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8.3.2007

Brief an den Notar stellt Widerrufstestament dar

Fachanwalt für Erbrecht, Testamentsvollstrecker in Heinsberg - Hans-Oskar Jülicher
Autor:

Hans-Oskar Jülicher

Fachanwalt für Erbrecht, Testamentsvollstrecker in Heinsberg | Heinsberg

Das Landgerichts Nürnberg-Fürth (Beschwerdeinstanz) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit ein handschriftlicher Brief einer Erblasserinan an einen Notar aus dem Jahre 1965, mit welchem er gebeten wurde, ein bei ihm errichteten Testaments mit Anordnung der Vor- und Nacherbschaft �niederzuschlagen�, dieses notarielle Testament widerruft.

1962 errichtete die Erblasserin, die 1971 starb, ein notarielles Testament, mit welchem sie ihren einzigen Sohn lediglich als Vorerben, weitläufige Verwandte als Nacherben einsetzte. Drei Jahre später bereute sie offensichtlich diese Verfügung und schrieb dem Notar, sie sei zu der Überzeugung gelangt, eine �Niederschlagung� des Testaments, welche sie genau bezeichnete, sei die beste Lösung. Sie bat den Notar, sie wissen zu lassen, ob ihrem Wunsch entsprochen sei. Das vollständig handschriftlich geschriebene Schriftstück schloss sie mit ihrem Namen, ihrer Adresse und dem Vermerk ab, dies sei ihre eigenhändige Unterschrift. Diesen Brief nahm der Notar zur Akte. Er antwortete der Erblasserin, die sicherste Möglichkeit für einen Widerruf sei, das notarielle Testament aus der amtlichen Verwahrung zu nehmen oder ein anderes Testament zu errichten. Die Erblasserin unternahm daraufhin nichts mehr.

Der Erbscheinsantrag des Sohnes auf Feststellung seiner Vollerbenstellung ohne Einschränkung durch Nacherbschaft wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Das Landgericht jedoch sah in dem Brief einen Widerruf des notariellen Testaments.

Zur Begründung führte es aus, dass an einer Unterschrift selbst dann nicht zu zweifeln sei, wenn diese Unterschrift eine gewöhnliche Textschrift darstelle. Unterschrifstypische, schwunghafte Ausführung sei zwar häufig anzutreffen, nicht jedoch das Wesen einer Unterschrift. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als dass die Erblasserin mit ihrem Vermerk, es handele sich um ihre eigene Unterschrift, diese noch bestätigt hatte; zudem war auch das notarielle Testament mit einfacher Textschrift gezeichnet.

Auch am Testierwillen habe es der Erblasserin nicht gefehlt, wenngleich ihr nicht unmittelbar bewusst war, mit den Brief bereits einen Widerspruch auszusprechen. Sie ging vielmehr rechtsirrtümlich davon aus, es bedürfe noch einer Amtshandlung des Notars, nämlich der Niederschlagung. Unabhängig davon brachte sie jedoch mit dem Schriftstück den unbedingten Willen zum Ausdruck, das notarielle Testament vernichten zu wollen und beauftragte damit den Notar, den sie für die maßgebliche Person zur Umsetzung ihres Willens hielt.

Die Tatsache, dass die Erblasserin auf den Brief des Notars hin nichts mehr unternahm, vermag an dem Willen bei Absendung des Briefes an den Notar und damit das Vorliegen eines Testamentswiderrufs nichts mehr zu ändern. Zwar könnte nachträgliches Verhalten grundsätzlich Anhaltspunkte für den Willen des Erblassers im Rahmen der Auslegung bieten. Nachträgliches Verhalten könne jedoch nicht einen geäußerten Widerruf außer Kraft setzen.

Auch das Verhalten des Notars, keine Anregung an die Erblasserin auszusprechen, diesen Brief ebenfalls in amtliche Verwahrung zu geben, vermöge an dieser Wertung nichts zu ändern.

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