, sind Vermögenswerte, die aufgrund eines beschränkten Pflichtteilsverzichts gemäß § 2346 Abs. 2 BGB aus der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs ausscheiden.

Bezüglich des Ehegattenvoraus ist streitig, ob Gegenstände, die dem Ehegattenvoraus unterliegen, im Nachlassverzeichnis aufzunehmen sind. Nach einer Ansicht sind die Gegenstände im Nachlassverzeichnis zunächst aufzunehmen, dann jedoch bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs unberücksichtigt zu lassen. Dem Pflichtteilsberechtigten muss allerdings die Möglichkeit gegeben werden, Einwendungen gegen die Zuordnung einzelner Gegenstände zum Ehegattenvoraus vorzubringen, sofern beispielsweise vom Erben auch Kunstgegenstände und ähnliches dem Ehegattenvoraus zugerechnet werden, die nicht einer standesgemäßen Lebensführung dienen.

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Ebenfalls im Nachlassverzeichnis zu erfassen und zu bezeichnen sind sogenannte bedingte, unsichere und zweifelhafte Rechte. Für sie gelten die Sonderbestimmungen des § 2313 BGB. Sie sind daher im Nachlassverzeichnis zu erfassen. Bei der Bewertung bleiben sie bis zur endgültigen Feststellung, ob sie bestehen, unberücksichtigt.

Schließlich gehört auch die Angabe in das Nachlassverzeichnis, in welchem Güterstand der Erblasser gelebt hat, da hiervon die Pflichtteilsquote abhängt.

3. Welche Angaben sind zu den einzelnen Nachlasspositionen zu machen?

Der oder die Erben müssen die sogenannten wertbildenden Faktoren der Nachlassgegenstände mitteilen, damit der Pflichtteilsberechtigte sich ein Bild über den Wert machen kann. Bei Sachen, wie einem Pkw, sind dies beispielsweise die Marke, das Modell, das Baujahr, der Neupreis, der Kilometerstand und der allgemeine Zustand des Fahrzeuges.

4. In welcher Form ist die Auskunft zum Nachlass zu erteilen?

Grundsätzlich ist eine geschlossene, aus sich heraus nachvollziehbare, schriftliche und geordnete Auskunft zu erteilen (Nachlassverzeichnis). Eine mündliche Auskunft reicht nicht aus. Der Pflichtteilsberechtigte muss auch nicht akzeptieren, dass ihm in einer Vielzahl von unterschiedlichen Schriftstücken Informationen zum Nachlassbestand erteilt werden. Damit soll dem Pflichtteilsberechtigten ein eigenes Zusammensuchen von Informationen erspart werden. Insbesondere soll er nicht in das Risiko tragen, zu beurteilen, ob eine bestimmte Information nun der Auskunft zuzurechnen ist oder nicht.

Der Auskunftsberechtigte kann bestimmen, ob er sich eine Auskunft von dem Verpflichteten selbst erstellen lässt (privates Nachlassverzeichnis) oder ob ein Notar im Auftrag des Auskunftsverpflichteten das Nachlassverzeichnis (notarielles Nachassverzeichnis) erstellt. Beide Verzeichnisse, das privatschriftliche und das notarielle, können auch ohne Angabe von Gründen nacheinander verlangt werden.

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5. Sind durch den Erben Urkunden und Belege vorzulegen, um seine Auskunft zu verifizieren?

Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung zur Vorlage von Belegen. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich mit der Mitteilung von Informationen des Erben in der Regel zufrieden geben. Von diesem Grundsatz gibt es nur wenige Ausnahmen: Befindet sich im Nachlass beispielsweise ein Unternehmen oder eine Gesellschaftsbeteiligung, hat der Erbe zur Erfüllung des Auskunftsanspruches auch die Geschäftsunterlagen vorzulegen, aus denen sich der Wert des Unternehmens bzw. der Gesellschaft errechnen lässt. Hierzu zählen insbesondere die Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen der letzte 3 Jahre vor dem Erbfall sowie bestehende Gesellschaftsverträge. 

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6. Welche Anforderungen muss ein notarielles Nachlassverzeichnis erfüllen?

Der das Nachlassverzeichnis aufnehmende Notar muss sich selbst ein Bild von dem der Zusammensetzung des Nachlasses machen. Er muss also selbst Bankbelege einsehen oder Auskünfte bei Banken einholen. Er hat sich an den letzten Wohnort des Erblassers zu begeben, um dort die gegebenenfalls noch vorhandenen Sachen zu besichtigen und dabei seine eigenen Erkenntnisse aufzuzeichnen. Er darf sich nicht darauf beschränken, lediglich Erklärungen des oder der Erben zu protokollieren. Allerdings ist er natürlich auf die Mitwirkung der Miterben angewiesen. 

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Notarielles Nachlassverzeichnis

Der Pflichtteilsberechtigte hat das Recht, bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses anwesend zu sein. Auch wenn der Pflichtteilsberechtigte kein Recht auf Vorlage von Urkunden oder Belegen hat, kann er doch dem das Verzeichnis aufnehmenden Notar über die Schulter blicken. Da der Notar sich selber ein Bild vom Nachlass verschaffen muss, hat er sich die Belege vorlegen zu lassen und einzusehen. Ist der Pflichtteilsberechtigte anwesend, kann er damit doch Urkunden und Belege einsehen.

7. Wie kann ein Pflichtteilsberechtigter überprüfen, ob die ihm erteilten Informationen wahr und vollständig sind?

Bei der Erteilung der Auskünfte wird der Bock quasi zum Gärtner gemacht. Derjenige, der den Pflichtteil zu bezahlen hat, darf (muss) die Auskunft erteilen, von der die Höhe des Pflichtteils abhängt. Noch nicht einmal Belege müssen vorgelegt werden.

Die Verlockung für den Erben, die geschuldeten Auskünfte nicht vollständig oder wahrheitsgemäß zu erteilen, ist daher groß. Dementsprechend ist es auch das Misstrauen des Pflichtteilsberechtigten. Eine Kontrolle der Auskünfte ist nur möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte eigene Informationen über den Nachlass hat oder er sich solche selber beschaffen kann.

Hat der Pflichtteilsberechtigte begründete Zweifel daran, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt wurde, oder diese lücken- oder fehlerhaft ist, sieht das Gesetz vor, dass er vom Erben verlangen kann, dass dieser die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft, soweit er dazu imstande wahr, an Eides Statt versichert.
Zweifel in diesem Sinne sind beispielsweise gegeben, wenn die Informationen ohne sachlichen Grund nur nach und nach erteilt worden sind oder ursprüngliche Angaben zum Nachlass später ohne nachvollziehbaren Grund korrigiert werden mussten. Ebenso können sich Zweifel ergeben, wenn die Auskunft nur schleppend und sozusagen scheibchenweise auf immer erneute Aufforderung des Berechtigten erteilt wird. Die eidesstattliche Versicherung ist beim Amtsgericht abzugeben, wo der auskunftsverpflichtete Erbe wohnt. Versichert der Auskunftsverpflichtete schuldhaft falsche Angaben, macht er sich strafbar (§ 156 StGB).

Beispiel - Eidesstattliche Versicherung nach erteilter Auskunft:

Der nichteheliche Sohn S des Erblassers E liegt im Streit mit dessen Witwe und Alleinerbin F. Diese erteilt erst auf mehrfache Mahnung und unter Einschaltung eines Rechtsanwalts ein Nachlassverzeichnis und muss dies, da Ihre Fehler nachgewiesen werden, zweimal korrigieren. In diesem Fall kann S verlangen, dass F an Eides Statt gegenüber dem Gericht versichert, dass sie die Auskünfte nach bestem Wissen vollständig abgegeben hat, soweit sie dazu in der Lage war.

  Eidesstattliche Versicherung - Bedeutung und Erklärung

8. Wie kann sich der Pflichtteilsberechtigte ohne Hilfe des Erben eigene Informationen zum Nachlass beschaffen?

Die Informationsmöglichkeiten des Pflichtteilsberechtigten sind sehr beschränkt. Er hat insbesondere nicht das Recht, den Nachlass selbst in Augenschein zu nehmen, wenn der oder die Erben dem nicht ausdrücklich zustimmen. Letzteres dürfte selten vorkommen. Er kann also beispielsweise keinen Zutritt in die letzte Wohnung des Erblassers verlangen, um sich Informationen zu beschaffen. Ebenso wenig sind Banken berechtigt oder verpflichtet, ihm Auskunft zu etwaigen Bankguthaben oder Darlehen zu geben.

Dennoch gibt es Möglichkeiten, sich Informationen selbst zu beschaffen. Der Pflichtteilsberechtigte kann sich Grundbuchauszüge vom Grundbuchamt zu Immobilien erteilen lassen, die ganz oder zumindest teilweise im Eigentum des Erblassers gestanden haben. Das gilt sowohl für Immobilien, die zum Zeitpunkt des Todes in seinem Eigentum standen, als auch für Immobilien, die er früher in seinem Eigentum hatte. Bezüglich dieser Immobilien kann der Pflichtteilsberechtigte sich sogar Kopien der Verträge geben lassen, mit denen der Erblasser das Eigentum erworben oder übertragen hat. Daraus lassen sich Informationen entnehmen, ob bei der Übertragung des Eigentums beispielsweise auf ein Kind eine Gegenleistung erbracht worden ist und welchen Wert diese hatte. Ebenso lässt sich darin feststellen, ob der Erblasser sich Nutzungsrechte (Wohnrecht oder Nießbrauch) vorbehalten hat. Beides kann für die Ermittlung und Bewertung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen sowie für die sog. Ausgleichung relevant sein.

  Ausgleichung - Bedeutung und Erklärung

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Registerauszug

Die Auskunft des Grundbuchamtes ist nicht teuer. Sie kostet aktuell 12,00 €. Gegenüber dem Grundbuchamt muss lediglich ein rechtliches Interesse dargelegt werden. Es reicht aus, wenn dem Grundbuchamt dargelegt wird, dass eine Pflichtteilsberechtigung besteht. Es besteht auch die Möglichkeit bei Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen, die im Handelsregister eingetragen sind, Informationen zu erhalten, wenn der Erblasser daran beteiligt war. Für manche Unternehmen besteht auch die Verpflichtung über ihre Tätigkeit Informationen zu veröffentlichen, die eine Quelle für die Unternehmensbewertung sein können.

Der Pflichtteilsberechtigte hat das Recht, bei der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses anwesend zu sein. Dabei kann er durch ergänzende Fragen oft wertvolle Informationen erhalten. Ihm steht aber nur ein Teilnahme- und kein Fragerecht zu. Die Praxis sieht freilich häufig anders aus. Von der Möglichkeit der Teilnahme wird jedoch nur selten Gebrauch gemacht, weil die Beteiligten in der Regel ein sehr angespanntes persönliches Verhältnis haben, aufgrund dessen ein Zusammentreffen eher vermieden wird. Gerade in Fällen, in denen unerklärliche Vermögensabflüsse zu Lebzeiten des Erblassers im Raume stehen, empfiehlt es sich, auf die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu bestehen und dabei anwesend zu sein, um den Notar auf diese Vorgänge hinzuweisen, damit er seiner Ermittlungspflicht nachkommt. Die Erfahrung zeigt, dass die Neigung der Notare, Ermittlungen anzustellen, eher gering sind, wenn nicht auf die Aufklärung bestimmter Punkte gedrängt wird.

Nicht zuletzt lassen sich auch Informationen über den Nachlassbestand durch Einsicht in die Nachlassakte erlangen. Das Nachlassgericht fordert im Zusammenhang mit der Eröffnung eines Testamentes den oder die Erben nämlich auf, mitzuteilen, welchen Wert der Nachlass hat. Zu dem Zweck wird ein Erfassungsbogen übersandt, der von den Erben ausgefüllt zurück zu senden ist. Zwar werden an diese Nachlassaufstellung durch die Gerichte keine hohen Anforderungen gestellt. Dennoch können sie oft für den Pflichtteilsberechtigten bei der Aufklärung des Nachlassbestandes eine nützliche Hilfe sein. Tauchen Widersprüche zum Nachlassverzeichnis, das der Erbe gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten abgibt, auf, kann dies Anlass sein, dass der Erbe seine Angaben an Eides Statt versichern muss.

9. Kann der Pflichtteilsberechtigte eine Schätzung des Wertes von Nachlassgegenständen verlangen?

Ja, der Pflichtteilsberechtigte hat nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB einen Wertermittlungsanspruch. Die Bewertung muss ausdrücklich verlangt werden. Der oder die Erben müssen also nicht von sich aus ungefragt ein Gutachten vorlegen. Wird ein Wertgutachten verlangt, dann geht dies auf Kosten des Nachlasses. Diese Kosten vermindern aber mittelbar den Pflichtteilsanspruch des Berechtigten, da diese als Nachlassverbindlichkeiten in das Nachlassverzeichnis eingestellt werden können.

Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass der Wert durch einen unabhängigen und unparteiischen Sachverständigen ermittelt und ihm das Gutachten vorgelegt wird. 

10. Wie muss die nach § 2314 BGB geschuldete Wertermittlung aussehen, kann ein bestimmter Sachverständiger gewünscht werden?

Der Pflichtteilsberechtigte hat keinen Anspruch auf Auswahl eines bestimmten Sachverständigen. Der Erbe hat das Recht, den Sachverständigen zu bestimmen.
Es besteht nach überwiegender Auffassung keine Verpflichtung, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit der Bewertung zu beauftragen. Allerdings muss die Person, die die Bewertung vornimmt, über die erforderliche Sachkunde zur Bewertung des Nachlassgegenstands verfügen. Zudem müssen die Grundlagen seiner Bewertung in dem Gutachten nachvollziehbar dargelegt werden und den üblichen Grundsätzen der Wertermittlung entsprechen. Kommen verschiedene Wertermittlungsmethoden in Betracht, muss sich das Gutachten damit auseinandersetzen, warum die eine oder andere Methode gewählt wurde.

Der Pflichtteilsberechtigte hat nicht das Recht, die Wertermittlung in eigener Verantwortung durchzuführen. Das gilt selbst dann, wenn er bereit ist, die Kosten hierfür selbst zu tragen. Selbstverständlich steht es ihm frei, ein ihm vorgelegtes Gutachten durch einen eigenen Sachverständigen überprüfen zu lassen oder gar ein eigenes Gutachten (auf eigene Kosten) einzuholen.

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Verbindlichkeit des Wertgutachtens

Ein nach § 2314 BGB vom Erben vorgelegtes Gutachten ist für den Pflichtteilsberechtigten nicht verbindlich. Er kann einen anderen Wert seiner Pflichtteilsrechnung zurunde legen. Allerdings muss er im Streitfall bei Gericht einen anderen Wert beweisen. Wird für ein Nachlassgrundstück ein Wertgutachten vorgelegt, das Grundstück aber zeitnah nach dem Erbfall verkauft – was nach Ansicht des BGH noch bis zu 5 Jahre sein kann, wenn sich die Marktverhältnisse nicht geändert haben und an der Immobilie keine Veränderungen vorgenommen wurde –, dann ist nicht der vom Sachverständigen geschätzte Wert für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs maßgeblich, sondern der erzielte Verkaufserlös. Ob der geschätzte Wert höher oder niedriger liegt als der Kaufpreis, spielt keine Rolle. Dies gilt aber nur dann, wenn es sich um ein typisches Verkehrsgeschäft handelt, das Haus also nicht in der Familie oder zu Freundschaftskonditionen verkauft wurde.

 

Beispiel - Wertgutachten versus Kaufpreis:

Eine Nachlassimmobilie wird durch einen Sachverständigen mit 250.000,00 € bewertet. Zwei Jahre nach dem Erbfall wird das Haus aber für 300.000,00 € verkauft, ohne dass Veränderungen daran seit dem Erbfall vorgenommen wurden. Hier ist für die Pflichtteilsberechnung von einem Wert von 300.000,00 € im Zeitpunkt des Erbfalls auszugehen. Erfolgt der „Verkauf“ innerhalb der Familie des Erben, beispielsweise an ein Kind, und weicht der „Kaufpreis“ erheblich vom Gutachtenwert ab, ist auf den Schätzwert abzustellen, da kein typisches Verkehrsgeschäft vorliegt.

Weitere Fragen und Antworten

Zurückbehaltungsrecht - Kann der Erbe die Erteilung der Auskünfte davon abhängig machen, dass der Pflichtteilsberechtigte seinerseits Ansprüche des Erben erfüllt?

Nein, der Erbe hat keine sog. Zurückbehaltungsrechte oder Einreden, die er geltend machen könnte, um seine Auskunft zurückzuhalten.

Beispiel - Zurückbehaltungsrecht:

Der verwitwete Erblasser E hat zwei Kinder, S und T. Er setzt seinen Sohn S zu seinem Alleinerben ein. T verlangt daraufhin die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses. S ist der Meinung, dass er ein solches solange nicht vorzulegen braucht, bis ihm T ihrerseits Auskunft über erhalten Geschenke gemacht hat.
S liegt falsch. Er muss das Nachlassverzeichnis vorlegen. Wegen eines offenen Auskunftsanspruches kann kein Zurückbehaltungsrecht gegen einen anderen Auskunftsanspruch geltend gemacht werden.

 

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Zurückbehaltungsrecht

Hängt der geltend gemachte Anspruch von dem der geschuldeten Auskunft ab, weil sich, je nachdem, was die Auskunft ergibt, die Forderung verändert, kann ein Zurückbehaltungsrecht eingewandt werden. Würde also im vorherigen Beispielsfall die T ihren Pflichtteil der Höhe nach beziffern und von S verlangen, könnte er die Zahlung solange unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht verweigern, bis T ihrerseits Auskunft über erhaltene Zuwendungen erteilt hat. Grund: Der Pflichtteilsanspruch hängt davon ab, ob T ausgleichungspflichtige Zuwendungen oder Schenkungen erhalten hat, die sie sich auf den Pflichtteil anrechnen lassen muss. 

Verjährung - wie lange kann Auskunft verlangt werden?

Der Anspruch auf Auskunft kann ebenso verjähren wie der Pflichtteilsanspruch selbst. Die Verjährungsfrist beträgt, wie beim Pflichtteilsanspruch auch, drei Jahre. Wegen des Fristbeginns, des Ablaufs, der Hemmung und des Neubeginns kann auf die Ausführung zur Verjährung des Pflichtteilsanspruches verwiesen werden.

Beispiel - Verjährung Auskunftsanspruch:

Der Erblasser ist am 10. November 2015 verstorben. Er hatte ein Testament errichtet, das im Januar 2016 von dem Nachlassgericht eröffnet wird und dem Pflichtteilsberechtigten zugeht, in dem er seinen Sohn enterbt hat. Die Verjährung des Auskunftsanspruchs beginnt dann mit Ablauf des Jahres 2016 zu laufen und endet mit Ablauf des Jahres 2019. Ab dem 01.01.2020 ist der Auskunftsanspruch also nicht mehr durchsetzbar.

 

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Verjährung Pflichtteilsanspruch

Im Grunde genommen besteht ein Gleichlauf zwischen Pflichtteils(ergänzungs)anspruch und Anspruch auf Auskunft. Solange dem Grunde nach der Pflichtteils(ergänzungs)anspruch nicht verjährt ist, kann noch Auskunft verlangt werden. Da gegenüber verschiedenen Personen unterschiedliche Verjährungsfristen laufen, sollte in jedem Fall rechtlicher Rat vom Fachanwalt für Erbrecht eingeholt werden, wenn die Verjährung entscheidend für die Durchsetzung von Ansprüchen sein könnte.

Wer trägt die Kosten für die Erstellung der Auskunft?

Soweit der oder die Erben die Auskunft selbst erteilen, können sie für Ihren Aufwand keine Kosten geltend machen. Auch die Kosten für eine Rechtsberatung im Zusammenhang mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses werden grundsätzlich nicht zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten berücksichtigt. Etwas anderes kann ausnahmsweise nach umstrittener Auffassung dann gelten, wenn der zur Auskunftsverpflichtete ersichtlich nicht in der Lage wäre, ein Nachlassverzeichnis selbst zu errichten, weil er etwa gesundheitlich dazu nicht in der Lage wäre. 

Verlangt der Pflichtteilsberechtigte jedoch ein notarielles Nachlassverzeichnis, kann der Erbe die Kosten hierfür aus dem Nachlass begleichen. Dadurch vermindert sich der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten um den seiner Pflichtteilsquote entsprechenden Anteil an den Kosten des Nachlassverzeichnisses.

Die Kosten für die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses berechnet der Notar anhand des GNotKG. Nach Nr. 23500 KV erhält der Notar dafür 2,0 Gebühren nach einem Geschäftswert gem. § 115 GNotKG. Danach ist Geschäftswert der Aktivbestand des verzeichneten Nachlasses - also ohne Abzug der Verbindlichkeiten.

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