Erbrecht bei nicht verheirateten Lebenspartnern
Die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften in Deutschland steigt. Durch die Brille des Erbrechts- und Steuerexperten gesehen, ist das Zusammenleben ohne Trauschein alles andere als günstig.
Was Sie in Sachen Erbrecht beachten müssen, wenn Sie mit Ihrem Lebensgefährten oder Ihrer Lebensgefährtin eine sogenannte wilde Ehe führen und nicht verheiratet sind, können Sie hier nachlesen.
- Unverheiratete haben im Todesfall kein gesetzliches Erbrecht.
- Wer in einer eheähnlichen Beziehung zusammenlebt, ohne verheiratet zu sein, sollte den Partner über ein Testament, eine Lebensversicherung oder ein Vermächtnis absichern.
- Vererben ohne Trauschein bringt jedoch viele Nachteile mit sich, weil nicht Verheiratete in der Steuerklasse III sind - das bringt nicht nur einen geringen Erbschaftsteuerfreibetrag, sondern auch hohe Erbschaftsteuern mit sich.
- Besitzt der verstorbene Partner eine Eigentumswohnung oder Haushälfte, muss der Überlebende innerhalb von 30 Tagen ausziehen (Dreißigster).
- Was sollten nicht verheiratete Paare in Sachen Erbrecht beachten?
- Welche Rechte haben Lebensgefährten im Todesfall?
- Warum droht unverheirateten Paaren im Erbfall eine hohe Steuerlast?
- Haben Lebensgefährten im Todesfall Anspruch auf die Wohnung?
- Wann ist in Lebensgemeinschaften keine spezielle Nachlassplanung erforderlich?
- Was ist mit den Pflichtteilsansprüchen, wenn der Lebenspartner Erbe wird?
- Können auch Schenkungen zur Pflichtteilshaftung führen?
- Kommt es bei verwitweten Partnern zum Verlust der Testierfreiheit?
- Müssen Geschenke im Erbfall zurückgegeben werden?
- Was gilt im Pflegefall des Lebenspartners?
1. Was sollten nicht verheiratete Paare in Sachen Erbrecht beachten?
Kharim-Oliver Elmasry, Notar & Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg und Kiel, erklärt alles Relevante zum Thema Erbrecht für unverheiratete Lebenspartner.
Wichtig zu wissen ist, dass für nicht verheiratete Lebenspartner, die sich bewusst gegen die Institution der Ehe entschieden haben, kein gesetzliches Erbrecht an dem Vermögen des überlebenden Lebenspartners besteht. Wenn Sie möchten, dass Ihr Partner an der Erbschaft beteiligt wird, ist die gewillkürte Erbfolge die einzige Möglichkeit. Doch auch dann müssen Belastungen durch die Erbschaftsteuer bedacht werden.
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2. Welche Rechte haben Lebensgefährten im Todesfall?
Die wilde Ehe ist zu Lebzeiten sehr beliebt, weil sie weitgehend frei von Verpflichtungen ist. Im Todesfall kann eine Lebenspartnerschaft ohne Trauschein sehr ernüchternd sein - und zwar für den hinterbliebenen Partner.
Erb- und steuerrechtlich ist der überlebende Partner im Vergleich zu einem verwitweten Ehepartner stark benachteiligt. Wer die Vorzüge einer wilden Ehe genießt, ist daher gut beraten, sich mit dem Ärger und den Versorgungslücken zu beschäftigen, die nach einem Todesfall dem überlebenden Partner das Leben schwer machen können.
Das deutsche Erbrecht sieht nämlich für nichteheliche Lebensgefährten überhaupt kein gesetzliches Erb- oder Pflichtteilsrecht beim Tod des Partners vor. Das gilt auch dann, wenn die Lebensgemeinschaft auf Dauer bestanden hat, den Charakter einer Ehe angenommen und der Überlebende seinen Partner intensiv über Jahre hinweg gepflegt und in dieser Zeit kein eigenes Einkommen erzielt hat. Es erben nach der gesetzlichen Erbfolge die Verwandten, nicht der Lebensgefährte. Die Rechte einer Lebensgefährtin im Todesfall bzw. die Rechte eines Lebensgefährten im Todesfall bleiben weit hinter denen eines Ehepartners zurück.
Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht
Die Regelungen gelten sowohl für gleichgeschlechtliche als auch für nicht gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Seit dem Jahr 2017 gibt es die eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare nicht mehr. Im Rahmen der Ehe für alle gehen seither auch gleichgeschlechtliche Paare die Ehe ein.3. Warum droht unverheirateten Paaren im Erbfall eine hohe Steuerlast?
Wer die Ehe meidet, meidet auch eine Steuerspargemeinschaft. Partner ohne Trauschein unterliegen nicht erst im Schenkungs- und Erbfall einer hohen Steuerlast. Schon zu Lebzeiten zahlen sie Einkommensteuern nach Steuerklasse I und können nicht das Ehegattensplitting nutzen. Nach dem Tod des Lebensgefährten können sie als Erben nur minimale Erbschaftsteuer-Freibeträge von 20.000 Euro in Anspruch nehmen. Selbst wenn der eine Partner dem anderen beispielsweise per Testament ein Haus oder einen hohen Geldbetrag vererbt, wird ein nicht unerheblicher Teil der Erbschaft von den anfallenden Erbschaftsteuern verschluckt.
Um die Erbschaftsteuerlast zu minimieren, kann man einiges tun. So kann es sinnvoll sein, dass die Lebenspartner dann, wenn einer der beiden schwer erkrankt ist, doch noch heiraten, um dann Immobilien und andere Vermögenswerte auf den voraussichtlich überlebenden Partner steuergünstig zu übertragen. Auch spezielle Gestaltungen beim Abschluss von Lebensversicherungen kommen zur Einsparung hoher Erbschaftsteuern in Frage.
Erbrecht und Lebensversicherung - Gestaltungsmöglichkeiten und Risiken
Praxistipp vom Anwalt für Erbrecht
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4. Haben Lebensgefährten im Todesfall Anspruch auf die Wohnung?
Lebensgefährten haben gegenseitig keinen Anspruch auf die Eigentumswohnung oder das Haus des Partners, wenn dieser verstirbt. Dabei ist es unerheblich, wie lange Paare gemeinsam dort gewohnt haben.
Die gemeinsame Wohnung muss der überlebende Lebensgefährte sogar nach 30 Tagen räumen, was viele besonders hart trifft. Die Regelung, dass der Lebensgefährte nach dem Tod des anderen innerhalb von 30 Tagen ausziehen muss, wird Dreißigster genannt. Nach Ablauf der 30 Tage können die Erben den überlebenden Partner buchstäblich vor die Tür setzen.
Umgehen können die Partner den Dreißigsten beispielsweise, indem der Eigentümer der Immobilie dem Lebenspartner ein zeitlich befristetes oder lebenslanges Wohnrecht einräumt.
5. Wann ist in Lebensgemeinschaften keine spezielle Nachlassplanung erforderlich?
Wo nichts oder wenig zu vererben ist, braucht man sich um eine Nachfolgeregelung nicht zu kümmern.
Bei nichtehelichen Lebenspartnern, die glücklich zusammenleben, ihr Vermögen aber nach dem Gesetz den Kindern vererben wollen, ist es nicht erforderlich, etwas zu regeln. Dies gilt insbesondere dann, wenn die beiden Partner wirtschaftlich unabhängig voneinander gesichert sind.
Nach einer neuen gesetzlichen Bestimmung tritt der Überlebende der Lebensgemeinschaft außerdem automatisch in den Mietvertrag des verstorbenen Partners ein, so dass selbst das Weiterleben in der gemeinsamen Mietwohnung kein Problem darstellt.
6. Was ist mit den Pflichtteilsansprüchen, wenn der Lebenspartner Erbe wird?
Wenn Sie Ihren unehelichen Partner wirtschaftlich absichern möchten, ist nach dem deutschen Erbrecht entweder ein Testament oder ein Erbvertrag notwendig.
Die beiden Partner können aber kein gemeinschaftliches Ehegattentestament und damit auch kein so genanntes „Berliner Testament“ errichten. Größtmögliche Absicherung bietet die Einsetzung des Lebenspartners als Alleinerbe im Testament.
Wenn jedoch ein Partner (noch) verheiratet ist und keinen Scheidungsantrag gestellt hat, kann der (Noch-) Ehepartner den Pflichtteil einfordern. Auch die eigenen Kinder sind pflichtteilsberechtigt. Ein Lebenspartner, der als Alleinerbe eingesetzt wurde, kommt deshalb noch keineswegs ganz allein in den Genuss des gesamten Vermögens, das der Verstorbene hinterlässt. Pflichtteilsschulden sind sofort mit dem Erbfall fällig. So können die gesetzlichen Erben bis zu 50 % des Nachlasses in Bargeld fordern. Häufig wird übersehen, dass auch die Eltern eines kinderlosen Lebenspartners pflichtteilsberechtigt sind und Anspruch bis zur Hälfte des Vermögens erheben können.
Hinzu kommt die hohe Erbschaftsteuer, die auf das Erbe fällig wird, wenn das Paar nicht verheiratet war. Ein unverheirateter Partner ist nach dem deutschen Erbrecht in der Steuerklasse iii und hat lediglich einen Freibetrag von 20.000 Euro. Der Steuersatz beträgt je nach Vermögen zwischen 30 und 50 Prozent.
Beispiel:
Eine Lebenspartnerin erbt als testamentarische Alleinerbin von ihrem verstorbenen Freund ein Haus im Wert von 500.000 EUR und 5.000 EUR Bargeld. Nach dem plötzlichen Tod des Lebenspartners, der noch verheiratet war und noch keinen Scheidungsantrag gestellt hatte, machen die Ehefrau und vier Kinder ihren Pflichtteilsanspruch geltend. Das bedeutet (lässt man einen konkreten Zugewinnausgleich mal außen vor), dass die Lebenspartnerin von 505.000 EUR Vermögen von einem Tag auf den anderen 252.500 EUR Pflichtteilsschulden bezahlen muss: Die Ehefrau bekommt ein Achtel (63.125 EUR) und die vier Kinder jeweils 3/32 (47.343,75 EUR).
Um dem überlebenden Lebenspartner Pflichtteilsansprüche zu ersparen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. So kann man den Noch-Ehepartner mit einem Scheidungsantrag als Erben ausschließen. Anders ist das bei den Kindern. Schutz vor der „Pflichtteilshaftung“ bietet hier folgende Lösung: Söhne und Töchter verzichten notariell auf den Pflichtteil – freiwillig oder gegen Zahlung einer Abfindung.
7. Können auch Schenkungen zur Pflichtteilshaftung führen?
Wer das Pflichtteilsrecht kurz vor dem absehbaren Tod durch Schenkungen an den Lebenspartner aushebeln möchte, kommt damit nicht ans Ziel. Denn alle Schenkungen in den letzten zehn Jahren sind für die Pflichtteilsberechtigten nicht einfach verloren.
Kinder, Eltern und Noch-Ehepartner des Verstorbenen können fordern, dass für die Pflichtteilsberechnung das verschenkte Vermögen als Teil der Erbschaft gewertet wird.
Sie machen dann so genannte „Pflichtteilsergänzungsansprüche“ geltend. In der Konsequenz bedeutet das, dass der überlebende Lebenspartner den Pflichtteil nach dem zusammengerechneten Wert des Nachlasses und der Schenkungen in bar auszahlen muss.
8. Kommt es bei verwitweten Partnern zum Verlust der Testierfreiheit?
Häufig wird übersehen, dass nicht immer das letzte Testament das gültige ist, auch wenn auf dem Papier „Mein letzter Wille“ steht. Ehepartner, die ein gemeinsames Testament oder einen Erbvertrag errichten, sind an diesen „letzten Willen“ gebunden, sobald die Ehefrau oder der Ehemann gestorben ist. Es ist dann in der Regel nicht mehr möglich, die Erbfolge zu Gunsten eines Lebenspartners abzuändern.
Hier muss man sich aber die juristischen Feinheiten ganz genau anschauen und gegebenenfalls Rücksprache mit einem Anwalt für Erbrecht halten.
Informationen zum Geschiedenentestament
Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht
In manchen Fällen ist ein Widerruf des gemeinsamen Ehegatten-Testaments möglich. Und in seltenen Fällen kann das gemeinsame Testament auch durch eine Anfechtung zu Fall gebracht werden. Wer auf diesem schwierigen Terrain etwas erreichen will, kommt ohne einen in der Materie versierten Erbrechtler nicht weiter. Unsere Anwälte für Erbrecht helfen Ihnen gern weiter.
9. Müssen Geschenke im Erbfall zurückgegeben werden?
Lebenspartner schenken sich nicht nur Liebe: Sie übereignen sich – häufig schon zu Lebzeiten – auch materielle Werte: Schmuck, Autos, Geld und Immobilien. Doch damit ist ein erhebliches Risiko verbunden. Scheitert die nichteheliche Lebensgemeinschaft, kann der großzügige Schenker nun nicht auf einmal die Herausgabe der verschenkten Gegenstände verlangen. Egal, wie hoch der Wert ist, die per Schenkung übereigneten Dinge bleiben Eigentum des oder der Beschenkten.
Ähnliches gilt, wenn der beschenkte Partner vor dem Schenker stirbt. Alles, was verschenkt wurde, ist für den Schenker verloren, wenn kein Testament vorliegt. Die gesetzlichen Erben des beschenkten Partners kommen dann in den Genuss der Vermögenswerte.
Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht
Gegen den Verlust von Schenkungen kann man sich per Vereinbarung absichern. So ist es sinnvoll, wenn die nichtehelichen Lebenspartner vereinbaren, dass die geschenkten Gegenstände sowohl bei der Auflösung der Lebenspartnerschaft als auch beim Tod des beschenkten Partners an den Schenker zurückfallen.10. Was gilt im Pflegefall des Lebenspartners?
Eine besondere Problematik entsteht, wenn ein Partner pflege- oder betreuungsbedürftig wird. Ärzte, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen dürfen nur Verwandte über den Gesundheitszustand informieren. Bei Betreuungsbedürftigkeit setzen die Vormundschaftsgerichte in der Regel nur Familienangehörige oder ausgebildete Kräfte als Betreuer ein.
Um zu erreichen, dass die Lebenspartner als Ansprechpartner akzeptiert werden, als Bevollmächtigte für den Partner handeln können und als Betreuer eingesetzt zu werden, muss man mit einer Vorsorgevollmacht und/oder Betreuungsverfügung arbeiten.
Wie kann ich meinen Lebenspartner und meine Kinder absichern?
Je nach Familienverhältnissen kann man individuelle Regelungen treffen, die für alle Hinterbliebenen – auch den Lebenspartner – eine gute Lösung darstellen. So kann man den überlebenden Partner beispielsweise per Vermächtnis durch ein Wohnrecht, ein Nießbrauchsrecht oder eine Leibrente absichern und den Kindern als Erben das Vermögen hinterlassen.
Im Einzelfall kann es auch sinnvoll sein, die Lebenspartnerin als Vorerben und die Kinder oder Geschwister als Nacherben einzusetzen. In diesem Fall kann die Lebenspartnerin nach dem Todesfall aus dem Nachlass nichts verschenken, nichts verkaufen und nichts mit Grundpfandrechten belasten.
Vor- und Nacherbschaft - Was sind die Voraussetzungen und Folgen?
Nach ihrem Tod erben sodann die Kinder als Nacherben. Dies ist jedoch ungünstig, was die anfallenden Steuern angeht.
Was können Experten für Erbrecht für Sie tun?
Rechtsanwälte für Erbrecht können Ihnen nicht nur Fragen zum Thema Erbrecht für Unverheiratete beantworten, sondern Ihnen in vielerlei Hinsicht behilflich sein:
- Vertragliche Regelungen für das Zusammenleben ohne Trauschein (Testament oder Erbvertrag, Enterbung gesetzlicher Erben)
- Beratung zur Absicherung der Partner und Kinder
- Berechnung der Steuerlast für Unverheiratete im Erbfall
- Vertragslösungen für Erben, z. B. bei Verzicht auf Pflichtteil gegen Zahlung einer Abfindung
- Anfechtung eines nicht mehr gewollten Ehegattentestaments
- Mediation bei Erbstreitigkeiten
- Maßnahmen zur Verminderung der Steuerlasten
- Vertretung bei verworrenen Eigentumsverhältnissen
- Abwehr unberechtigter Ansprüche